Die schwedischen Flotten in unserer Zeit

  • Schweden gehörte zu den alten Seemächten des Ostseeraumes und nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges war es die bestimmende Macht in der Ostsee. Diese Vormachtstellung sollte jedoch nicht lange unangefochten bleiben, denn mit Russland. das sich unter Peter dem Großen einen Zugang zur Ostsee erkämpft hatte, erschien schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine neue Konkurrenz im Osten, während im Westen der Ostsee der ewige Gegner Dänemark zu neuer Stärke kam. Diese beiden größten Bedrohungen Schwedens verbündeten sich mit Sachsen-Polen und griffen Schweden an, dass sich der Übermacht zunächst so gut erwehren konnte, dass Dänemark und Sachsen-Polen nach verheerenden Niederlagen Einzelfrieden abschlossen. Dann machte der schwedische König Karl XII jedoch den entscheidenden Fehler, Russland anzugreifen. In der Schlacht bei Poltawa wurde die schwedische Armee vernichtend geschlagen. Das brachte die Wende im Großen Nordischen Krieg, der sich trotzdem noch bis 1721 hinziehen sollte und somit zu den längsten Kriegen der europäischen Geschichte zählt. Im Ergebnis verlor Schweden fast alle Eroberungen des Dreißigjährigen Krieges und wurde von Russland als Großmacht abgelöst.


    Eine wichtige Lehre des verlorenen Krieges war die Tatsache, dass sich die zuklüfteten Küstengewässer Schwedens und Finnlands kaum durch konventionelle Kriegsschiffe gegen die russischen Galeerenflotte verteidigen ließ. Man beschloss deshalb, die Küstenverteidigung und die Kriegsführung in den Schärengewässern in die Hände von Ruderkriegsschiffen zu legen. Aufgrund der notwendigen engen Koordination mit der Armee sollte diese Flotte jedoch nicht der Marine sondern der Armeeführung unterstellt werden. Nach einigen organisatorischen Versuchen entstand so 1756 die Armeeflotte (arméns flotta), in der Literatur auch Schärenflotte genannt. Somit bestand bis 1823 eine Zweiteilung der Seestreitkräfte in Kriegs- bzw. Hochseeflotte und Armeeflotte, die bezeichnenderweise von einem General kommandiert wurde. Für die schwedischen Flotten habe ich folgende Bestandszahlen gefunden:


    1. Kriegsflotte


    1790 - 16 Linienschiffe/ 13 Fregatten (davon 11 bzw. 8 einsatzbereit)
    1808 - 12 Linienschiffe/ 8 Fregatten


    2. Armeeflotte


    Die Armeeflotte bestand aus zwei Geschwadern, die wiederum in Divisionen und Bataillone untergliedert wurden.
    Stand 1786


    Stockholm Geschwader 31 große Fahrzeuge (Galeeren/Schärenfregatten)
    Finnisches Geschwader 16 große (Galeeren/Schärenfregatten) und 65 kleine Fahrzeuge (Kanonenschaluppen/-jollen, Mörserbarkassen, Artilleriepräme)


    Quellen: Seemacht in der Ostsee von Johannes Kirchhoff und Homepage von Hans Högman

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Danke für diesen Überblick. Folgen da noch weitere Teile zu Schiffen, u.a.?


    aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Ja, das hatte ich vor, denn speziell die diversen Typen der Ruderfregatten sind ein dankbares Thema. Dazu muss ich aber von zu Hause arbeiten. Glücklicherweise habe ich ja seit Montag (fast auf den Tag zwei Jahre nach dem Umzug) wieder echtes Internet.

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  • Prima.
    das es weitergeht und es wieder echtes I-Net gibt.
    Gibt es auch "falsches"????


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • In den letzten 2 Jahren hatten wir den Internetzugang via UMTS. Die Leitung war leider nicht sonderlich stabil, streamen konnte man fast ganz vergessen. Machte schon beim einfachen Surfen keinen Spaß.

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  • Da die Armeeflotte tatsächlich eine eher ungewöhnliche maritime Streitmacht war, möchte ich Aga´s Anregung folgen und etwas näher auf diese eingehen. Wie bereits geschrieben wurde die Armeeflotte 1756, pünktlich zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges, gegründet.
    Zunächst griff man dabei auf konventionelle Galeeren zurück, die mit 13 Kanonen bestückt wurden und Halbgaleeren mit 5 Kanonen. Hinzu kamen Ruderkanonenboote unterschiedlicher Größen.
    Ihre Feuertaufe hatte die Armeeflotte am 10.9.1759 im Frischen Haff (dabei handelt es sich nicht um das Frische Haff vor der Küste Ostpreußens sondern um das heutige Stettiner Haff) gegen eine provisorische aufgestellte preußische Flottille. Trotz des Sieges über die Preußen war man mit den Leistungen des eingesetzten Schiffsbestandes jedoch nur bedingt zufrieden.
    Der Chef der Armeeflotte General Augustin Ehrensvärd und der Schiffsbaumeister Frederik Henrik Chapman beschlossen daraufhin, das auf der Schebecke basierende russische Design aufzugreifen, das Wendigkeit durch Rudern mit guten Segeleigenschaften verband.
    Auf dieser Grundlage entwickelte Chapman vier Typen von Schärenfregatten (skärgârdsfregatter), die diesen Forderungen entsprachen und zugleich den Besatzungen Bedingungen bot, die den klimatischen Verhältnissen der Ostsee Rechnung trugen. Das erste Schiff mit dem neuen Design war eine Udema, die 1760 in Stralsund gebaut wurde.
    Zu den einzelnen Typen und ihren Eigenarten bei Gelegenheit mehr.

