Es geht ein Schnitter, der heißt der Tod...
Nach vielen vielen Jahren lese ich - durch kindle-bedingten Zufall - die Woodman Reihe einmal wieder von vorn bis achtern und habe gerade Band zwei abgeschlossen. Woodman liest sich nochmal ganz anders, wenn man die Kommentare seines geschätzten und kongenialen Übersetzers dazu im Hinterkopf rumspuken hat: Melancholisch, vom Leben enttäuscht und gebeutelt...
Der Band setzt auf dem Höhepunkt des Terreur ein. Nathaniel Drinkwater, einem in der Beförderung übergangenen Master's Mate, wird nach langem Friedensdienst an Bord von Yachten des Trinity House wieder ein Dienstposten an Bord eines Schiffs des Königs angetragen. Einmal mehr mit einer acting commission als diensttuender Leutnant eingesetzt, wird er Erster Offizier an Bord des Kutters Kestrel. Die nächsten Monate verbringt das winzige Schiffchen unter dem Kommando des altgefahrenen Waliser Lieutenant Griffiths damit, Agenten und Flüchtlinge über den Ärmelkanal zu setzen. Hierbei rettet Drinkwater auch eine französische Adelige, die tiefe Scharten in seiner Seele hinterlassen wird.
Die nächsten Jahre, während derer sie eine große und eine kleine Meuterei sowie eine ausgewachsene Flottenschlacht durchstehen müssen, liefern sich Griffiths, Drinkwater und die Kestrel ein Katz und Maus-Spiel mit ihren neugefundenen Geistern, .
Nach den prägenden Jahren als Midshipman im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg muss Drinkwater mitansehen, wie er auf einem körperlich wie seelisch mörderischen Kriegsschauplatz jeden Tag dem Tod in ein neues Auge sehen muss, während andere auf dem Karrierepfad an ihm vorbeiziehen. Auch die Stimmung an Bord der Kestrelunterliegt einem kriegs- und krisenbedingten Auf und Ab und Wegbegleiter werden davongegangen, kaum dass Drinkwater oder der Leser sie ins Herz geschlossen haben. Wer diese Art von Seefahrerleben auch nur beschreiben kann, dem muss einiges über die Seele gekratzt haben.
Woodman ist selbst zur See gefahren und sein seemännisches Wissen und Können sowie seine Erfahrung blitzen an allen Ecken und Enden auf. Kestrels Versuch, sich von mehreren französischen Fregatten freizusegeln, die den Kutter vor Brest eingekreist haben, ist auf dem Nivau von Hotspur versus Loire und Sophie gegen Linois. Atmen verboten!
Dieses Buch ist meiner Ansicht nach das herzzerreissendste aus den ersten zwei Dritteln der Serie. Die nächsten Bände werden im Vergleich beinahe fröhlich, bis die Abwärtsspirale viel später am anderen Ende der Welt wieder einsetzt und das umso unbarmherziger. Fachlich ist Woodman einer der besten Autoren von Romanen in unserer Zeit, Haupt- oder Hauptnebenfigur möchte man bei ihm aber eher ungern sein. Eine packende Geschichte aus einem der Nebenfahrwasser der großen Seekriegsgeschichte.