Raoul Schrott – Eine Geschichte des Windes

Raoul Schrott – Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier, der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal

Literaturvorstellung April 2022

Es ist historisch verbürgt, dass ein Hans aus Aachen im Jahr 1519 zur ebenso berühmten wie tragischen Expedition des Ferdinand Magellan gehörte und einer der 18 Männer war, der 1522 wieder lebend in Spanien ankam. Ebenso historisch verbürgt ist die Tatsache, dass selbiger Hans die Welt ein zweites Mal umrundete, nachdem er sich 1525 der Expedition von Garcia Jofre de Loaisa anschloss und 11 Jahre später als einer von wenigen Männern wieder in seiner Wahlheimat an Land ging.

Eine Geschichte des Windes

Ansonsten ist über diesen Hans recht wenig bekannt. Dank des österreichischen Schriftstellers Raoul Schrott bekommen wir mit seinem Buch eine Geschichte erzählt, die sich genau so durchaus zugetragen haben könnte. Geschickt hangelt sich der Autor an den bekannten historischen Fakten entlang. Er lässt uns eintauchen in eine Zeit des Aufbruchs, der Entdeckungen und Wagnisse, um die Weltkarte neu zu zeichnen.

Das ist spannend und höchst unterhaltsam geschrieben, wobei der Schreibstil ungewöhnlich und anfangs vielleicht auch etwas gewöhnungsbedürftig ist. Raoul Schrott wechselt mehrfach den Blickwinkel; alles, was an Land geschieht, berichtet er in der dritten Person. Geht es dann aufs Meer hinaus, lässt er Hans aus Aachen selbst erzählen. In beiden Fällen vermittelt er dabei den Eindruck, Aufzeichnungen aus einer alten Zeit zu lesen, die nur geringfügig an heutige Lesegewohnheiten angepasst sind. Und dann gibt es zwischendurch noch Passagen, aus denen der Autor völlig aus der Geschichte geht, sich ins Hier und Jetzt begibt und berichtet, wie er selbst einige Schauplätze der Handlung besuchte und dort nach Spuren der Vergangenheit geforscht hat.

Was kostet die Welt

Man bangt und hofft bei beiden Weltumsegelungen mit dem Romanhelden, der dabei immer wieder das volle Programm zwischen Freud und Leid erlebt, nur um am Ende jedesmal arm und mittellos an Land gespült zu werden.

Und so ist es irgendwie folgerichtig, dass er sich dann noch ein drittes Mal an Bord eines Schiffes begibt. Dieses Mal zur Expedition von Ruy López de Villalobos, welche im Jahr 1542 aufbricht, um in Ostindien neue Handelsrouten zu finden.

Auf den Osterinseln endet dann die Geschichte, aber noch nicht das Buch. Raoul Schrott erzählt uns noch, wie er an die Aufzeichnungen von Hans aus Aachen gekommen ist. Dies ist so hübsch dargelegt, dass man am Ende nicht wirklich weiß, was daran nun wahr ist und was der dichterischen Freiheit des Autors entsprungen ist.

Sicher ist nur eins: Hans aus Aachen hat es wirklich gegeben, und er hat tatsächlich zweimal die Welt umsegelt. Das, was Raoul Schrott daraus gemacht hat, ist ein von der ersten bis zur letzten Seite spannendes, unterhaltsames, witziges, warmherziges und bemerkenswertes Meisterwerk, das in keiner maritim-historischen Büchersammlung fehlen sollte.

Bonden