Raphael Burri – Doughtys Tod
Raphael Burri – Doughtys Tod
Literaturvorstellung September 2024
Am 2. Juli 1578 wurde der englische Gentleman Thomas Doughty in Puerto San Julián wegen Hexerei und Meuterei im Auftrag von Francis Drake zum Tode verurteilt und durch Enthauptung hingerichtet. Die genauen Gründe sind bis heute unklar und geben somit viel Raum für Spekulationen, zumal Magellan 58 Jahre zuvor am selben Ort eine Meuterei blutig niederschlug.
Der Schweizer Autor Raphael Burri hat sich des Themas angenommen und nähert sich der Geschichte durch einen sehr spannenden Plot an:
Francis Drake hat die Welt umsegelt und seiner Königin sowie den Investoren seiner Reise ein rieisges Vermögen eingebracht. Die spanische Krone schäumt vor Wut und verlangt die geraubten Schätze zurück, doch Elisabeth I. denkt überhaupt nicht daran, ihr Gold den Spaniern zu geben. Doch sie bedrückt ein anderes Problem. Während der Reise wurde der Gentleman Thomas Doughty auf Befehl von Francis Drake hingerichtet. Da Drake nur der Sohn eines Pastors ist, hatte er eigentlich kein Recht, einen Mann aus adeliger Familie zum Tode zu verurteilen. Die Königin steht also vor der Alternative, Francis Drake zum Ritter zu schlagen oder hängen zu lassen. Angesichts des drohenden Kriegs gegen Spanien würde sie das Erstere bevorzugen. Sir Francis Walsingham, die graue Eminenz am Königshof, beauftragt den jungen Walter Raleigh mit der Klärung der Umstände, die zum Tode Thomas Doughtys geführt haben. Er liest die Berichte, verhört die Zeugen und muss in einem Geflecht aus widersprüchlichen Aussagen, gegensätzlichen Interessen und schwelender Konflikte die Wahrheit finden.
Was für ein spannendes Buch! – Doughtys Tod
Wie Burri uns an diese Geschichte fesselt, finde ich genial, und wenn man dann am Ende auch den umfangreichen Anhang gelesen hat, kann man vor der Leistung des Autors nur den Hut ziehen. Er hat alles an verfügbaren Originalquellen zu Drakes Weltumsegelung studiert, sich durch ergänzende Aufzeichnungen und Fachbücher gearbeitet und daraus einen spannenden Roman gegossen, den man nicht mehr aus der Hand legen möchte!
Um an die Wahrheit zu gelangen, arbeitet sich besagter Walter Raleigh durch Berge von Unterlagen von der Fahrt selbst, ehe er dann einige wichtige und – hoffentlich – zur Wahrheitsfindung beitragende Zeugen verhört. Jeder der Befragten schildert die Geschehnisse aus seiner Sicht, und schnell merkt Raleigh, dass es hier große Unterschiede bei den vermeintlichen Fakten gibt – je nachdem, ob er mit jemanden spricht, der Drake vergöttert hat oder einen Mann vor sich hat, der Drake abgrundtief hasst und dafür Doughty zugewandt war. Die Gespräche sind erzählerisch stets eine Mischung von Frage-Antwort zwischen Raleigh und dem Zeugen und Rückblenden, die einen mitnehmen an Bord der Schiffe.
Hat man das Buch etwa zur Hälfte durch, erscheint als letzter schließlich der wichtigste Zeuge selbst: Francis Drake. Was jetzt folgt, ist ein spannendes Duell auf Augenhöhe, ein Kammerspiel voller Dramatik und Wendungen, welches Drake in vielfältigen Facetten zeigt und am Ende keinen Sieger hervorbringt – aber auch keinen Verlierer. Noch immer ist der Ausgang offen (auch wenn der geschichtsinteressierte Mensch ja weiß, wie es am Ende für Drake ausging…).
Die nachfolgenden Geschehnisse bis hin zu Drakes Ritterschlag bieten dann auch noch mal ein paar nette Überraschungen.
Der Roman bietet ganz große Erzählkunst. Und der Autor hat sich offenkundig ganz tief in die Materie eingearbeitet; an seinen maritim-historischen Ausführungen konnte ich keine Fehler erkennen, er schreibt mit großer Sachkenntnis.
Ein umfangreiches Glossar zu maritimen Begriffen, ein Anhang für 40 Fußnoten sowie ein paar Übersichtskarten mit Erläuterungen ergänzen am Ende ein Buch, welches in keinem Regal der hier in diesem Forum vereinten Bücherwürmer fehlen sollte.
Klares Fazit: 5 von 5 goldenen Hirschkühen!
Speedy & Bonden