Beiträge von 1.Lord

    Wir sind auf See dem Himmel ebenso nahe wie an Land!“


    Der ewige Seemann I


    Der britische Autor Nicholas Monsarrat (1910-1979) hat unserer Gegenwart 3 fantastische marinehistorische Romane hinterlassen: Die Irrfahrten des Matthew Lawe und Die Prüfungen des Matthew Lawe, die dem Mehrteiler Der ewige Seemann angehören (1978). 1980 wurde posthum 'Dark ship' veröffentlicht, das als 3. Teil des Zyklus gilt, aber nicht ins Deutsche übersetzt wurde.


    1. Die Irrfahrten des Matthew Lawe


    1588: Der Feigling:
    Matthew Lawe ist der Bootsteuerer des legendären Vizeadmirals und Piraten Sir Francis Drake. Er hat jedoch in den Gefechten gegen die spanische Armada so große Angst, dass sie ihn zu Feigheit vor dem Feind und Missachtung von Befehlen verleitet. Wir erleben, wie sich die Armada Großbritannien nähert, in Einzelgefechten im Kanal attackiert wird und durch Sturm und von wendigeren englischen Linienschiffen dezimiert wird. Bei einem Branderangriff lässt Lawe sein Boot zu früh explodieren und rettet sich ins Wasser des Ärmelkanals. Von der spanischen San Vigilio aufgefischt, wird er zum Tod verurteilt, von einer schottischen Hexe als Wiedergänger entlarvt und ob seiner Feigheit zur Unsterblichkeit verflucht. Durch eine erneute Flucht entgeht er der Explosion der spanischen Galeone.


    Fortan muss er die Welt bereisen und Abenteuer erleben.


    1610: Auf Entdeckungsreise:
    Unterwegs mit Henry Hudson auf dessen vierter Expedition mit der Discovery, um nun westlich der Arktis eine Passage (zu den Gewürzinseln, nach China und Indien) zu finden, nachdem drei vorige Entdeckungsreisen im russischen Eismeer, an der Ostküste Nordamerikas und an dem Unbill der Mannschaft nur mäßigen Erfolg zeitigten. Nun jedoch starten die Leser dieses unterkühlten Abenteuers mit einer heißen Szene im Bordell am Tag vor der Abreise im Jahr 1610. An Island und Grönland vorbei nach Nordamerika, finden Kapitän und Mannschaft (darunter Matthew Lawe) keine Passage in der später nach dem Kapitän benannten Hudson-Bay. Sie werden zum Überwintern gezwungen. Anfänglicher Wagemut mutiert in Angst, Meuterei, Hunger und Krankheit. Die aufgerührten Seemänner meutern und setzen im Sommer 1612 den Kapitän, seinen Sohn, einige Kranke und Treue in eisiger Kälte aus. Lawe verbleibt an Bord der Discovery, obwohl er, „ohne daß er sich es anmerken ließ, angewidert von dieser Situation(war), von dem törichten Verhalten des Kapitäns und der Gehässigkeit der Mannschaft. Es war der reine Wahnsinn!


