Michael Palin – Erebus: Ein Schiff, zwei Fahrten

Michael Palin – Erebus: Ein Schiff, zwei Fahrten

Literaturvorstellung September 2020

Sir Michael Palin kennen sehr viele – als ehemaliges Mitglied der britischen Kultkomikertruppe Monty Python. Was vermutlich viel weniger Leute wissen, ist die Tatsache, dass er ein durchaus erfolgreicher Buchautor ist und als solcher mehrere Reiseberichte, Romane und Tagebuchbände veröffentlicht hat. Außerdem gibt es von ihm auch ein paar vielbeachtete Reisedokumentationen.

Erebus erzählt die Geschichte eines Schiffes und der Männer, die auf ihr gefahren sind. Die Erebus war bekanntlich das Flaggschiff bei der ebenso berühmten wie tragischen Franklin-Expedition auf der Suche nach der Nordwestpassage. Dass sie davor genau am anderen Ende der Welt war, in der Antarktis, ist eher weniger bekannt. Und dies trifft auch auf die Terror zu, das „Schwesterschiff“, welches sie auf beiden großen Reisen begleitete.

Palin lässt uns teilhaben an beiden Expeditionen. Er beschreibt, wie in England nach dem endgültigen Sieg über Napoleon und der dadurch beginnenden langen Phase eines wohltuenden Friedens ein Schwerpunkt auf die weitere Erforschung und Vermessung der Ozeane gelegt wird.
Wir erfahren, wie eine Reise in die Antarktis vorbereitet wird, die insbesondere zum Ziel hat, mehr über den Erdmagnetismus zu erfahren und den magnetischen Südpol zu finden. Unter James Clark Ross, einem polarerfahrenen Mann, der 1831 als Erster schon den magnetischen Nordpol erreichte, startet im Oktober 1839 eine Expedition, die fast vier Jahre dauern sollte, ehe die beiden Schiffe und die allermeisten Männer wieder die englische Küste erreichten.

Da von dieser Reise umfangreiche Dokumentationen in Form von Logbüchern, Tagebüchern, persönlichen Briefen und auch Reisebeschreibungen der Teilnehmer vorliegen, konnte Palin auf eine Fülle von Material zurückgreifen. Aber nicht nur das – er besuchte so ziemlich alle Orte und Gegenden, die auch Erebus und Terror seinerzeit anfuhren, schildert, was heute noch an Zeugnissen von damals zu sehen ist und nutzt jeweils vor Ort jede Möglichkeit, sich zusätzliche Informationen zu beschaffen.

Die 1845 unter dem Kommando von John Franklin gestartete Arktisreise der beiden Schiffe lässt sich bestenfalls bis zum letzten bekannten Halt auf Beechey Island bei den Walfischinseln genau nachvollziehen; von dort wurden letztmalig Briefe in die Heimat geschickt. Ich war gespannt, wie der Autor dieses Dilemma lösen würde. Nun, sehr geschickt, wie ich finde. Er beschreibt die mit der Zeit anwachsende Unruhe und Sorge in England über das Ausbleiben jeglicher Nachrichten, schildert dann die (im Nachgang viel zu spät) gestarteten und erfolglosen Suchaktionen und berichtet davon, wie sich im Laufe vieler Jahre, bis in die heutige Zeit hinein, Puzzleteil für Puzzleteil zusammenfügt und so allmählich ein umfangreiches, wenn auch noch immer nicht vollständiges Bild vom tragischen Scheitern dieser Expedition entstanden ist. Dabei verliert sich Palin nie in eigene Spekulationen, er bleibt der „Berichterstatter von außen“, macht aber dabei stets deutlich, welche Hochachtung und Bewunderung er dem Pioniergeist dieser Männer entgegenbringt. Und genau das ist für mich die große Stärke des Buches: Nie reißerisch, aber immer dicht dran, warmherzig, einfühlsam und stets spannend lässt uns Michael Palin zwei außergewöhnliche Entdeckerfahrten miterleben.

Zeitgenössische und aktuelle Fotos, Zeichnungen und Gemälde sowie einige Karten vervollständigen das Buch.

Für mich ganz klar fünf von fünf Eisbergen!

P.S.: Die Erebus wurde 2014, die Terror 2016 gefunden.

Bonden