HMS Mercury - Fregatte der Enterprize-Klasse; Shipyard-Kartonmodell, 1:72

  • Einen historischen Moment gab es heute auf meiner Werft. Der Zahnstocher im Bild zeigt auf ein Reffbändsel am Kreuzmarssegel. Das war das letzte von insgesamt 450 Reffbändseln, die ich an den Segeln der Mercury angebracht habe. :huzzah:

    450! s3


    Ich war doch etwas überrascht, dass es so viele sind. Aber nun ist Schluss damit - die noch zu fertigenden beiden Segel (Kreuzbram und Besansegel) habe keine Reffbändsel.


  • nur 450? Da stimmt doch was nicht...

    Ist bestimmt ein Fehler.


    :wuff:


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • ...und wenn Du jetzt feststellst, dass alle 1mm zu kurz sind, dann kannst Du 450 Reffbändsel bondnen und neu machen....*duckundweg*

  • Was für eine Fleißarbeit! Herzlichen Glückwunsch zur Fertigstellung.

    Gruß Christian


    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • So, das hier nochmal zitiert, damit ihr im Bilde seid und nicht eine Seite zurück klicken müsst.


    ...aktuell bin ich mit der Bagienrah beschäftigt.


    ...Die Brassenführung ist interessant. Da hinter dem Besan - auch Kreuzmast genannt - das Schiff dann ziemlich schnell zu Ende ist, werden die Rahen nach vorn geführt. Und das in einer durchaus interessanten Art: Das feste Ende der Backbordbrasse wird binnenbords an ein Want des Großmastes auf der Steuerbordseite geknüpft. Dann läuft es durch den Block am Backbord-Brassschenkel zurück zur Steuerbordseite, wo unterhalb des Befestigungspunktes des festen Endes ein Leitblock, ebenfalls binnenbords, befestigt ist. Durch diesen geht es dann weiter in Richtung Deck, wo eine Kausche, ebenfalls binnenbords am selben Steuerbordwant wartet. Schließlich wird die holende Part dann irgendwo an Deck befestigt (Reling oder Nagelbank oder Fußblock, je nachdem, was grad da ist). Logischerweise läuft die Steuerbordbrasse über Leitblock und Kausche auf der Backbordseite. Die Brassen werden also über Kreuz geführt - und deshalb heißt der Kreuzmast auch Kreuzmast. Na, ehrlich: Hättet ihr das gewusst? :sun:


    Ich muss mal gucken, wie ich das hinbekomme - da ist ja irgendwie ein eingepacktes Stagsegel im Weg. Aber ich krieg das hin. Irgendwie. :D


    Puh, das war ein aufregendes Stück Arbeit.

    Ich hatte Probleme, einen geeigneten Befestigungspunkt zu finden, denn alles, was Schrage in seinem Buch nennt, hat mein Schiff nicht. Keine Nagelbank am Großmast bzw. seitlich an der Reling in dem Bereich, keine offene Reling und keinen Fußblock - nix! Da war dann guter Rat gefragt, den ich mir dann nebenan im "Götterforum" geholt habe. Ja, Fußblock wäre nicht schlecht, und ein einsamer Timberhead sitzt ja da auf der Relingabdeckung in Nähe des Großmastes. Wohlan denn, also mussten jetzt zwei Fußblöcke her, also für jede Seite einer.

    Nun hat die Mercury schon mehrere Fußblöcke an Deck - die hatten in der Bauanleitung alle die Nummer 218 - und sind bereits alle mit Tauen belegt. Bevor ich nun selbst diese beiden Teile zurecht schnippele, dachte ich mir, schaust mal auf den Bogen, wo die Teile drauf sind. Und holla: Da waren die Einzelteile für zwei Teile mit der Nummer 219 - identisch mit den 218ern. Ich also nochmals sehr gründlich die Bauanleitung studiert, aber nirgends fand ich einen Hinweis auf Teil 219. Aber dann entdeckte ich das hier - schaut mal in die Bildmitte, unter der braunen Leiter und unterhalb des weißen Kreises mit der Nummer 191 l. Genau, da lugt unser Fußblock hervor, garantiert eine 219, auch wenn es nicht dran steht.


    So hatte ich also meine beiden Fußblöcke, und schon kam das nächste Problem: Wie bekomme ich die jetzt noch an Ort und Stelle und wie fädele ich da dann noch das Brasstau durch? Rund um den Großmast strotzt es nur so vor Wanten, Pardunen, Taljen, Geitauen, Gordings und und und.

    Nun, es hat am Ende alles geklappt - und das, ohne dabei etwas versehentlich abzureißen. Zuerst einmal mussten die Leitkauschen angebracht werden, und zwar nicht ganz unten, sondern so in etwa bei einem Drittel der Gesamthöhe der Unterwanten. Warum? Damit das Brasstau möglichst gerade nach unten direkt in den Fußblock geleitet werden kann.

    Wie bin ich vorgegangen? Zuerst wurde das feste Ende der Brasstaue dicht bei den Püttingswürsten an den Wanten befestigt. Dann ging es über Kreuz zurück zur Rah, wo die Taue durch die Blöcke am Brassschenkel geführt wurden. Jetzt fädelte ich die Brassen durch vorher eingebundenen Blöcke, an denen ich zwei ausreichend lange Fadenenden gelassen hatte. Erst jetzt befestigte ich diese Leitblöcke von innen auch dicht unterhalb der Püttingswürste am jeweils gleichen Want. Nun kam die eingebundene Kausche dran, auch die erst mal über den Faden gezogen und erst dann am Want angebracht. Was jetzt folgt, könnt ihr euch denken: Ja, auch den Fußblock fädelte ich erst auf das Brasstau, bevor ich ihn an Deck festklebte.