    1670: Pirat in der Karibik:
    Das nächste Abenteuer beginnt, wie das vergangene endete, mit dem Aussetzen von Seemännern, diesmal jedoch auf einer einsamen Insel. Piraten, unter dem Kommando von Henry Morgan, haben beim Entern versagt und gehören nicht mehr zur gefürchteten Mannschaft des Admirals der karibischen Piraten. Henry Morgan regiert in der Karibik uneingeschränkt. Ein englischer Gouverneur nickt seine Piraterie nur ab und kassiert ebenfalls an der Beute. „Während die spanische Welt vor Empörung kochte, wurde Port Royal auf Jamaika der Piratenhafen, wo hemmungslose Macht, Habgier, Korruption und das rücksichtslose Recht des Stärkeren ein teuflisches Gemisch aus Blut, Wollust und Wahnsinn zusammenbrauten.“ Noch ist das wilde Treiben sehr grausam – wild und fürchterlich. Es wird eine alte Frau gebraten. Orgiastische Spiele und wilde Hurerei. Matthew soll noch Schlimmeres erleben.
    Als Morgan seinen großen wagemutigen Plan Panama anzugreifen seinen Kapitänen vorschlägt, sind nicht alle seiner begeisterten Ansicht. Zumal er wieder äußerst brutal vorgehen will, bei der die überfallenen Menschen zerstückelt werden sollen, um andere Feinde abzuschrecken. Dieses Vorgehen schreckt auch Matthew ab, er zweifelt an Morgan und sieht nur einen Ausweg, zu fliehen.
    Sein neuer Dienstherr ist der Franzose Simon Montbarre, der den Beinamen 'Der Ausrotter' trägt. Wir werden Zeugen davon. 'Vierteilen' zwischen Bäumen und einer Winde mit Gewichten auf dem Körper, wird Strappado genannt, eine 'Ehre und nichts für Schwächlinge'. Einem spanischen Schiff wird eine Falle gestellt, so dass es vor einem karibischen Eiland havariert. Nun wird bis in viele Einzelheiten das unmenschliche Quälen von Männern und Frauen geschildert. Menschenhaut wird gegerbt, Frauen zigfach vergewaltigt und aufgeschnitten, Menschen werden gebraten, zerstückelt, zu Fischködern zerschnitzt. Köpfe werden mit Folterinstrumenten zerkurbelt. Dann saufen die Piraten und das unsägliche Grauen wird fortgesetzt. Matthew wird nicht grausam tätig, er ist verwundet, rettet aber einem jungen Mädchen das Leben, nachdem ein Päderast von ihr abgelassen hatte. Wiederum flieht Matthew, nun in Begleitung des spanischen Mädchens, mit dem er in Folge von Monaten / Jahren dann allmählich eine paradiesische Robinsonade erleben darf, die jedoch jäh unterbrochen wird.
    Jahre später trifft Matthew auf Barbados einen ihm bekannten Piraten, der ihn darüber aufklärt, dass Sir Henry Morgan mittlerweile Gouverneur auf Jamaika ist. Der ihm wohlgesonnene ehemalige Mitstreiter führt aus: „Morgan und Montbarre – die möchte ich nicht zu Feinden haben! Der Teufel und sein Sohn persönlich!


    1682: Schreiber der Admiralität:
    Bei der Schiffstaufe der Fubbs, benannt nach dem Spitz(!)namen der Mätresse des Konigs, wird Matthew von einer Bierdusche durch die Stadt London auch getauft. Er taucht erfolgreich nach der vom König Karl in die Themse geworfene Krone und erhält von den honorigen Ehrengästen dann einen saftigen Erlös, der in der Kneipe verflüssigt wird. Er stützt einen kleinen wichtigen Mann, der umzufallen drohte, Samuel Pepys. Nach einem Jahr Handelsseefahrt trifft Matthew erneut durch Zufall Pepys, der gerade zum 1. Sekretär der Admiralität ernannt worden ist, also quasi der Marineminister ist. Matthew wird Angestellter, Schreiber, Vorleser etc. des wichtigsten Mannes der britischen Marine. Wir lernen Pepys als kauzigen und weitsichtigen Minister kennen, der verwitwet viele Frauen beglückte, als er während der Pest und der große Brände in London sie 'beschützte'. Er zählt auch gerne die Anzahl der Unterhöschen seiner Ehefrau, als diese noch lebte (S.286)! Und! Seine süße Dienerin Lucy verwöhnt diesen einundfünfzigjährigen älteren Herren wie es ihm gefällt. Fünf Jahre betreibt Pepys die absolut erfolgreiche Wiedererstarkung der britischen Marine. Die Hudson-Bay-Company wird gegründet, das königliche Observatorium zu Greenwich auch, die Prüfungsordnung für Seeoffiziere wird eingeführt etc. Schiffsbau und neue Schiffstypen forciert er wie kein anderer vor ihm. „Es war ein großes Glück für das Land, daß ein so vielseitig begabter Mann zum Vorteil an die Macht gekommen war.“ Matthew berät den Lord in Fragen u.a. der praktischen Seemannschaft. Mit Vertrauten gründen sie auch 'Lloyds Nachrichten aus der Schiffahrt'. Ein Besuch in Bedlam realisiert. 1688 geht der Stern Pepys sanft unter. Matthew ist bei ihm.



