Frankreich - Armee -Josephine

  • Dienstreisezeit ist Kinozeit.

    Donnerstag wat ich in Ridley Scotts Napoleon.

    Kurz und knapp ein toller Film.

    Joaquín Phönix spielt Napoleon grandios. Hart, sicher entschlossen als Soldat. Weich, verletzlich unsicher im Umgang mit Josephine.

    Aber der Reihe nach.

    Der Film beginnt mit der Hinrichtung Marie Antoinettes 1793 und endet mit dem Tod Napoleons auf St.Helena.

    Wie eine Collage wird Napoleons Aufstieg zur Macht und seine Beziehung zu Josephine gezeigt.

    Imposant die Schlachtszenen (Pyramiden, Toulon, Austerlitz, Moskau, Borodino und Waterloo).

    Sicher nicht alles historisch korrekt, aber toll gedreht.

    Wellesley ist etwas farblos dargestellt. Bei Wagerloo kommen auch die 95th Rifles vor, was mich persönlich sehr freute.

    Die größte Überraschung für mich Vanessa Kirby, die die Josephine spielte.

    Joaquín Phönix ist manchmal zu alt, gerade, wenn er den jungen Napoleon spielt, aber dann gibt es Perspektiven, wo er wie auf den Gemälden aussieht.

    Insgesamt gibt es Szenen, die wie lebendig gewordene Gemälde aussehen , z.B. die Krönung zum Kaiser.

    Wenn ihr also Zeit habt, schaut ihn euch an. Ich fühlte mich gut unterhalten.

    Trailer


    Aga


    Segelschiffe kommen auch vor.

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Ich bin überrascht, dass der Film hier teilweise Gefallen gefunden hat. Meine Erwartungen waren schon nicht unbedingt hoch, nachdem ich im Trailer Napoleon zu Pferd mit Säbel in der Hand eine Attacke habe reiten sehen, wie Russel Crowe in Gladiator.


    Nun muss ein historischer Film für mich keine Dokumentation sein und mir ist bewusst, dass man Ereignisse verdichten muss. So stört es mich nicht, dass Marie Antoinette bei ihrer Hinrichtung lange Haare hat und Napoleon unter den Zuschauern steht, wie oft von „Fachleuten“ mokiert wurde, die sich als nächstes über Napoleons falsches Geburtsdatum aufregen, obwohl diese falsche Angabe tatsächlich in die Heiratsurkunde Eingang gefunden hat. Es stört mich auch nicht, dass die Pyramiden näher am Schlachtfeld sind, als sie es waren und ich sehe in den Kanoneneinschlägen auch nicht die Wirkung moderner Geschütze. Ich frage mich bei der Szene aber, warum Napoleon – der stets den wissenschaftlichen Aspekt des Ägyptenfeldzugs betonte – auf die Pyramiden feuern sollte, wenn die feindlichen Truppen – leider keine Reiterei, sondern Fußvolk, welches in der historischen Schlacht in etwa so weit von den Franzosen entfernt war, wie die Pyramiden – direkt davor stehen. Es ist eine dumme Szene und das charakterisiert den ganzen Film.


    Man kann über historische Figuren und Ereignisse streiten und verschiedene Ansicht haben, eine historische Wahrheit, die so viele „Fachleute“ gern verteidigen, gibt es gar nicht. Aber der Napoleon von Ridley Scott und Joaquin Phoenix ist von der historischen Person doch recht weit entfernt. Als General hat er keine Persönlichkeit, als Liebhaber ist er einfältig und tumb. Wo ist der charismatische Anführer, der ein Volk, eine Armee und auch die Frauen begeistern konnte? Bei Phoenix hatte ich immer wieder das Gefühl, er würde seinen psychisch labilen Joker in ein historisches Kostüm stecken. Diese Kostüme kann man übrigens durchaus zu den Pluspunkten des Films zählen, sieht man einmal von Scotts Manie für Fahnen ab, bei der er es verpasst, den französischen Truppen vernünftige Adler oder den englischen Truppen bei Waterloo vernünftige Regimentsfahnen zu verpassen.


