Beiträge von Ned

    Naja, wenn der (eine) Bösewicht keine Sympathien beim Leser erweckt (ick heb mir jetzt bewusst verkniffen, "erregt" zu schreiben...), dann hat er seinen Job doch im besten Sinne erfüllt.
    Ich finde die kurzen Episoden im Niemandsland mit dem anderen Bösewicht übrigens auch noch ganz reizvoll...

    ... Keiner der Autoren war/ist Segler im hier bemühten Sinne! Irgendjemand hat mal geschrieben, heutzutage gäbe es in der Welt nicht Eine(n), der noch ein Segelkriegsschiff der damaligen Zeit - geschweige denn, eine Flotte - führen könnte. In "1805" gibt es ganz am Anfang eine Passage, in der Drinkwater auf Leggerwall Antigone club-haulen muss (mit dem Anker herumreißen). Bei der Beschreibung eines wichtigen Details dieses heiklen Manövers gibt es in der Übersetzung des Profis Minge einen massiven Widerspruch zur Manöverschilderung des Profis Woodman. (Das wäre mit Sicherheit ein Glanzlicht unserer Gespräche mit Uwe geworden - leider ist mir diese Passage erst letztes Jahr aufgefallen.)
    Will heißen: heutzutage einem der Autoren zu unterstellen, er habe keine/nicht viel Ahnung gehabt, finde ich insofern problematisch, als selbst die Forschung von vielen Dingen heutzutage nicht mehr eindeutig zu sagen weiß, wie man das damals überhaupt machen konnte...

    Der erste Band der Drinkwater Serie. Ein schon etwas älterer, der See eher fern aufgewachsener Jugendlicher landet in der Kadettenmesse eines königlichen Schiffes und muss die Schikanen der Altgefahrenen ertragen. Bei Hornblower kopiert? Neeeein, bestimmt nicht. :roll:


    Wie Drinkwater in seine Rolle wächst, gleicht tatsächlich sehr dem ersten Band der Hornblower-Reihe. Nur, dass Drinkwater gleich an Bord einer Fregatte unterkommt und damit die Ereignisse an Bord der Justinian gleich mit denen der Indefatigable an Bord der Cyclops zusammengelegt werden können. Während der Zeit des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges angelegt, schildert der Roman die Phasen, in denen dem jungen Drinkwater seine Seebeine gewachsen werden, in denen er sich in der brutalen Welt unter Deck durchsetzt und Freunde gewinnt und Feinde bekommt und Freunde verliert... Hier werden viele Erzählstränge angelegt, die sich weit über den Rest der Reihe hinziehen werden, z. T. bis to the biter end.


    (Noch) kein Knaller - aber gut und interessant geschrieben. Am spannendsten ein Landgang in Amerika - von Ole Groothus irgendwo auch schon mal umkopiert.


    Dieser Band ist in meinen Augen erst die - allerdings unumgängliche - Einleitung zu einer Reihe, die in ihrem Verlauf wirkliche Höhepunkte der Marineliteratur bereithält, z. B. mit "A King's Cutter"/"Kutterkorsaren" gleich den Folgeband.

    Zitat von "Griffiths"

    ... die Damen bleiben bei PoB immer Ende Zwanzig ...


    ... daran hat sich doch bis heute nichts geändert...

    In Band 3 ist Nathaniel endlich Leutnant und Erster der Brigg Hellebore. Als Hellebore von Nelson ins Rote Meer beordert wird, um die örtlichen britischen Kräfte vor einer möglichen Invasion Ägyptens durch die Franzosen zu warnen, sind alte Bordkameraden mit von der Partie. Und im Roten Meer selbst tauchen dann auch die Geister aus der Vergangenheit auf und Nathaniels Schiff und Crew werden nicht mehr sein wie zuvor.


    Gegenüber dem Vorgänger und (@ Speedy) dem Nachfolgerband legt Woodman hier zunächst eine dramatologische Atempause ein, indem er einen Brot-und-Butter Seefahrerroman abliefert: Nett, aber mehr nicht. Erst im letzten Viertel phast der Roman wieder in Nathaniels Biographie ein. Interessant sind hier eher die Einführung von Samuel Rogers als typischem Woodman/Minges'chen Wegbegleiter durch die nächsten Bände sowie die Episoden am Rande: die Geschichte eines erfolglosen Akuteisenimports nach Afrika, eine misogyne Romanze, eine gebrochene Rah im Sturm und ein französischer Jugendlicher, der Tag und Nacht in Furcht und Schrecken vor einem gewissen englischen Leutnant lebt. :mrgreen:


    Und jetzt freue ich mich auf drei der vier besten Bände der Reihe.

    Der Segelmeister der "London" während der ersten Schlacht von Kopenhagen war übrigens ein gewisser John Fryer, der im Jahr 1789 diesen Dienstposten an Bord von H.M.A.V. "Bounty" versah. Sein ehemaliger Schiffschef, William Bligh, führte in dem selben Geschwader H.M.S. "Glatton". Die Marine war auch damals schon klein...

