Waffen auf See: Geschuetze - Hinterlader

  • Letzten Sommer sah ich in der Ruine des Schottischen Tantallon Castle (bei Berwick) zum ersten Mal einen Hinterlader, ca 4-Pfuender, mit Verschlussplatte hinten und zwei Verschlusskeilen um die Platte gegen den Gasdruck zu fixieren. 'Feuer' wurde durch ein normales Zuendloch von oben gegeben.


    Gab es so etwas auch auf See?
    Gab es solche Verschluesse als Hinterlader auch fuer staerkere Kaliber?


    Ich weiss nicht wo diese Frage hingehoert,
    sollte es evtl in diesem Portal eine Extra-Rubrik fuer 'Waffen auf See' und fuer' Navigation' (wo ich noch einige wohl interessante Beitraege habe) geben?

  • Ich denke dabei zuerst an die Kammergeschütze im Spätmittelalter/frühe Neuzeit. Da gab es aber ein Problem mit der Dichtheit zwischen Kammer und Rohr, was nicht ganz ungefährlich war. Auf einem Schiff dürfte das wegen der Brandgefahr doppelt problematisch gewesen sein, was einen Einsatz auf Schiffen zwar nicht grundsätzlich ausschließt, aber mir ist kein Fall bekannt.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Hinterladergewehre tauchen doch eigentlich erst im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts auf... Glaubt man Wikipedia, dann gab es auf den Hanseschiffen des 15. Jahrhunderts bereits Hinterladergeschütze. Auch im Mondfeld findet sich etwas dazu, und zwar handelt es sich dann um "Kammerbüchsen", die wohl im 14. und 15. Jahrhundert gebräuchlich waren. Sie bestanden aus geschmiedeten Eisenringen, die auf bzw. in einer Blocklafette eingelassen und verzurrt waren.
    Fanden sich auch als Bombarde auf den Galeeren. Fragt sich nur, warum die sich nicht durchsetzen konnten. Vielleicht hat man die Kräfte des Gasdrucks noch nicht in den Griff bekommen und die Sache ging im wahrsten Sinne nach hinten los.


    Städt. Museum Quedlinburg - Kammerbüchse Hussitenkrieg
    Wikimedia - Breech loader barrel
    Schiffsgeschütze - Holländisches Hagelgeschütz 1480

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Ich muss mal in meiner Bücherecke nachschauen. In einem Buch über Schiffsgeschütze sind solche Kammerbüchsen abgebildet.
    Ich denke auch, das die Undichtigkeiten der Kammerverschlüsse zu gefährlich auf See waren.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Hinterladergeschütze gab es zumindest bis ins 16. Jahrhundert auch auf See. Beispielsweise war die "Mary Rose", das Flaggschiff König Henry VIII, sowohl mit Vorder- als auch mit Hinterladergeschützen ausgerüstet.


    https://en.wikipedia.org/wiki/Mary_Rose#Armament


    Es gab dabei sowohl großkalibrige schmiedeeisene Kanonen als auch swivel guns in Hinterladertechnik.


    Die aus Schmiedeeisen hergestellten HInterlader hatten den Vorteil, dass sie einfacher und schneller zu laden waren, aber aus dem von Speedy schon genannten Grund, der Schwachstelle zwischen dem Lauf und der Kammer, nur eine geringere Pulvermenge vertrugen als die aus Bronze gegossenen Vorderlader, die vom Prinzip her ja bis in "unsere" Zeit verwendet wurden. Die Hinterladerkanonen hatten ganz merkwürdige Lafetten, die laut Wiki aus ausgehöhlten Ulmenstämmen hergestellt wurden und nur vorne zwei Räder hatten (wenn überhaupt), während die Vorderlader vierrädrige Lafetten hatten. Diese mussten ja auch zum Laden zurückgezogen werden, während dies bei den Hinterladern nicht nötig war.


    Ein Bild von den "swivels" in Hinterladertechnik findet sich hier:


    http://www.maryrose.org/discov…mage-galleries/?nggpage=3


    Im oben angegebenen Wikipedia-Artikel finden sich weiter unten auch Bilder von Hinterladerschiffsgeschützen (ein Nachbau sowie eine Farbskizze aus dem 19. Jahrhundert, die ein aus dem Wrack der Mary Rose gehobenes Geschütz zeigt).


    Zur Frage, warum die Hinterlader trotz einiger Vorteile nicht mehr verwendet wurden, kann ich nur vermuten, dass aufgrund der Schwachstelle am Verschluss die verwendbare Pulvermenge so gering war, dass die Reichweite und der Durchschlag des Geschosses zu gering war, um die Planken feindlicher Schiffe wirksam zu durchschlagen. Die Gefahr einer Geschützexplosion am Verschluss wird wohl auch eine Rolle gespielt haben.

  • Ich denke auch, das der entstehende Druck einfach zu gefährlich war; selbst bei einer Handfeuerwaffe kann sich schon ein Maximaldruck von 3.500 bar entwickeln (kommt mir gerade utopisch hoch vor).

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.