    Aber zurück zu Napoleon. Soll diese seltsame Liebe zu Josephin tatsächlich sein einziges Handlungsmotiv sein? Eine solche Interpretation lässt nur wenig schmeichlerische Rückschlüsse auf den Charakter dieses Mannes zu. Schlimm ist aber vor allem, dass wir außer Napoleon und Josephine so gar keine greifbaren Figuren in dem Film haben. Zu Beginn kann Barras noch etwas Interesse erregen, aber später? Talleyrand wird einmal als interessante Figur angedeutet, verkommt aber auch zum Stichwortgeber für schlechte Witze. Eugéne de Beauharnais wird interessant eingeführt und sofort fallen gelassen. Napoleons Marschälle? Komparsen mit falschen Bärten. Wellington? Guckt wie Rocky Balboa in der 15. Runde. Wo ist die Eleganz und Würde, die Christopher Plummer dieser Figur einst geben konnte?


    Hat Scott Waterloo gesehen? Oder die sowjetische Krieg und Frieden Verfilmung? Bis jetzt orientierten sich seine Historienverfilmungen ja gern an cineastischen Vorbildern. Gladiator variierte Der Untergang des Römischen Reiches, Königreich der Himmel und Robin Hood griffen Motive aus Els Cid auf, einschließlich Bildern der Schlachtszenen. Aber Napoleon? Ich erwarte keine hundertprozentige Authentizität, aber diese Szenen hatten nicht im entferntesten etwas mit napoleonischer Kriegsführung zu tun. Wo sind die präzisen Formationen, eleganten Manöver? Bei Scott preschen alle nur wie zwei Barbarenhaufen aufeinander ein. Ich weiß nicht, ob Austerlitz oder Waterloo schrecklicher war. Ich kann in dieser Inszenierung nicht mal etwas ästhetisches ausmachen, wie einige Kritiker. Es wurde oft darauf verwiesen, dass Scott in der Lage ist, schnell zu drehen, aber genau das sieht man gerade den Schlachtszenen an. Ihnen fehlt es einfach an Sorgfalt. Da heben Soldaten bei Austerlitz und Waterloo Schützengräben aus – die die Briten dann aber verlassen, um auf offenem Feld Karrees zu bilden – die Kavallerie reitet durch die eigenen Infanterieformationen durch. Die Heere marschieren direkt vor ihren Zeltlagern auf, wie im Reenactment, nur nicht zu weit weg vom Bierkasten… Von welchem Hügel faselt Napoleon bei Austerlitz, wenn seine Soldaten ständig ins Tal stürmen und wo ist die berühmte, mythische Sonne von Austerlitz, die Bondartschuk in Krieg und Frieden so schön eingefangen hat.


    Auch die Struktur des Films ist unausgewogen. Es gibt in der ersten Hälfte zu viele unnötige Szenen – die Niederschlagung des Royalistenaufstandes hat keinerlei Erkenntniswert für den Film – und am Ende hin muss zeitlich so gerafft werden, dass das schiefe Historienbild endgültig ins trudeln kommt. Dazu gibt es einfach richtig dumme Dialoge. Napoleon greift die Briten bei Waterloo an, weil die sich im Landkrieg nicht auskennen? Man hätte seine Beweggründe in einer genauso langen Szene einfach, aber besser erklären können.


    Alles in allem ein wirklich enttäuschender und dummer Film. Ich hoffe, Steven Spielberg macht es besser.

  • Ich habe mir den Film noch nicht angeschaut, deswegen lasse ich mich mal überraschen bzw. halte mich mit einem endgültigen Urteil zurück.


    Da es sich um einen aktuellen Hollywood Block-Buster handelt, ist der Erwartungshorizont hinsichtlich historischer Authentizität auch eher gering. In einer Ära, in der man Ideologien und (verletzten) Gefühlen mehr Wahrheitsgehalt zumisst als verbrieften Fakten, dürfte so eine Art Film doch nicht überraschen.

    Es geht um schnelle, opulente Bilder und viel "Äktschnn!" Wären historische Filme auch nur halbwegs korrekt, wären sie höchstwahrscheinlich elendig lang und überwiegend sterbenslangweilig. Eine Geschichte soll gut erzählt werden und nicht gute bzw. korrekte Geschichte.

    Mit CGI kann man alles erstellen, aber gute Arbeit dauert und kostet auch hier viel Geld. Kanonenkugeln müssen eben mit viel optischen und akustischen Aufwand einschlagen und alles zerstören - das ist beim Film einfach so Gesetz.