    Was ist das, was uns hier vorgelegt ist?


    Was für ein vielseitiger Roman! Was für ein großartiger Roman! Oder?


    Eine fantastische Grundidee! Ja, fantastische Grundidee!!!! Niemals vorher erprobt – hier gebührt dem Autor ein Fanfarenstoß. Täterätä!
    Ein Protagonist wird unsterblich. Das ist Fiktion. Danach ist es immer elegant eingeleitet, dass er wieder da ist.
    Dann kann dazu kommen: historische Genauigkeit. Macht er, der Monserrat. Prima. Gut recherchiert!


    Der Hauptdarsteller ist ein moralisch einigermaßen korrekter Mensch, ein Normaler, ein ängstlicher Protagonist, der Gewalt nicht ausübt, eine passiv ausführende, wenig aktiv gestaltende Figur, eher ein in der Not handelnder Mitläufer.
    Kein Held.
    Matthew entwickelt sich nur wenig – betrachtet man die vielen Möglichkeiten, dies zu tun. Er bleibt immer ein Passiver, begleitet, nie in vorderster Linie. Weil dieser Normalo so unaufregend ist, wird er durchgereicht durch die Geschichte. Immer hat er Angst.
    Beim Kampf gegen die Armada verführt uns der Autor zu einem Nachvollziehen. Sehr spannend. Sehr schlimm, wie die stolze Armada aufgerieben wurde. Puhhh.
    Die Nord-West-Passage haben wir leider nicht finden können. Dafür war es einfach zu kalt. Was für eine Dramatik im kanadischen Eis!
    Das Piratenkapitel folgt. Das ist ein Highlight und eine Herausforderung.
    Gewalt – so kaum formuliert – beherrscht die Geschichte. Eigentlich sollte dis erst erwachsenen Lesenden erlaubt sein...
    Grausamkeiten benannt, ausgeführt und nicht kommentiert.
    Warum?
    Es gibt keinen Reportagestil, keine erzählerische Ironie, keinen Sarkasmus, keine formulierende Weichspülung.
    Es gibt einen durchgängig ruhigen Erzählstil, der manchmal auch eher langweilig daherkommt. ABER! Wie durchgängig trocken hier berichtet wird über unvorstellbare Grausamkeiten seitens der Piraten – das sollte jegliches romantisches Bild von Stevenson oder anderen Piraten über den Kadaver werfen. Gewalt sollte eher nicht ästhetisiert werden – hier wird aber der Impuls gegeben, die trockenen, faktisch erzählten, sadistischen, trashigen, furchtbaren, sich im Kopf des Lesers zusammensetzenden Szenen mitzuvollziehen und nicht nur auszuhalten. Das tut weh. Aber es war auch notwendig, aufzuräumen mit verträumten, romantisierendem Piratenheros.


    Wir werden erinnert an die Inquisition, an die Nazi-Foltermethoden, an Folterungen in der Serie Game of Thrones und andere Ästhetisierung von Gewalt – Tarantino u.a.
    Da mag jeder Leser darüber richten. Mir gefällt das eher weniger.
    Mir haben die grausamen Szenen zugesetzt, nicht gefallen. Weißt du, welche Bilder in deinem Kopf entstehen, wenn sie stimuliert werden?
    Diese Szenen sind möglicherweise wenig empfehlenswert!!!


    Der gut recherchierte, montierte Moment 'Zurück in die Vergangenheit' mit einem wenig stressigen Protagonisten ist überaus lesenswert und trefflich gelungen.


    Metthew Lawe ist unsterblich, noch für 1-2 Romane.