    Und da muss der Fußblock hin:


    Und da isser:


    Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich tatsächlich noch mit der ganzen Hand in den Bereich des Achterdecks komme, ohne etwas abzureißen. Hier hat sich meine Methode bewährt, alle Taue zwar möglichst straff zu spannen, aber eben nur grad so, dass sie straff aussehen, aber dennoch reichlich Spiel haben und so nicht beim leisesten Zug gleich abreißen.

    Zum Schluss wurden dann die Brasstaue an dem Timberhead belegt, und damit war dann das Anbringen der Bagienrah erledigt.

  • der Fussblock ist ja ne Nummer.

    Und die Bauanleitungen... wow da bin ich von meinen Plastikzeiten echt besseres gewohnt.

    Sieht gut aus.


    aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Aye,Bonden


    das sind dann die besonders spannenden Momente beim Modellbau. Super hingekriegt


    Frage. Hat das Deck eine feste Unterkonstruktion? Bei meinem Schiff würde ich einfach ein Loch bohren, da einen Augbolzen mit Sek. Kleber einsetzen, und gut ist es. Aber bei Papier? Wie geht das da?

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • Bei meinem Schiff würde ich einfach ein Loch bohren, da einen Augbolzen mit Sek. Kleber einsetzen, und gut ist es. Aber bei Papier? Wie geht das da?

    Im Prinzip genauso. Das Deck besteht ja aus einer insgesamt ca. 2mm dicken Kartonschicht. Für alle Augbolzen, die ich da drin habe, habe ich meist nur mit einer Stecknadel ein Loch vorgebohrt, dann an den "Stiel" des Augbolzens etwas Ponal Turbo gegeben und den Augbolzen dann in das Loch gesteckt. Bis jetzt haben sie alle gehalten.

    An der bewussten Stelle wäre es allerdings äußerst schwierig geworden, da jetzt noch ein Loch reinzubekommen, einfach, weil man wegen der vielen Taue, die ständig im Weg sind, keinen günstigen Winkel mehr findet, um die Nadel oder auch den dünnen Bohrer anzusetzen.

  • Ich weiß ja nicht wieso, aber ich hab hier doch was vergessen zu berichten. Dann hole ich das mal nach - es geht um die Vorbereitung der Bagienrah.

    Interessant war schon mal bei der Rah das Anbringen zweier Blöcke in der Rahmitte. Einer geht nach oben, für die Aufhängung der Rah, der andere nach unten, für die Schotenführung. Beide sind, wie gesagt, genau in der Mitte, was an die Stroppen zum Festmachen besondere Voraussetzungen knüpft. Das Bild aus dem Schrage zeigt, wie es aussehen soll:


    Der untere Block bekommt also doppelte Stroppen.
    Und so sieht das dann an meiner Rah aus:


    An die Rahnocken, also die Enden, kommt jeweils eine Kombination aus einem Einfachblock und einem Schulterblock. Die Schulterblöcke baue nach der Shiipyard-Methode, allerdings nicht mit Shipyard-Vorlagen, sondern mit hölzernen der Firma Syren.


    Nach dem Zusammenkleben, Trocknen und Herauslösen aus dem Rahmen werden sie dann in Form geschliffen und dunkel gebeizt. Die Rah erhält außerdem Fußpferde sowie das Tau für das Rack. Die Brassenschenkel werden hier nicht auf die Rahnocken gesetzt, sondern ein Stück weiter zur Mitte hin. Hier habe ich schon mal das vorher gekleedete Hangertau durch den Block geschoren - die Rah ist nun fertig, an den Mast zu kommen.



    So, nun ist der Baubericht zur Bagienrah vollständig. :pf:

  • Ahoi allerseits,


    danke für die Däumchen, und es geht munter weiter in meiner Werft. Heute nur ein Bild, sozusagen zum Anfüttern für das, was dann wahrscheinlich schon morgen folgt. Die Kreuzmarsrah samt Segel hängt am Mast. So hat dann auch der Besan sein erstes Tuch gesetzt.


    Es fehlen aber noch ein paar Dinge. Das Rack und das Fall für das Drehreep vor allem. Die Topnanten auch, aber die sind gleichzeitig die Schoten für das Bramsegel, kommen also erst ran, wenn auch eine Etage höher alles dran ist. Und die Brassen kann ich erst anbauen, wenn das Gaffelsegel dran ist, da die Leitblöcke für die Brassen an der Piek der Gaffel sitzen.

    Ich werde berichten. :wink:

  • Speedy : Das spare ich mir zum Schluss auf. fr21


    Für alle, die noch nicht ein so hohes Dienstalter haben, um zu wissen, was das Bondensegel ist: Würde man bei der Mercury oder auch bei jedem anderen Dreimaster aus "unserer" Zeit an der Bagienrah ein Segel setzen, wäre das ein Bondensegel. Die Geschichte dahinter ist allerdings nicht für die Verschriftlichung in einem öffentlichen Forum bestimmt; bei Vorliegen von günstigen Voraussetzungen wird sie aber gern mal bei einem Forumstreffen erzählt. :D


    Und jetzt ganz ernsthaft: Komischerweise findet man dieses Segel bei vielen Briggs. Was ist denn da so anders? Ich meine, da haben wir dann auch ein großes Gaffelsegel, welches dem direkt davor hängenden Rahsegel einen Großteil des Winds wegnimmt. :hmm:

  • Bondensegel? Hmm, hmm? Holt Jack nicht irgend einmal Steffen an Deck um ihm als seltene Besonderheit ein Segel an der Bagienrah zu zeigen?

    Mir scheint das jedenfalls so.

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.