    Warum allerdings (unnötigerweise) Fakten weggelassen oder verdreht werden, erschließt sich mir nicht. Das ist einfach nur schade und aus historischer Sicht bitter. - Trotzdem kann ein Film mit vielen Fehlern unterhaltsam sein.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Dein Verriss Postcaptain ist gut.

    Ich geben dir da auch in weiten Teilen Recht, aber wie gesagt, für mich hat dieser Film Unterhaltungswert mehr nicht.

    Und ja, ich habe oft das Gefühl das Phönix nur 2 Gesichter Kann: Cashaus Ring of Fire oder Den Joker.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Nachdem zu lesen war, dass der Film schon bald im Streaming zu haben ist, und zwar bei Amazon und Apple TV, was hier aber beides nicht am Start ist, ging es gestern dann doch noch schnell ins Kino. Tja, der Kritik von Postcaptain ist an keiner Stelle zu widersprechen. Verschwendete Lebenszeit; schon lange nicht mehr einen so schlechten Film im Kino gesehen.

    Ergänzend zu Postcaptains Kritik noch das: Was überhaupt nicht klar war und an keiner Stelle irgendwie erklärt wurde: Warum wurde überhaupt und konkret gegen und mit wem Krieg geführt? Ja, wenn man die Geschichte ein wenig kennt, wusste man einiges, aber der Film wollte bestimmt nicht nur Kenner der Napoleonischen Historie ins Kino locken. Und selbst für die war das teilweise unerklärbar oder aber alberne Grütze, was da ablief. Zum Beispiel Agypten: Alberne "Schlacht" an den Pyramiden, dann erfährt Napoleon, dass ihm seine Frau Hörner aufsetzt, nimmt zwei Fregatten und fährt zurück nach Frankreich. Hä? Ich hatte ja nicht erwartet, dass sie auf der Leinwand Abukir zeigen - aber das war einfach zu viel des Schlechten. Dann der Russlandfeldzug: Die Darstellung des verlassenen Moskaus war doch wohl ein schlechter Witz! Und weil er den Feldzug verloren hat, wurde er nach Elba verbannt, zumindest will uns das Ridley Scott weismachen. Kann ja sein, dass in der angedrohten Directors-Cut-Version dann die Völkerschlacht von Leipzig und solche Sachen wenigstens erwähnt werden - aber das wird für mich kein Grund sein, mich da nochmal durchzuquälen.

    Auch die peinlichen Kopulationsszenen waren einfach nur abschreckend.

    Die Schlachten wirkten wie eine Reenactment-Veranstaltung, wobei ich mal behaupte, dass bei der 200-Jahre-Völkerschlacht-Show damals mehr Aktive auf dem Feld zu sehen waren als gestern auf der Leinwand. Waterloo? Ein Lacher. Wenn Scott da gemeint hat, auf CGI zu verzichten, ist das erstmal nicht zu beanstanden, aber dann muss er das auch anders filmen, um den Zuschauern wenigstens etwas das Gefühl zu geben, dass da mehrere tausend Menschen auf dem Feld sind.


    Noch schlimmer wurde es dann durch das, was vorhin hier geschah: Auf der Heimkinoleinwand lief Waterloo, Bondartschuks Film von 1970 (gestreamt bei Magenta TV). Was für ein Unterschied! Das hat dann Scotts Film gleich noch etwas tiefer in den Schlamm des Schlachtfelds getreten. Dieser Streifen ist 53 Jahre alt und hat sicher auch die eine oder andere Schwäche. Aber hier spielt gefühlt die gesamte damalige Sowjetarmee in den verschiedenen Uniformen der damaligen Kriegsparteien mit, was die Schlachtszenen auch ganz ohne CGI so bedrückend echt rüberbringt. Und mit Rod Steiger (Napoleon) und Christopher Plummer (Wellington) als Gegenspieler sind zwei Schauspieler am Start, denen man die jeweilige Rolle voll und ganz abnimmt; auch die Nebenrollen sind gut besetzt und die jeweiligen Charaktere gut herausgearbeitet.


    Ob sich Ridley Scott mit diesem Werk einen Gefallen hat, kann man stark anzweifeln.

  • Da habe ich dann ja absolut nichts verpasst und kann mich in Ruhe meinen Schiffchen widmen.

    Gruß Christian


    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."