    Gut, wenn es für dieses fantastisch-marinehistorisch relevantes Abenteuer heißt:


    Das beste Heilmittel ist die Zeit.“



    (Freuen wir uns auf die PRÜFUNGEN DES MATTHEW LAWE!)


    Wenn die Schwiegermutter wieder weg ist (das ist entweder ein Segen oder ein Verlust), wieso kannst du dann eher bauen.
    Musst die SM betüddeln? Die hat sich gefälligst um die Enkel zu kümmern, damit der Vater endlich mal Zeit hat für die Galion.
    Ich bin absolut fasziniert, was du da machst. Möge deine Schwiegermutter eher weg oder da sein - bitte baue bau ba b...

    Ich habe von den Sachfragen so gar keine Ahnung, weder von den Uniformen, noch von den Fragen der Modellgestalter, noch davon, wie wohl tatsächlich Masten und Beplankung waren.
    Das macht aber nichts.
    Da ich aber beruflich viel mit Beratung und Kommunikation zu tun habe, möchte ich anmerken, dass die sich hier entwickelnde Situation sehr authentisch, kompetent, sachdienlich und geradezu wunderbar ist. Es gibt Fragen, es gibt Experten, es gibt Motivatoren, es gibt Spötter, Analysten, Bewunderer und wahrscheinlich auch viele stille Genießer....!!!


    Ich kann mich an dieser Stelle darüber freuen, dass ich das miterleben kann. Das hätte ich vor drei Monaten noch nicht geahnt! ;)


    Ich habe heute noch keinen Plantatation Pineapple Artisinal infusion infundiert.


    Ich geh jetzt lesen, das kann ich. Vielleicht einen Gin?

    Der Sonderband sieht richtig toll aus. Den wünsche ich mir zu Weihnachten.
    Warum sind die beiden Autorinnen denn noch nicht hier im Forum vertreten?
    Beide sind Historikerinnen der Abteilung Schifffahrt und Nautik am Deutschen Technikmuseum Berlin.
    Ob sie AoS kennen? Wer schickt ihnen mal eine freundliche Mail?

    'Die ganze Welt steht auf dem Kopf'


