13. Diane
Zwischenzeitlich haben Aubrey und Maturin wieder einige Abenteuer auf ihrer geliebten Surprise erlebet, bevor wieder mal ein anderes Kommando ansteht.
Auch der 13. Band beginnt auf der Surprise, die die Romanhelden aber bei einem Stop in Lissabon verlassen, um eine Geheimmission zu übernehmen. Und so übernimmt Aubrey in Portugal die neugebaute Fregatte Diane, die schon in Band 12 eine Rolle spielte bzw. von der Surprise aus der Hand der Franzosen gekapert wurde. (POB12, 184f.) darüber erfahren wir auch mal fast ganz genau, wann was stattfindet: „Die umkringelten Zeilen lauteten: 15ter Mai. Kapitän John Aubrey von der Kgl. Marine wird mit seinem früheren Dienstgrad und gleichem Dienstalter wieder auf die Liste gesetzt und erhält das Kommando über die Diane, zweiunddreißig Kanonen.“ (POB13, 128)
Damit treten quasi die gleichen Probleme wie schon bei der Worcester auf; es gibt nämlich kein wirklich passendes Pendant in der Royal Navy und Franzosen bauten zu dieser Zeit auch keine derartigen Fregatten.
Standard waren zu dieser Zeit eigentlich schon 38-44er Fregatten. „Die 38-Kanonen Fregatte, mit einer Batterie von 28 Geschützen auf dem Unterdeck, bildete zusammen mit der etwas kleineren 36er-Fregatten bis zum Ende der napoleonischen Ära das Rückgrat der britischen Fregatten-Flotte – beide Typen wurden in größeren Stückzahlen auch noch Jahre nach Ende des Krieges gebaut.“ (W2, 136; Anmerkungen zu den 18-Pfünder Fregatten ab 1793)
Auch die erbeuteten französischen Fregatten der Jahre 1803-1815 waren standardmäßig mit 18-Pfünder Geschützen ausgerüstet, quantitativ allerdings mit 40er und dann auf britischer Seite als 38er geführt. (W2, 175)
Trinque (Ships of Jack Aubrey) wählt für Diane als mögliches Äquivalent Fregatten der britischen Amphion-Klasse (32er, 18-Pfünder). Kann man machen, erscheint aber keine sinnvolle Lösung bzw. Vorlage für eine mögliche Diane zu sein.
In den Listen der erbeuteten Fregatten zwischen 1793-1801 findet sich dann ein auf den ersten Blick ein vermeintlicher Volltreffer: die nach Plänen von Pierre-Joseph Pénétreau in Toulon gebaute Fregatte, die in der RN als Niobe geführt, und in der französischen Marine vorher den Namen La Diane trug…
Die Diane wurde im August 1800 vor Malta von drei britischen Schiffen aufgebracht und nach einigen Einsätzen (z.B. Blockade von Brest) erhielt sie im März 1812 den Auftrag, nach Portugal zu segeln – passt nahezu perfekt zu den Vorkommnissen im Roman.
Danach folgt dann allerdings der Geleitschutz für einen Konvoi nach Quebec (1813) und die Umrüstung zum Truppentransporter 1814. (W2, 164)
Mit diesen Ergebnissen könnte man sich zufriedengeben oder weitersuchen. Und tatsächlich finden sich Fregatten, die im fraglichen Zeitraum ab 1813 in den „East Indies“ (was auch immer alles in Süd- und Südostasien darunterfallen mochte, also die heutigen Gebiete vor und um Kambodscha, Malaysia, Vietnam, Südchina, Philippinen, Borneo, Indonesien. Java, Papua-Neuguinea, … Karte East Indies (1801) (Wikipedia)) stationiert waren, z.B. die Doris, Theban und Hussar. (W2, 158, 168, 171)
