Walter Illing – Drachenschiff vor Amerika
Walter Illing – Drachenschiff vor Amerika
Literaturvorstellung Februar 2024
„Kulturhistorischer Roman“ steht unter dem Buchtitel auf der dritten Seite. Der Roman erschien 1976 im Prisma-Verlag Leipzig.
Wer bei dem Titel vermutet, dass es um die Wikinger geht, die bekanntlich lange vor Kolumbus als erste Europäer amerikanisches Festland betraten, vermutet richtig.
Die Geschichte erzählt, wie Leif Erikson, Sohn von Erik dem Roten, im Jahr 1000 von Grönland nach Nidaros (Norwegen) segelt, um bei König Olaf um dessen Gunst für seinen geächteten und zwangsweise von Island nach Grönland verbannten Vater zu ersuchen. Sein Vorhaben gelingt, und so macht sich Leif auf den Rückweg. Was er nicht ahnt: Unter den in Nidaros neu angeheuerten Seeleuten ist auch der Sohn eines Mannes, den Erik der Rote einst im Kampf besiegte und erschlug. Dieser will Rache nehmen und heuert daher unter falschem Namen bei Leif an. Ein langanhaltender Sturm und widrige Winde verschlagen Leifs Schiff aber bis nach Nordamerika, wo sie schließlich an der Küste des heutigen Neufundland (das sie Vinland nennen, da sie dort u.a. wilden Wein entdecken) ihr Lager bauen, um dort zu überwintern. Gegen Ende dieser Zeit an Land kommt es zu ersten Begegnungen mit den Ureinwohnern dieser Gegend, die zunächst friedlich und vom Handel geprägt verlaufen. Dann aber kommt es nahezu zwangsläufig zu kriegerischen Auseinandersetzungen; nur knapp können Leif und seine Mannen mit ihrem Langboot entkommen. Wenig später erreichen sie Grönland – hier kommt es dann zum erwarteten Showdown.
Der Roman ist unterhaltsam und spannend geschrieben. Die Sprache ist überwiegend einfach gehalten, das Buch war wohl in erster Linie als Jugendbuch gedacht, was auch aus dem Klappentext des Schutzumschlages hervorgeht. Was wohltuend auffällt: Der Autor hat sich offensichtlich sehr gründlich über die Wikinger, ihr Leben, ihre Bräuche, ihren Glauben an Götter, Geister, Hexen, Eisriesen etc. informiert; vor allem aber vermittelt er hohe maritime Sachkunde, weiß spannend und nachvollziehbar die Handhabung eines Langschiffes bis ins Detail zu schildern und lässt einen besonders am Kampf gegen den Sturm bei der missglückten Ansteuerung von Grönland hautnah teilnehmen.
Ich hatte mit dem Buch zwei spannende Nachmittage auf der Couch; die etwas mehr als 200 Seiten waren schnell „weggeatmet“.
Fast hätte ich es vergessen zu erwähnen: Es gibt Illustrationen, eine Übersichtskarte sowie 16 Seiten mit Fotos archäologischer Funde aus der Wikingerzeit, dabei auch das Osebergschiff und das Gokstadschiff.
Ich vergebe fünf von fünf Langriemen!
Bonden
Bild: Petter Ulleland: Oseberg-Schiff 2016. Lizenz: CC BY-SA 4.0