Angarfathers Dockyard. Eine Woche nach dem Gespräch des Shipwright mit Sir Francis.
An der Tür des Zeichenboden ertönt ein sehr kräftiges Klopfen, und ohne das der Werftherr etwas gesagt hat wird die Tür geöffnet und zwei Offiziere der Gentlemen Pensioners, der königlichen Leibwache treten ungefragt ein und postieren sich neben der Tür. Durch die geöffnete Tür ist zu erkennen, daß dort zwei Yeoman Warders, volkstümlich auch Beefeater genannt, mit gekreuzten Lanzen die Tür außen sichern. Ehe der Shipwright etwas zu diesem Szenario sagen kann nehmen die Beefeater Haltung an und präsentieren ihre Waffen.
Es ist klar, was das bedeutet, und der Werftherr sinkt vor seiner eintretenden Königin aufs Knie.
"Nun Master Shipwright, habt Ihr ein wenig Zeit Eurer Königin den Neubau der Countess of Kingsbridge zu zeigen?" dabei deutet sie dem Master mit einer Handbewegung sich zu erheben. "Euer Majestät, verzeiht mir diese Unaufmerksamkeit." Elizabeth unterbricht ihn mit einer deutlichen Geste der Rechten: "Woher solltet Ihr von meiner Ankunft wissen. Also last diese ganzen Förmlichkeiten sein." Sie schweigt einen Augenblick während sich der Master dankend verbeugt. "Zeigt mir den Neubau der Countess of Kingsbridge, ohne daß die Putzkolonne vorher in Aktion getreten ist." "Es ist mir eine Ehre, Majestät. Bitte mich vorausgehen zu lassen." Elizabeth nickt ihm zu.
Der Shipwright schwitzt innerlich Blut und Wasser aus Angst davor, daß sich die Königin auf den mit Spänen, Stückholz,Holzzuschnitten, Werkzeugen und dergleichen mehr bedeckten Bereichen um den Neubau verletzen könnte. Zwar gibt es hier natürlich Wege für die Zimmerleute und ihre Helfer, nur haben die absolut nichts mit den Wegen wie sie in den Palästen und Gärten der Königin zu finden sind gemein. Elizabeth lächelt ihn freundlich an: "Macht Euch keine Sorgen um mich auf den Wegen Eurer Werft. Dafür bin ich ausgestattet. Seht her." Der Master senkt den Blick und sieht sie genau an, was er ohne die Aufforderung so nie gewagt hätte. Die Königin trägt ein Pelzcape und drunter ein äußerst kostbares und elegantes Kleid, das allerdings keinen Reifrock hat, sondern frei fällt. Zudem ist es ungewöhnlich kurz. Es hört oberhalb der Knöchel auf sodaß man, so man denn zu gucken wagt, sieht, daß sie sehr kräftige Stiefel trägt. "Ihr gestattet, Majestät, daß wir erst einen Rundgang um das Schiff machen, um danach an Deck zu gehen. Meine Gesellen sichern derweil den Zugang mittels einiger Planken." "Nur zu, Master." Die Eskorte folgt ihnen wie ein Schatten.
Zur Überraschung des Schiffbauers stellt die Königin während der Besichtigung erstaunlich sachkundige Fragen zum Aufbau der Galeone. Als sie nach einiger Zeit in der Kuhl stehen sagt die Königin: "Drake hat einwenig herumgemault, weil Ihr es ihm verweigert habt die Kuhl der Countess mit einer massiven Schanz zu versehen. Warum?" "Nun, Majestät, eine richtige Schanz dort einzubauen bedeutet ein weiteres zusätzliches Gewicht und unter Umständen eine Verschiebung des Schwerpunktes nach oben." "Habt Ihr das nach den Regeln des Archimedes gerechnet?" Der Shipwright sieht sie verblüfft an. Daß die Königin sogar etwas von den Schwerpunktberechnungen des alten Griechen weis hätte er niemals gedacht, zumal die meisten Kapitäne noch nicht einmal das Wort Schwerpunkt kennen. "Soweit das möglich ist schon. Aber mit diesem Verfahren, und ein anderes haben wir nicht oder noch nicht, komme ich nur näherungsweise an die Sache heran. Es ist immer noch eine Frage der Tradition der Handwerkskunst und des gesunden Menschenverstandes." Elizabeth denkt einen Augenblick nach, dabei den Blick konzentriert über den Neubau führend.
"Gut, und verständlich. Aber wenn Ihr die Reling, so wie sie jetzt ist, beplankt stellt sich das Problem wohl kaum, und das Schiff wird wuchtiger und damit bedrohlicher aussehen." Der Shipwrigt wiegt den Kopf nachdenkend hin und her. "Master, wenn ihr fachliche Probleme damit habt sagt es frei heraus." "Wenn ich dafür zweizöllige Planken nehme und die Schanz nicht verstärke und hoch ziehe wird das gehen. Das stellt natürlich keinen Schutz der Kanoniere gegen Musketen oder Schrapnellbeschuß dar." Elizabeth nickt: "Dann macht das so. Aber weit wichtiger. Wir brauchen schnellstens Schiffe wie die Countess. Alles andere ist im Augenblick nachrangig." Der Shipwright verneigt sich: "Wenn Majestät es befehlen stelle ich alle weiteren Aufträge zurück und kann dann noch zwei weitere Schiffe parallel zur Countess auf Kiel legen."
Inzwischen pfeift ein sehr kalter Wind von der See her über die Werft. Der Shipwright, leicht fröstelnd: Darf ich Euer Majestät einwenig "Rauchenden Bischoff" * im Kontor anbieten?" "Fragt nicht lange, den kann ich jetzt gut gebrauchen."
* Den "Rauchenden Bischoff" würde man heute als eine Art Glühwein bezeichnen.