    Einmal unsere Geschichte aus der Sicht des Gegners von überm Kanal.
    Der Band (leider m. W. nur auf Französisch - ach wäre dem Captain seine Schwester doch hier) beleuchtet die französische Flotte ab ca. dem Ende es Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges bis zum Ende der Revolution. Er ist zwar historisch etwas schedderig (die Beurteilung erlaube ich mir auf Grundlage des Exkurses über Kopenhagen 1801) und hat keine Fußnoten. Dennoch halte ich den Band für ein wissenschaftliches Buch und schon auf den ersten paar Seiten, die ich geschafft habe, finden sich ein paar inhaltliche Goldkörnchen:
    1. Der französische Haß auf die Briten soll u. a. auch den enormen Mortalitätsraten der französischen Kriegsgefangenen an Bord der britischen Hulken geschuldet sein. Gleichzeitig machen die Autoren darauf aufmerksam, dass diese hohe Mortalität statistisch nicht überdurchschnittlich war, auf Grund der enormen Zahlen an kriegsgefangenen Seeleuten aber die totale Anzahl in Kriegsgefangenschaft verstorbener Angehöriger der französischen "maritime community" enorm war und ihre Spuren an den französischen Küsten hinterließ.
    2. Eine höchst interessante Diskussion zu den Vorzügen der französischen "Classes" bzw. der ähnlichen spanischen "Matricolo del Mar" im Vergleich mit dem britischen System des Pressens. Insbesondere in den ersten sechs Monaten eines Krieges sehen die Autoren im kontinentalen System einen enormen Vorteil für den schnellen Aufwuchs einer Flotte.
    3. Von den drei großen französischen Kriegshäfen Brest, Rochefort und Toulon war allein Rochefort einigermaßen vernünftig aus der Umgebund zu verpflegen - ein Vorteil, der durch eine enorme Seuchenanfälligkeit gerade dieser Stadt wieder zunichtegemacht wurde.
    4. Ägypten (1798!) wurde lange vor Bonapartes Feldzug in Frankreich schon lebhaft als weit günstiger zu verteidigende und wirtschaftlich sinnvollere Alternative zu den militärisch kaum zu haltenden und wirtschaftlich eher kosten- als nutzenstiftenden westindischen Kolonien diskutiert.
    5. Es gab - wie beim Master einmal angerissen - tatsächlich erhebliche Animositäten zwischen nord- und südfranzösischen Seeleuten, die nur noch überlagert wurde zwischen der Feindschaft, die zwischen Bretonen und Normannen herrschte.


    To be continued

    Es geht ein Schnitter, der heißt der Tod...


    Nach vielen vielen Jahren lese ich - durch kindle-bedingten Zufall - die Woodman Reihe einmal wieder von vorn bis achtern und habe gerade Band zwei abgeschlossen. Woodman liest sich nochmal ganz anders, wenn man die Kommentare seines geschätzten und kongenialen Übersetzers dazu im Hinterkopf rumspuken hat: Melancholisch, vom Leben enttäuscht und gebeutelt...


    Der Band setzt auf dem Höhepunkt des Terreur ein. Nathaniel Drinkwater, einem in der Beförderung übergangenen Master's Mate, wird nach langem Friedensdienst an Bord von Yachten des Trinity House wieder ein Dienstposten an Bord eines Schiffs des Königs angetragen. Einmal mehr mit einer acting commission als diensttuender Leutnant eingesetzt, wird er Erster Offizier an Bord des Kutters Kestrel. Die nächsten Monate verbringt das winzige Schiffchen unter dem Kommando des altgefahrenen Waliser Lieutenant Griffiths damit, Agenten und Flüchtlinge über den Ärmelkanal zu setzen. Hierbei rettet Drinkwater auch eine französische Adelige, die tiefe Scharten in seiner Seele hinterlassen wird.
    Die nächsten Jahre, während derer sie eine große und eine kleine Meuterei sowie eine ausgewachsene Flottenschlacht durchstehen müssen, liefern sich Griffiths, Drinkwater und die Kestrel ein Katz und Maus-Spiel mit ihren neugefundenen Geistern, .


    Nach den prägenden Jahren als Midshipman im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg muss Drinkwater mitansehen, wie er auf einem körperlich wie seelisch mörderischen Kriegsschauplatz jeden Tag dem Tod in ein neues Auge sehen muss, während andere auf dem Karrierepfad an ihm vorbeiziehen. Auch die Stimmung an Bord der Kestrelunterliegt einem kriegs- und krisenbedingten Auf und Ab und Wegbegleiter werden davongegangen, kaum dass Drinkwater oder der Leser sie ins Herz geschlossen haben. Wer diese Art von Seefahrerleben auch nur beschreiben kann, dem muss einiges über die Seele gekratzt haben.


    Woodman ist selbst zur See gefahren und sein seemännisches Wissen und Können sowie seine Erfahrung blitzen an allen Ecken und Enden auf. Kestrels Versuch, sich von mehreren französischen Fregatten freizusegeln, die den Kutter vor Brest eingekreist haben, ist auf dem Nivau von Hotspur versus Loire und Sophie gegen Linois. Atmen verboten!


    Dieses Buch ist meiner Ansicht nach das herzzerreissendste aus den ersten zwei Dritteln der Serie. Die nächsten Bände werden im Vergleich beinahe fröhlich, bis die Abwärtsspirale viel später am anderen Ende der Welt wieder einsetzt und das umso unbarmherziger. Fachlich ist Woodman einer der besten Autoren von Romanen in unserer Zeit, Haupt- oder Hauptnebenfigur möchte man bei ihm aber eher ungern sein. Eine packende Geschichte aus einem der Nebenfahrwasser der großen Seekriegsgeschichte.