Schiffe haben Namen - aber seit wann zeigen sie diese?

  • Als ich jüngst die Pinta aus der Kolumbusflotte fertigstellte, fragte mich Jessica, warum denn der Schiffsname nirgends dransteht.

    Tja, warum war das so?

    Schiffe hatten schon früher Namen. Aber irgendwie waren sie ein Geheimnis - oder? Nirgends stand der Name, weder am Heck noch am Bug. Dennoch wussten alle Beteiligten, welches Schiff gemeint war, wenn zum Beispiel Kolumbus zu seinem Koch sagte: "Frag mal den Smutje der Pinta, ob er noch Kaffee hat!"

    Ich schaue da mal nur auf einige Modelle, die hier im kleinen privaten Köpenicker Schifffahrtsmuseum stehen: Griechische Bireme, antikes römisches Frachtschiff, Hansekogge, Kolumbusschiffe, Papegojan - alle ohne Namensschriftzug. Victory, Mercury und auch bald die Zeven Provincien mit Namen am Heck. Irgendwann war es dann doch "in", den Namen offen zu zeigen. Aber woran lag es, dass das vorher nicht passierte? Es könnte daran liegen, dass die meisten Menschen damals nicht Lesen und Schreiben konnten. Aber das war im 17. Jahrhundert auch noch nicht wirklich anders als bei Kolumbus. Und die diversen Deutschen Schifffahrtsordnungen (Binnen und Hochsee und so...), die vorschreiben, dass jedes Wasserfahrzeug eine deutlich erkennbare Kennung aufweisen muss (selbst unser Faltboot hat eine: "Comfortably Silence" :D ) gab es damals auch noch nicht.


    Also, wann genau fing das an und was war der Auslöser? Was meint ihr?

  • Sowas lässt einen ja nicht in Ruhe.

    In frühen Zeiten hatte man an Häusern auch keine Hausnummern, sondern Zeichen und Symbole. Denn lesen konnten nur wenige. Aber wenn man jemanden sagte: „gehe zum Haus am Markt mit dem Bullen im Giebel.“ wusste man wohin man musste.

    Also machte ein Schiffsname auch Null Sinn, den an den Rumpf zu pinseln, da eh keiner wusste was das Gekrickel da sollte.

    In der Tudor Marine und bei den Holländern waren die Haeckspiegel mit den Allegorien des Namens verziert.

    „Jupp, los zum Schiff mit der Sonne auf dem Heck.“ war wieder klar für alle.

    Also ich würde sagen Schiffsnamen kamen mit der steigenden Schulbildung auf. Also um den Beginn des 18.Jhd.

    Nur eine meiner Ideen.


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • Es gab bei der Royal Navy eine Admirality order aus den 1770er Jahren, in der festgelegt wurde, dass Schiffe am Heckspiegel ihren Namen angeschrieben haben müssen. (Quelle: ein Baubericht aus dem Götterforum, aber fragt mich bitte nicht, in welchem ich das gelessen habe.)

    Auf dem As-Built Plan der HM Sloop Fly, 1776 ist der Name entsprechend der damaligen Vorschrift dargestellt.

    Gruß Christian


    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • Ich denke, daß die obenstehenden Überlegungen wohl zutreffend sein werden. Die andere Frage ist dann auch zu was „Namensschilder“ gut sein sollten. Identifizieren konnte man ein in Sicht kommendes Schiff damit erst, wenn man sein Heck sehen konnte. Reichlich spät, wenn es entweder um Freund/ Feindkennung geht. Oder, und das dürfte den größten Teil der Schiffer interessiert haben, erkennt die Hafenbehörde meine Zufahrtsrechte an, und lässt mich den für uns freigegebenen Liegeplatz ansteuern, oder kommt der Zollkutter raus und führt mich in den Zollhafen zwecks Akkreditierung, Erstabfertigung und dergleichen mehr.In dem Fall war es dann schon besser beizudrehen und vor Anker abzuwarten was die lokaleAutorität machte.



