Band 2 - Feindliche Segel

  • Ja... hab ich jetzt auch gesehen... Darfst diese beiden Beiträge auch gleich wieder löschen. :D

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Erneut erfreue ich mich an der Lektüre von 'Feindliche Segel'.

    Ich möchte hiermit an einer Textstelle nachweisen, dass sich POB verschiedener (moderner) Erzähltechniken bedient, die seine erzählerische Raffinesse belegen, eine vielfache Lektüre immer wieder lohnenswert macht und sein Erzählen als 'klassikertauglich' kennzeichnet.

    Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Verwendung verschiedener, (moderner) erzählerischer Techniken immer in ihrer Funktion einer inhaltlichen Bezogenheit hin als angemessen beweisen sollte. Eine erzählerische Qualität stellt sich immer dann ein, wenn Stilmittel nicht nur Selbstzweck sind, sondern den Inhalt quasi behandeln im Sinne von Verdeutlichung, Hervorhebung, Übertreibung, Raffung, Kommentierung, Ironisierung etc.


    Textstelle S. 389 (Ullstein TB, München 3.Aufl.2004)

    "Ebbe und Flut, wieder Ebbe und die Bucht von Cork, dann das Warten im Boot auf Mondlicht und schließlich ein starkes, flinkfüßiges Maultier im kahlen, ausgedörrten, unter dem Sonnenglast zitternden Gebirge, Zwergpalmen - und Senor Don Esteban Maturin y Domanova untertänigst die Füße des allgnädigsten Fürstabts von Montserrat küssend, die Ehre einer Audienz erbittend. Immer neue Windungen der weißen endlosen Straße, die menschenfeindliche Landschaft Aragons, eine grausame Sonne und Erschöpfung. Staub, ein müdes Herz - Zweifel. War Unabhängigkeit nur ein leeres Wort? Spielte die Form der Regierung überhaupt eine Rolle? Freiheit - aber wozu?

    Schließlich Abscheu, so überwältigend, daß Stephen sich gegen den Sattel lehnte und sich fast nicht zum Aufsteigen überwinden konnte. Ein Regenschauer auf der Maladetta und überall Duft von Thymian. Unter den Gewitterwolken die Spiralen der Raubvögel, höher, immer höher steigend. Kämpfen und Handeln, dachte er, für alles andere ist mein Geist zu verwirrt: eine Flucht, getarnt als Attacke.

    Dann wieder ein einsamer Strand, Lichtsignale draußen in der Bucht und die grenzenlose Weite von Himmel und See. Und abermals Irland, mit so vielen Erinnerungen hinter jeder Straßenbiegung. "Wenn ich die Last der Erinnerungen abwerfen könnte", sagte Stephen zu seinem zweiten Glas Laudanum, "bestünde für mich mehr Hoffnung auf geistige Genesung. Auf dein Wohl, Villiers, meine Liebe."


    Also spricht Stephen zu seinem Glas Laudanum. Mit den zwei letzten Sätzen wird deutlich, als was die vorangehenden Absätze zu verstehen sind. Dass er zu seinem Glas Laudanum spricht, ist an sich schon komisch (im Sinne von lustig!) ('einem Glas zusprechen'!!!). Aber hiermit ist festgelegt, wie der Leser zuvor manipuliert (gelenkt) werden konnte.

    Ein allgemeinwissender Erzähler lässt uns quasi von oben auf die Szene blicken. Stephen wandert in Aragon, wird vom Fürsten empfangen. Wahrnehmungen werden MONTIERT. Sein DENKEN wird dargestellt, seine ZWEIFEL, seine Sinnsuche in POLITISCHEN AKTIVITÄTEN. Der Leser darf in Stephens Kopf. Wir teilen seine individuellen, typischen Wahrnehmungen und sehen Raubvögel in Spiralen. Gedankenstrom fast schon, aber ausgewiesen (vom Erzähler als Denken). Wechsel in ERLEBTE GEDANKEN: "...ist mein Geist verwirrt: eine Flucht, getarnt als Attacke."

    Dann wechseln die Gedanken und Erinnerungen. Irland. Der stumme Dialog mit seinem Glas. Die Erkenntnis, an den Erinnerungen zu leiden, an den Liebschaften zu zerschmelzen (Inhalte).


    Diese kleine Textanalyse als kleiner beispielhafter Ausschnitt für POB kunstvolles, bewusst gestaltetes Erzählen. In 'Feindliche Segel' (und anderen Bänden der Serie) finden wir immer wieder auch die Tagebuchnotizen von Stephen, in der er seine Gedanken, Zweifel, Geheimnisse und Beichten dem Leser unmittelbar mitteilt. Ein weiteres, sehr gelungenes Stilmittel des Erzählers POB.

    Die zoologischen, anatomischen und botanischen Expertisen und Aktionen einerseits und die z.T. philosophischen Einsprengsel im dialogischen Erzählen formieren die Vielschichtigkeit der herausragenden Figur Stephen Maturin, in die der Autor liebevoll seine Zuneigung gestaltet hat. Teilweise garniert er diese Gestaltung auch mit (inneren) Monologen, Wahrnehmungsmontagen und direkt erlebter und indirekter Rede.


    Als Leser erlebst du Unmittelbarkeit in feinster Ausgestaltung. Du lebst in der Zeit von Jane Austen mit Jack und Stephen, du unterhältst dich mit den Figuren, du reist in England und Spanien und segelst von hier nach dort (hier: gerne im Mittelmeer, im Ärmelkanal und der Biskaya). Du wirst vom Büttel verfolgt und willst nicht in den Schuldenturm. Du bist fasziniert von einer unschuldig-reinen Sophie und einer sarkastisch-ironischen Diana. Du bist ein erstmals betrunkener Fähnrich, der den Captain anlullt und dafür übers Knie gelegt wird, und du bist so gerne ein Bewunderer von POB, der seine Romane für uns so authentisch gestaltet hat.

    "Wie die Luft gehört die See als Geburtsrecht allen Menschen.“
    (Thomas Jefferson 1743 - 1826)

  • Ja, in der Tat! fr18


    An solchen Stellen wird man als Leser förmlich in die Handlung hineingezogen. Die verschiedenen Bilder und Stimmungen, reflektiert durch das verwirrende und erweiternde Laudanum... da kommt man sehr schnell auf eine allgemeingültige Meta-Ebene, denn wahrscheinlich hat jede(r) Leser(in) mit genügend Lebensalter und Erfahrung selbst schon solche Momente durchlebt. Die schwappende und widerspiegelnde Flüssigkeitsoberfläche in einem Glas, die ganzen Hochs und Tiefs, die man durchlebt; und doch bewegt man sich im Kreis...

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • "Der verliebte Kapitän"? Ehrlich jetzt? Wer bitte denkt sich so einen Schwachsinnstitel aus? dash

    Vermutlich die selbe KI, die auch die Amazon-Zusammenfassung geschrieben hat: "Kapitänsleutnant Jack Aubrey..."

    George N. W. Cavendish-Bentinck (M.O.R.N.)

  • Bei der Titelumbenennung kann es sich nur um einen schlechten Scherz handeln...

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Ok, Kampa Verlag. Ein Verlag aus der Schweiz. Wenn wir nicht unseren lieben Peter_H kennen würden, würde man sagen: Klar doch, was haben die Schweizer schon für Ahnung von Seekriegen unter Segeln. Peter, tu was!


    Und wenn man dann da bei Amazon weiter guckt, kann man zumindest bei Band 1 feststellen, dass man hier den englischen Originaltitel gewählt hat. Aber das Coverbild! Was bitte soll das sein? DAS hat garantiert eine KI erzeugt.

    Ich hätte nicht übel Lust, bei dem Verlag anzurufen und nachzufragen, ob ihre Grundstücksbegrenzung defekt ist. Also ob sie noch alle Latten am Zaun haben... fie

  • Hab mir gerade das Cover angesehen. Dagegen waren die Spanischen Studiozeichner der Piratenserie Capitan Terror ja noch Fachleute und die hatten schon keine Ahnung vom Age of Sail :re:

  • Boah, da muss man ja gepflegt ein Reiherchen machen gehen…

    Was meinen denn diese Verlagsmenschen? Wären das Werbeleute, hätte ich vermutet die haben schlechten Stoff geschnupft aber so…

    Sprachlos.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Wenn wir nicht unseren lieben Peter_H kennen würden, würde man sagen: Klar doch, was haben die Schweizer schon für Ahnung von Seekriegen unter Segeln. Peter, tu was!

    Die haben auch mit mir nicht mehr Ahnung!

    Ich rufe da gleich mal an und drohe ihnen, mit meiner Sloop aufzukreuzen, ihnen meine Breitseite zu zeigen und mit einer Salve zu drohen.

    Vermutlich würden sie das so verstehen: Ich komme mit meiner Frau vorbei, zeige ihnen meine Bierwampe und drohe ihnen, sie zu grüssen.

    Es hilft alles nix... :lol


    Beste Grüsse

    Peter

  • Ich rufe da gleich mal an und drohe ihnen, mit meiner Sloop aufzukreuzen, ihnen meine Breitseite zu zeigen und mit einer Salve zu drohen.

    Vermutlich würden sie das so verstehen: Ich komme mit meiner Frau vorbei, zeige ihnen meine Bierwampe und drohe ihnen, sie zu grüssen.

    Es hilft alles nix... :lol

    Verdammte Landlubber rofl

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)