Lukas Hartmann – Bis ans Ende der Meere

Lukas Hartmann – Bis ans Ende der Meere: Die Reise des Malers John Webber mit Captain Cook

Literaturvorstellung Mai 2022

‚Bis ans Ende der Meere‘ habe ich jetzt auch gelesen. Ein fast 500 Seiten starker Abenteuer-Roman des schweizer Autors Lukas Hartmann (eigentlich Hans-Rudolf Lehmann), der sich auf historische Szenarien spezialisiert hat.
Auf der Internetseite des Autors befinden sich weiterführende Materialien und ein ausführliches Quellenverzeichnis zu diesem Werk.

Sehr zu loben ist die hochwertige Buchausgabe in Leinen, mit Lesebändchen und Literatur-Anhang. Ein sehr schönes, handliches Format. Somit ein feines Bändchen, dass sich dankbar ‚händeln‘ lässt und einen wohlverdienten Platz im Bücherregal erhält. Ebenfalls als klassisches Taschenbuch und als Kindle-Version erhältlich.

Aus London über Bern in die ferne Südsee

Lukas Hartmann erzählt von John Webber, einem in London geboren und in der Schweiz aufgewachsenen Maler. Webber begleitet James Cook auf seiner dritten Weltreise mit den zwei Schiffen Endeavour und Resolution. Er ist als Expeditionsmaler angeheuert und begleitet den exzentrischen Cook. Über die Kanaren durch den Atlantik, Südafrika, an den Kerguelen und Tasmanien vorbei geht es bis New Zealand. Über Tahiti, Hawaii bis nach Alaska, an der russischen Küste, an Japan vorbei durch den Pazifik und den Indischen Ozean, wieder um Afrika herum und zurück nach Europa – das sind die Stationen der abenteuerlichen Expedition. Dramatischer Höhepunkt ist der bis heute etwas umstrittene Tod von Cook auf Hawaii (das Cook entdeckte!). Der charismatische Anführer wurde dort von Einheimischen überwältigt, getötet, zerstückelt und vermutlich anteilig verspeist.

Es geht um die spannenden Entdeckungen von bisher unbekannten Inseln, Ländern, Menschen und Lebewesen aller Art. Die moralischen Fragen ob der Vorherrschaft der Europäer über den Rest der Welt, legitimiert durch die religiöse Humanität und die scheinbar überlegenen Moralvorstellungen spielen ebenfalls eine Rolle. Der kulturell hoch entwickelte Europäer muss die den Tieren ähnlichen Indianer beherrschen. Dies wird während der jahrelangen Reise um die Welt und der immer karger werdenden Verpflegung wiederholt kontrovers diskutiert. Natürlich wird auch immer wieder das strapaziöse Fahren auf den unberechenbaren Ozeanen und das Überleben in der Enge eines solchen Schiffes mit Wassermangel, Krankheiten, Kälte und unmenschlichen Anstrengungen thematisiert.

Poetua, immer wieder Poetua, so nah und doch so fern…

Lukas Hartmann erzählt diese Abenteuer-Reise in Rückblenden aus den Jahren der Gegenwart um 1780 heraus, nachdem die Expedition geendet ist. In angenehm lesbaren kurzen Kapiteln erlebt der Leser die fortschreitende Reise hautnah mit. Die Kapitel als Briefe an den Bruder des Malers und verbotene Tagebuchnotizen mit vielen kritischen (Selbst-) Reflexionen fügen sich zusammen. Die Verarbeitung der Erlebnisse nach Beendigung der Reise ist geprägt durch die Zensur der Auftraggeber (Admiralität, National Society). Zudem bedroht eine sublimierte Homosexualität des Malers dessen Erlebnisse und Gestaltung eines lebbaren Lebensentwurfes. Der Maler verstirbt dann auch im Alter von knapp über vierzig Jahren.

Ein gut geschriebener Abenteuer-Roman, sauber recherchiert, flüssig formuliert und durchaus spannend. Ein feines Leseerlebnis und eine intensive Reise an fremde Gestade, die es heute so nur noch in der Literatur gibt.

1. Lord