Dann gibt es aber noch die Liste der Fregatten, die von den Franzosen zwischen 1803 und 1815 erobert und in die RN aufgenommen wurden. Dabei stößt man irgendwann auf die 1804 bis 1805 in Rochefort nach Plänen der L’Armide-Klasse von Pierre Rolland (1802) gebaute La Ville de Milan bzw. La Minerve. Nicht mal ein Jahr nach Fertigstellung wurde die La Minerve vor Rochefort im September 1806 von Samuel Hood’s Geschwader erbeutet und daraufhin in Plymouth umgerüstet (28 18-Pfünder, 14 32-Pfünder Karronaden (Achterdeck) und 2 9-Pfünder Jagdkanonen sowie 2 weitere 32-Pfünder Karronaden auf der Back). Danach folgten für die nun Alceste genannte Fregatte einige heftige Einsätze im Mittelmeer. 1814 Überholung und Umrüstung zum Transportschiff, dann allerdings doch zurück in den Dienst beordert. Im Februar 1816 Befehl zum Auslaufen nach China, (Einsatz, „passage“) am Bocca Tigris [Mündung des Perlflusses, südlich Kanton; Gebiet um Macao und Hongkong]. Schiffbruch beim Auflaufen auf ein Felsriff in der Straße von Gaspar am 18. Februar 1817; in Brand gesetzt am 22. Februar 1817. (W2, 178)
Die Straße von Gaspar trennt die vor Indonesien liegenden Inseln Bangka und Belitung. Korallenriffe sind rund um diese Inseln in jedem Schulatlas eingezeichnet. Im folgenden Band verrät uns POB mehrfach, wo er den Schiffbruch geschehen haben lassen wollte: „[…]; und selbst bei diesem günstigen Wind müßte man mit mindestens zwei Tagen nach Batavia rechnen.“ / „[…] und sie nach Batavia zu schicken, […]. ZweihundertMeilen […]?“ / „Als die Diane auf das in keiner Karte eingezeichnete Riff lief, befand sie sich auf dem Rückweg von Pulo Prabang [fiktiv] nach Batavia, […]. […], um bei vermeintlich günstigen Wetterbedingungen die restlichen zweihundert Meilen auf eigene Faust zurückzulegen.“ (POB14, 13, 39, 79) – und aus dem englischen Original bei Dean King in HHS, „[…] the Diane’s wreck on an uncharted reef occurs somewhere south of the False Natunas, »two days with a good wind in the proa« (no more than two hundred miles) from Batavia.“ (HHS, 166)
Geht man bei den Meilen von Seemeilen [=1,852 km] und einem Etmal von hundert Seemeilen aus, entspricht das einer Strecke von 400km. Nimmt man dann das Besteck zur Hand und setzt Batavia [Jakarta] als Endpunkt, landet man immer noch weit südlich der Natuna-Inselgruppe genau in der Gaspar-Straße zwischen Bangka und Belitung – und dort gibt es reichlich kleine Inseln (-2.992571, 107.200489).
Das trifft das geschilderte Schicksal von Aubrey, Maturin und der Diane mal wieder ziemlich genau…
Möchte man bei der literarischen 32er-Variante mit 18-Pfündern bleiben, aber nicht auf die französische Herkunft verzichten, fallen die Fregatten aus der von Trinque vorgeschlagene britische Amphion-Klasse ehrlicherweise auch weg.
Viel einfacher und naheliegender ist wieder mal der Blick auf die erbeuteten französischen Fregatten nach 1803, z.B. aus der Pallas-Klasse von Jacques-Noël Sané (1805). „This Sané design amounted to the standard 40-gun French frigate design of the Napoleonic Empire period, to which some sixty-plus ships were ordered. Twelve frigates of this design were taken by and added tot he RN over the last few years of the war.“ (W2, 181)
Alternativ die Vorgängerbaureihe von Sané, die L’Hortense-Klasse (allerdings 24-Pfünder). Annäherndes Beispiel böten die Daten der Daedalus (fr.-ital. La Corona, Venedig 1806-08): Sollstärke bei 274 Mann; bewaffnet mit 28 24-Pfündern, Achterdeck mit 14 24-Pfünder Karronaden, Back 2 6-Pfünder und 2 24-Pfünder Karronaden. 1811 in der Schlacht von Lissa erbeutet, 1812 ausgerüstet und ab Oktober 1812 unter dem Kommando von Captain Murray Maxwell. Order nach Ostindien im Januar 1813, zerstört vor Ceylon im Juli 1813. (W2, 180f.)
Als Beispiel Linienrisse der Modeste 1814 (La Terpsichore, Pallas-Klasse, 1810-12. 28 18-Pfünder, 14 32-Pfünder Karronaden, 2 9-Pfünder Jagdgeschütze sowie 2 32-Pfünder Karronaden) (W2, 181)
POB12 = Patrick O’Brian: Sieg der Freibeuter, 3. Aufl., Berlin 2006.
POB13 = Patrick O’Brian: Tödliches Riff, 3. Aufl., Berlin 2004.
POB14 = Patrick O’Brian: Anker vor Australien, Berlin 2006.