Die Bilge - der Kühlschrank der hölzernen Schiffe?

  • Immer mal wieder lesen wir in den Romanen aus "unserer" Zeit, dass der Wein in der Bilge gelagert wurde und daher angenehm kühl auf den Tisch des Kapitäns kam. Ich melde da mal Zweifel an. Nicht generell - bei einer Fahrt in nordischen Gewässern und nicht mitten im Hochsommer mag das stimmen. Aber wenn ein Schiff, sagen wir mal, so zwischen Mai und August im Mittelmeer unterwegs ist, wo tagsüber schon mal Temperaturen von 30° und mehr herrschen und auch das Wasser mehr als 20° hat, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass aus der stickigen Bilge, in der Brackwasser und schlimmeres hin und her schwappt, ein wirklich gekühlter Wein serviert werden kann. Bestenfalls muss man den Wein in einem Leinensack an einer drei Meter langen Leine eine Weile hinter dem Schiff herziehen (und auf keine unbekannten Riffe unter Wasser hoffen), um ihn wirklich halbwegs gekühlt zu bekommen.

    Gut, "gekühlt" ist ein unbestimmter und sicher dehnbarer Begriff. Wenn es draußen 30° sind, kommt einem ein 20° warmer Weißwein vielleicht schon kühl vor. Aber das die Bilge generell der kühlste Ort in einem Schiff ist, glaube ich nicht.


    So, und nun kommt ihr. :wink:

  • Eben, es ist immer Ansichtssache - 10 Grad weniger als die Umgebungstemperatur und schon ist es gefühlt "kalt". ;) - Vor allem in einer Zeit, in der es keine Kühlschränke gab, also nur unterirdische/in den Fels gehauene Keller mit ggfs. Eis aus dem Winter. Also vorstellbar auf alle Fälle. Wenn die Flaschen außenbords hingen und irgendwo angeschlagen sind, war es das.

    Ich hätte meinen Wein in der Bilge sicherlich nicht aufbewahrt. Im Atlantik aber wieder gut denkbar, wenn von draußen das kalte Wasser am und in den Rumpf strömt. In den Decks darüber dürfte es wärmer gewesen sein.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Die Bilge befindet sich Unterwasser. Damit ist sie von der Aussenluft isoliert. Wärme steigt ja bekanntlich nach oben. Und der Temperaturunterschied gut ein Übriges.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Also kälter oder wärmer? Von außen dringt das Seewasser ein und von oben das Schwitzwasser... oder wirkt es dann wie eine Art Isolierkanne?


    Wie tief reicht die Oberflächenwärme in das Wasser hinein?

    Edit:

    Durchschnittlich 4-5°C Oberflächentemp., Thermokline ab ca. 100m(?)

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Ein weiterer Gedanke zur Lagerung in der Bilge. Sein mag keine Temperturschwankungen. Welcher Platz an Bord wäre also besser geeignet?

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Jetzt habe ich mal gegoogelt, wie man Wein an Bord lagern soll. Da wird immer wieder die Bilge als kühlster Platz an Bord genannt. Nun ist kühl ein relativer Begriff, aber auf jeden Fall dürfte es der am besten vor Sonneneinstrahlung an Bord geschützte Platz sein. Ich frage mich allerdings, wie das mit der Sicherheit vor Diebstahl aussah. Gab es da eventuell abgeschlossene Räume (mal abgesehen von der Rumlast, weiter ober an Bord)?

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Tolle Diskussion.

    Und denkt dran; rotwein soll garnicht so kühl getrunken werden. Da ist 20°C in der Bilge schon fast ok.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson