Theodor Fontane – Vor dem Sturm

Theodor Fontane – Vor dem Sturm

Literaturvorstellung Januar 2022

Vor dem Hintergrund der Niederlage Napoleons in Russland im Winter 1812/13 erzählt der Roman von Theodor Fontane die Geschichte der märkischen Adelsfamilie Vitzewitz. Der alte Gutsherr ist ein glühender Feind Napoleons, dessen Armee er die Schuld am Tod seiner geliebten Frau gibt. Sein Sohn, ein Jurastudent, der romantische Gedichte verfasst, ist da gemässigter.
Als zum Jahreswechsel 1812/13 die Nachrichten von Napoleons Flucht aus Russland eintreffen, sieht der alte Berndt von Vitzewitz die Zeit für gekommen, einen Landsturm aufzustellen und die Franzosen aus dem Land zu treiben. Doch der König zögert noch und alle Verantwortlichen in Berlin schliessen sich dieser abwartenden Haltung an. Die Lage ändert sich, als die Nachricht vom Seitenwechsel General von Yorcks und seines preussischen Korps eintrifft. Ein Landsturm wird gegründet, doch der Versuch, einen französischen General in Frankfurt an der Oder gefangen zu nehmen scheitert kläglich und unter grossen eigenen Verlusten.

Soweit der komprimierte militärische Hintergrund der Geschichte. Davor entfaltet sich das für Theodor Fontane so typische Panoptikum von Irrungen und Wirrungen von Menschen aller Stände.

Das Werk und seine Zeit

Vor dem Sturm war meines Wissens Theodor Fontanes erster Roman. Kurioserweise erinnert er mich trotz der kriegerischen Rahmenhandlung an sein letztes grosses Werk Der Stechlin. Hier wie da spielen die Beziehungen zwischen den Generationen eine grosse Rolle. Bereits hier wird der alte märkische Adel in einer Zeit der Umbrüche dargestellt. Während einige noch dem alten Standesdünkel anhängen, sind andere unter dem Einfluss der Aufklärung bereit zu einer Öffnung, die sie für ein Überleben des alten Adels für unablässig ansehen.

Der Stechlin wurde von mir in den 1980er Jahren mit grossem Vergnügen gelesen. Vor dem Sturm erinnerte mich, wie gesagt, sehr daran, auch wenn zwischen beiden Handlungen fast ein Jahrhundert liegt. Merkwürdigerweise bemerke ich aber, dass mir Fontanes Prosa zunehmend altmodisch erscheint, während ich seine Gedichte noch immer sehr gerne lese.

Abschliessend noch eine kurze Bemerkung. Der Roman beginnt mit einer weihnachtlichen Schlittenfahrt des jungen Helden von Berlin auf das heimatliche Gut. Mit genau diesem Sujet beginnt auch Dieter Zimmerlings Leutnant Krockwitz: Ein Schiff für Preussen. Ein Zufall oder eine Verbeugung vor dem meisterhaften Erzähler Theodor Fontane?

Theodor Fontane: Vor dem Sturm (online, Projekt Gutenberg)

Speedy