    Und für die Hafenautorität war es wichtig das Einlaufen entsprechend zu regeln, und im Zweifelsfall einen Eindringling mit ihren Kräften abzuweisen. All diese Identifikationen ließen sich m.E. nur mittels der auf jedem Schiff mitgeführten, großen Flaggen machen.


    In Preußen galt die allgemeine Schulpflicht ab 1717, was zur Folge hatte, daß auch der einfache Dienst, wie z.B. Soldaten und Matrosen, Orders und Kennungen lesen konnten.Wie das in England war weiß ich nicht. Außerdem ( Spekuliermodus) konnte man ja mit so einem Namen „ unter sich“ seine Bildung demonstrieren. So eine Agamemnon zeigt schon, daß der Namensgeber seinen Homer gepaukt hatte, und somit nicht nur von Stand, sondern auch von hoher Bildung war.

    To the optimist, the glass is half full.
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    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • Für Grossbritannien ist das schwierig eine wirkliche Schulpflicht zu finden. Aber ab 1662 wurden Schulen durch den Act of Uniformity

    üblich. Hier wurden die Schulen durch die Parishs (Kirchengemeinden) betrieben.

    Unterrichtet wurden die "3 R" (reading, writing & 'rithmetik [rechnen]).


    Ich habe mal beim NMM etws in den Schiffsrissen geschnöft, und da kommen die frühesten Rumpfrisse ab ca 1760 mit Namen auf dem Heckspiegel daher. Was für mich aber kein Beweis dafür ist, das der Name nachher am Heckspiegel angetackert wurde.

    Der Name steht auf dem Plan, Schmuckelement wurden auch nur sehr rudimentär auf den Plänen eingezeichnet.

    Auf Gemälden, z.B. Ansons HMS Wager, sieht man keinen Namenszug am Heck... Das scheint auch irgendwie kein Thema zu sein, mit dem sich jemand mal beschäftigt hat. Zumindest findet man nichts wirklich.

    Ich bleibe dran.


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • Franzosen scheinen so mit die ersten gewesen zu sein, die den Namen auf dem Heck zeigten.

    Die Soleil Royal von 1666 zeigte schon Ihren Namen. zwar klein, aber imemrhin.

    Hier eine Zeichnung des Heckspiegels.


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • Und noch was gefunden.
    Seit dem Mittelalter haben Segelschiffe eine Gallionsfigur.

    Da sagt das Museum der Royal NAvy was zu:


    2. Figureheads were a form of ship decoration, often illustrative of the name of the ship or an allegorical figure. In ancient times, they were viewed as a religious symbol and a protection for the ship. They were often used as a method of identification when the majority of sailors could not read. In the 17th century, most figureheads were carved from elm. This was changed in the early 18th century to oak. In 1742, the Navy Board ordered that figureheads were carved from soft woods such as pine. Deal and teak were also used as they were resistant to wood boring insects and decay.

    dort wird klar gesagt, das die Figuren nötig waren, damit jeder das Schiff erkennen konnte ohne lesen zu können.
    Und 1742 wurde das per Gesetz geändert. Nzun ging man davon aus, das jeder lesen konnte, weswegen, die Gallionsfigur nicht mehr in der Form Benötigt wird.

    Daraus folgere ich das der Brauch sich ab Mitte des 17.Jhd durchsetzte Schiffsnamen auf das Schiff zu schreiben. Spätestens bis Mitte des 18.Jhd war es dann Standard.


    Aga

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  • Sehr schöne recherchiert, Aga. Danke.


    Den Skippern der niederländischen Frachter scheint das alles nichts so wichtig gewesen zu sein wie den hochmögenden Kapitänen der Kampfschiffe, da sie wohl (nach Hoving) fast alle diesen seltsamen Löwen, fast schon jeweils eine Karikatur der Idee Löwe, als Galionsfigur fuhren. Und natürlich ihre großen Flaggen, damit die Hafenbatterien sie nicht, weil nicht akkreditieres Schiff, mal eben beschossen.

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