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    2 Mal editiert, zuletzt von Speedy () aus folgendem Grund: Tippfehler und man sollte wirklich nicht zu sehr der Wiki vertrauen.

  • 1760 wurde in Stralsund der erste Prototyp einer Schärenfregatte gebaut. Entgegen den Angaben in der Wiki handelte es sich um eine Udema. Das Design orientierte sich noch sehr stark an der Schebecke, jedoch hatte die erste Udema nur zwei Polackermasten und trug Rahsegel. Erst später wurde noch ein kleiner Kreuzmast mit Lateinersegel installiert, den auch die folgenden zwei Udemas erhielten. Dass es bei nur drei Udemas blieb hatte seinen Grund im ungewöhnlichen Design, das seiner Zeit zwar voraus war, doch die Zeit und die technischen Möglichkeiten waren halt noch nicht reif dafür.
    Die Bewaffnung bestand aus zwei 18 Pfündern (fehlt beim Prototyp) auf der Back und zwei 8 Pfündern (nur beim letzten Schiff der Klasse) auf dem Poopdeck. Die Hauptbewaffnung waren jedoch neun 12 Pfünder, die als eine Art Zentralbatterie entlang der Kiellinie auf Drehlafetten aufgestellt waren und so nach beiden Richtungen feuern konnten. Da sie sich auf demselben Deck wie die Ruder befanden, konnte entweder gerudert oder gefeuert werden und auch die Bedienung der Segel war unmöglich. Später rüstete man die Masten mit einer Art hoch angebrachten Luggersegeln aus, die auch im Kampf bedient werden konnten und so zumindest etwas Manövrierfähigkeit boten.
    Aufgrund ihrer Mängel wurden die Udemas fast ausschließlich beim Stockholm-Geschwader eingesetzt, das nicht so exponiert war.
    Der kleinste Typ der Schärenfregatten war die Pojama, deren erstes Exemplar ebenfalls 1760 in Stralsund gebaut wurde. Ihr Design war eine Mischung aus Schebecke und Galeere mit einer Ketchtakelung jedoch ohne Brahmstenge am Großmast. Bewaffnet war sie mit bis zu vier 12 Pfündern am Bug und am Heck (jeweils zwei) sowie zwölf 3 Pfünder Drehbassen. Auch das war nicht die Antwort auf die Anforderungen der Armeeflotte und man baute nur vier Stück.

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  • Die Turuma war die meistgebaute Klasse der Schärenfregatten. Mit bis zu 36 m Länge und rund 220 Mann Besatzung entsprach sie hinsichtlich der Größe am ehesten einer herkömmlichen Fregatte. Die Bewaffnung der insgesamt 14 (plus eine Königsyacht) für die Armeeflotte gebauten Turumas differierte stark, ebenso die Anzahl der Ruder. In der Regel kann man jedoch von 22 - 24 12 Pfündern in zwei Geschützdecks sowie zwei 18 Pfündern als Jagdgeschütze im Bug ausgehen. Hinzu kamen bis zu 24 Drehbassen entlang der Reling. Neben der dreimastigen Polackertakelage mit Rahsegeln an Fock- und Großmast und einem Lateinersegel am Kreuzmast wurden sie von 16 bis 22 Paar Rudern mit jeweils 4 Ruderern pro Ruder angetrieben. Die Ruderbänke befanden sich oberhalb der Geschützdecks.
    Den größten und an schwersten bewaffneten Typ der Schärenfregatten stellten die Hemmema dar. Sie waren bis zu 43 m lang. War der Prototyp noch mit 18 12 Pfündern und 4 3 Pfündern bewaffnet so rüstete man die fünf Nachfolger mit 24 36-Pfündern und 2 14 Pfündern aus. Sie waren als Vollschiffe getakelt und hatten 20 Paar Ruder mit 4 Ruderern pro Ruder. Anders als bei der Turuma befanden sich hier die Ruderbänke zwischen den Kanonen im Geschützdeck. Neben den sechs schwedischen Hemmemas baute die russische Marine ebenfalls sechs Stück auf der Grundlage erbeuteter Schiffe.

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