Den Bausatz hatte ich vor Jahren geschenkt bekommen. Nachdem meine Werft damals auf unbestimmte Zeit geschlossen war, habe ich den Bau immer wieder aufgeschoben. Jetzt habe ich meinen Keller neu eingerichtet, der Arbeitstisch ist nicht mehr mit Umzugskartons und anderem Krempel zugestellt und ich kann mit dem Bau beginnen.
Was die Qualität des Bausatzes betrifft, war – und bin –ich skeptisch.
Gleich beim ersten Blick in den Karton musste ich schlucken: Wie? Keine lasergeschnittenen Bauteile? Nein, die Bauteile waren überhaupt nicht geschnitten, sondern nur deren Umrisse auf den Sperrholzplatten aufgemalt, zum selber aussägen. Das Holz schien mir auch nicht von allerbester Qualität zu sein, um es mal höflich auszudrücken, und die Bauanleitung ist mehr als dürftig, und auch fehlerhaft.
Der Bausatz scheint schon etwas älter zu sein; ich glaube, dass auch bei Billing Boats die Teile mittlerweile vorausgeschnitten sind, aber genau weiß ich das nicht. Allerdings war der Bausatz auch nicht mehr ganz jungfräulich: Jemand hatte bereits einen Teil der Spanten ausgesägt.
Durch die Lagerung waren die Sperrholzplatten ziemlich verbogen, so dass zumindest das Holz für den Bugspriet so nicht mehr verwendet werden konnte.
Ich habe mir damals quasi auf Vorrat bei Arkowood "Ersatzteile" bestellt. Da im Billing Bausatz Sperrholz auch für solche Bauteile verwendet wird, deren Stirnseiten dann im fertigen Modell zu sehen sind, habe ich mir Platten in derselben Stärke gekauft, um diese Teile zu ersetzen.
Außerdem habe ich mir das Buch "Anatomy of the Ship - the Armed Transport Bounty" zugelegt, um gegebenenfalls nachmessen und Änderungen im Bau vornehmen zu können. Da zeigen sich natürlich schon Unterschiede zwischen Original und Modell; gerade im Heckbereich ist ein ziemlicher Fehler, der gleich vor Beginn der Beplankung beseitigt werden muss. Andererseits stimmen Maße und Proportionen des Rumpfs in etwa. Das ist ja schon mal etwas.
Nicht sehr vertrauenerweckend: Schon der Name ist falsch: "HMS" statt richtig "HMAV" Bounty. Außerdem war das Original gekupfert - die Bilder auf der Packung zeigen aber ein weißes Unterwasserschiff. Entsprechend sind natürlich auch keine Kupferplatten dabei.
Die Teile zum Aussägen, rechts ist der Vordersteven und links der Achtersteven erkennbar:
Die nächste Abbildung zeigt die Leiste, die den Kiel darstellen und die Spanten aufnehmen soll. Links im Lieferzustand, rechts der Ersatz von Arkowood (letzterer muss noch um 1 mm abgehobelt werden).
Die beiliegenden Jungfern sind aus Plastik (die Lafetten übrigens ebenso), müssen also ersetzt werden. Wo kämen wir denn da hin? Im Hintergrund übrigens das Deck: Die Beplankung ist aufgedruckt; laut Bauanleitung ist das Beplanken des Decks fakultativ (Planken sind aber dabei):
Die ausgeschnittenen Steven. Ging leichter als gedacht. Den Achtersteven kann man verwenden; den Vordersteven nicht, die Stirnseite des Sperrholzes ist im fertigen Bausatz zu sehen, und ich bin mir nicht sicher, ob die Farbe die Sperrholzstruktur überdeckt, außerdem ist er krumm durch die Lagerung. Ich habe ihn als Schablone für eine Eigenanfertigung benutzt.
Die weiteren Bilder zeigen die Montage des Spantengerüstes. Was negativ auffällt, ist in diesem Stadium die mangelnde Steifigkeit (man sieht, dass die Spanten in sich verdreht sind, das kommt daher, dass der Kiel nur 14 mm breit ist und die Befestigung der Spanten daher wenig Überlappung hat). Allerdings kommen auf die Nuten an der Oberseite der Spanten noch zwei Leisten, die die Stabilität verbessern und die Spanten in die richtige Position bringen, auch durch das Aufkleben des Decks wird die Konstruktion noch steifer. Im Bugbereich werde ich noch ein paar Füllungen einbauen, damit man am Bug die Planken überhaupt befestigen kann. Im Bausatz ist übrigens eine einfache Beplankung vorgesehen. Mit dem großen Spantenabstand dürfte das nicht sehr leicht sein. Ich habe mich von vorneherein zu einer doppelten Beplankung entschieden, zumal die beigefügten Planken auch eher "bäh" sind, und mit knapp 2 mm Dicke auf 7 mm Breite kaum zu biegen.
Ein erstes Fazit: Man muss eigentlich fast alles ändern, insbesondere wenn es an Ausrüstungs- und Bauteile geht, die man am fertigen Modell sieht. Der Bausatz ist also eher eine Einladung zum Selbermachen. Aber immerhin muss ich nicht komplett "Scratch" bauen. Davor habe ich gehörigen Bammel, da die Bounty überhaupt erst mein zweites Holzmodell ist, und außerdem hätte ich mir für einen Scratch-Bau ein anderes Schiff ausgesucht.