Wie Speedy so treffend bemerkt - man kann, wenn man will, was lernen in meinem Baubericht. Schau'n wir mal, was es heute wird...
Ich habe Post bekommen, und zwar von sehr weit weg, aus der USA. Und das hier war drin:
Was das wohl sein soll, wenn es fertig ist? Nun, ich baue es mal zusammen:
Und dann steht das Maschinchen da:
Der Kenner und die Fachfrau wissen natürlich längst Bescheid: Es ist ein Gerät zum Kleeden von Tauwerk.
Warum macht man das, was bedeutet das? Das Kleeden, oder auch Kleiden, diente dazu, Taue, die besonderen Beanspruchungen durch Reibung ausgesetzt waren, zu schützen. Dazu wurde das Tauwerk mit sog. Schiemannsgarn dicht umwickelt. Vorher wurde es noch getrenst, d.h., die Keepen des geschlagenen Taus, also die Rillen zwischen den Kardeelen, wurden ausgefüllt (mit dünnem Garn zum Beispiel), dann wurde das Tau geschmartet, um Feuchtigkeit abzuhalten; dazu wurden lange dünne Streifen geteerten Segeltuches spiralförmig fest um das Tau gewickelt, und dann kam das Schiemannsgarn drum. Das wurde dann hinterher nochmal geteert.
Soviel Aufwand betreibt der Modellbauer gemeinhin nicht, er beschränkt sich auf das Kleeden. [Blockierte Grafik: http://www.die-kartonmodellbauer.de/wcf/images/smilies/smiley197.gif]
Die Maschine arbeitet absolut umweltfreundlich, der Antrieb ist ein 1BF-Motor (BF: Bonden-Finger). Das Prinzip ist einfach, durch die Öffnungen in den Wellen für die unteren Zahnräder wird das zu kleedende Tau gesteckt und mittels den Klemmen links und rechts außen fest arretiert. Dreht man an der Kurbel, wird mittels der oberen Welle und der Zahnräder das Drehmoment gleichmäßig auf das festgespannte Tau übertragen. Auf der unteren Welle steckt eine Spule mit dem Kleedegarn - ich habe hier dünnes Polyestergarn aus dem Kurzwarenladen verwendet. Man muss die Garnrolle stets etwas führen, den Faden immer straff halten und die Rolle sanft weiterschieben, während man kurbelt. Schon meinem zweiten Tau gab ich das Prädikat "gelungen", und nach dem vierten Tau tauschte ich mal das dünne Nähgarn gegen 0,25-mm-Amati-Takelgarn. Boh, wie geil war das denn! Also für extrem dicke Taue ist das ja wohl ideal - das untere isses:
Wäre zum Beispiel was für das Großstag.
Ok, ich hatte nach einiger Zeit etliche Stücke gekleedetes Tauwerk und machte mich nun daran, daraus mal etwas erstes Konkretes zu fertigen. Da wären zum Beispiel die Wasserstage. Beginnt man mit dem Takeln, sind diese in aller Regel mit das Erste, was man anbringt. Wasserstage dienten dazu, die Zugkräfte, die das Fockstag und das Großstengestag auf den Bugspriet ausüben, aufzunehmen.
Die Mercury hat zwei Wasserstage; größere Schiffe fuhren drei. Wie jedes Stag besteht auch das Wasserstag aus dem eigentlichen Stagtau und einem Stagkragen. An jeweils einem Ende ist eine Jungfer oder eine Herzkausche eingebunden, die dann mit Taljereeps verbunden werden. Klingt jetzt für den unbedarften Laien wahrscheinlich reichlich verwirrend, ist aber gar nicht schlimm.
Heute habe ich die beiden Stagkragen gefertigt. Dazu lege ich ein Stück gekleedetes Tau um eine Herzkausche, fixiere das alles mit Ponal Turbo und binde an beiden Enden ein möglichst kleines Auge. Das sieht dann so aus:
Jetzt wird eine Kreuzlaschung gemacht; dafür nehme ich mein dünnes Nähgarn, wickele das straff in mehreren nebeneinanderliegenden Lagen um beide Enden, dicht an der Herzkausche, dann führe ich den Faden in die Mitte und mache drei Querschläge, um anschließend den Faden an einer möglichst nicht sichtbaren Stelle mit Ponal Turbo festzuleimen und das überstehende Ende abzuschneiden.
Am Ende sieht das so aus:
Diese zwei Stagkragen kommen jetzt an Ort und Stelle:
Wie geht es hier weiter? Unterhalb von unserem Freund Freddy befinden sich zwei Löcher im Scheg. Durch diese werden dann die beiden Wasserstage geführt; am anderen Ende binde ich die dann in genau solche Herzkauschen ein wie bei den Stagkragen. Und dann werden die jeweils zueinander gehörenden Herzkauschen nur noch mit dünnem Takelgarn, welches in diesem Fall Taljereep heißt, straff verbunden, und schon sind die Wasserstage fertig.
Im Moment bin ich mir noch nicht ganz sicher, ob ich auch die Wasserstage in voller Länge kleeden muss - das eine Fachbuch sagt dies, das andere das. Aber ich werde eine Variante auswählen und dann auch dazu stehen - egal was dann später andere Experten sagen. Das ist eben das Problem, wenn man historische Segelschiffe baut. Die Zahl der noch lebenden Menschen, die im 18. Jahrhundert am Bau dieser schönen Fahrzeuge beteiligt waren, liegt irgendwo zwischen Null und Null; insofern muss man den Mangel an lebenden Primärquellen irgendwie ausgleichen. [Blockierte Grafik: http://www.die-kartonmodellbauer.de/wcf/images/smilies/smiley228.gif]
Ach ja, das noch: Ein wenig Kartonbau war auch beteiligt. [Blockierte Grafik: http://www.die-kartonmodellbauer.de/wcf/images/smilies/smiley181.gif] Für die Stagkragen habe ich extra Stopperklampen aus zuvor mit Sekundenleim getränkter Finnpappe geschnitzt - das sieht der Bausatz nämlich nicht vor. [Blockierte Grafik: http://www.die-kartonmodellbauer.de/wcf/images/smilies/smiley183.gif]
Und da wir grad beim Bausatz sind: Shipyard meint, die Wasserstags mit normalen Jungfern zu takeln; meine Recherchen sagen nahezu übereinstimmend, dass es Herzblöcke (-kauschen) waren. Und da ja dem Baukasten die verschiedensten selbst zu bauenden Blöcke beiliegen, konnte ich hier gut die 4mm-Herzblöcke verwenden, denn lt. Bauanleitung benötige ich davon nur zwei - und es gibt die Teile immer nur im Zehnerpack. happy 2