    Nicht die ganze Welt steht auf dem Kopf in Wilder Perkins letztem Roman um seinen Marine-Schnüffler und Spürhund Bartholomew Hoare. Dieser dritte Band 'Im Auftrag der Krone', 276 Seiten lang, schließt die Kriminalstory, die die Leser seit dem 1.Band verfolgen konnten final ab, so dass eigentlich die britische Marinewelt von Unbill gereinigt wieder auf den Füßen stehen sollte. Aber der Roman endet damit, dass unser mittlerweile verheiratete Held mit der einzigartigen Jane Austen auf der Hochzeit seines 1.Offiziers zu dem Gassenhauer 'Die ganze Welt steht auf dem Kopf' tanzt. Historisch verbürgt ist es, dass es die beiden Brüder von J. Austen es in der britischen Marine bis zum Admiralsrang gebracht haben.
    Statt mit Eleanor auf Hochzeitsreise zu gehen, wird Hoare nach London beordert. Wichtige Dokumente mit europäischer Bedeutung sind verschwunden und sollen wiederbeschafft oder vernichtet werden. Wieder sterben Menschen (u.a. ein Admiral), ein Haus brennt ab, es gibt Spione in der eigenen Mann-Frauschaft, ein klitzekleines Seegefecht wird nicht beendet, mit Schmugglern freundschaftlich verkehrt, seltsame Portraits weisen verschlungene Pfade und es gibt eine James-Bond-Verfolgungsjagd durch Abwasserkanäle als Showdown – das ist eine sehr spannende und klug ausgedachte und erzählte Geschichte. Was ist das Motiv, warum böse Franzosen den Engländern so viel Schaden zufügen wollen? Es ist Krieg zwischen Frankreich und England und daher ist das französische Ziel den britischen König und die Regierung zu stürzen und eine frankophile einzusetzen. 007 Hoare – im Auftrag seiner (geistesgestörten) Majestät, mit der Erlaubnis zu töten.
    Du willst das Buch nicht aus der Hand legen.
    Um den Fall / die Fälle abschließend zu lösen, lässt Hoare wieder seine besondere Crew, Taschenspieler, Messerwerfer, Gaukler und Schlossknacker von Bord. Obwohl die 'Marine, ein Bund von Brüdern' (S.62) ist, bedarf es des Herkules-Helden, der mit dem schlimmsten Bösewicht ein Kartenspiel-Duell bestehen soll, entgegen seines Schwures, niemals sich wieder im Glücksspiel zu versuchen. Das ist ein Casino Royale in 1805! Und auch vergleichbar mit dem Finale des dreifach verfilmten Stoffes (1954/1967/2007) wird das Kartenspielen abrupt unterbrochen, einige Geiseln befreit, aber eine der wichtigsten eben nicht, so dass die Spannung weiter ausgehalten werden muss.
    Ein weiteres Stilmittel zur Spannungserhöhung ist es bei einigen Kapitelanfängen, dem Leser noch unbekannte Textszenen anzubieten, in denen unbekannte Figuren überraschende Dinge tun, die sich erst im weiteren Handlungsverlauf aufklären. In dem Versuch, die Londoner Unterwelt und das Gaunermilieu authentisch zu erfassen, legt der Autor einigen Figuren ein Rotwelsch in den Mund, das gelungen ist und die Lesefreude erhöht.
    Für belesene Liebhaber marinehistorischer Literatur ist es dann ein vergnügliches Erleben, dass der Autor Perkins die berühmte Figur des Horatio Hornblower des Autors Forester wiederholt auftreten lässt. Der Perkins-Held Horare trifft seinen Kumpel Hornblower, den Forester-Held. Hornblower verkauft Hoare sein Pinasse, um Spielschulden zu tilgen. Eingefleischte Forester/Hornblower-Fans wissen natürlich um die genialen Strategieleistungen Hornblowers beim Whist-Zocken. Offensichtlich fand er am Spieltisch in Hoare seinen Meister! Sie treffen aufeinander und halten Small-Talk. Hornblower hat immerhin schon seine Atropos (S.139).
    Neben solchen belustigenden, inhaltlichen Spielereien ist es aber auch der feinsinnige, oft ironische Stil, der alle drei Bände von Wilder Perkins auszeichnet und das Lesen zu einer Feier macht. „Die Polstersessel beiderseits des rot glühenden Kaminfeuers waren mit bestem Juchtenleder bezogen, ebenso viele der Bücher, die ordentlich aufgereiht in den hoch hinaufreichenden Regalen standen. Hier und dort, wo die Wände frei waren, hingen Bilder und Zeichnungen mit leicht pornografischen Sujets. Davon abgesehen fehlte jeder Hinweis darauf, dass die Menschheit aus mehr als nur einem Geschlecht bestand.“ (S.110).
    Auf eine Szene ist in jedem Fall noch hinzuweisen, die so in diesem Genre noch nicht konstruiert wurde: Ein verurteilter Baron verliert die Würde, dem Bath-Orden zuzugehören. Mit einem rituellen Akt wird dieser Verlust zelebriert und der Baron nach Australien verschifft. Am anderen Ende der Welt steht diese von hier aus besehen auf dem Kopf. Wie für viele Verbrecher und andere Personen, für die es alltäglich zu sein scheint, ihre Macht anderen Menschen aufzuzwingen, vieles, wenn nicht alles ist eine Frage der Perspektive.


    Für Noch-Nicht-Leser der Romane von Wilder Perkins kann eigentlich nur ein Kurs abgesteckt werden, der sich im Zielfernrohr eindeutig scharf und schärfer fokussiert, und das ist der Kurs, diesen Autor mit diesen drei tollkühnen Romanen zu entdecken. Was für eine fantastische Perspektive!


    (Leider nur antiquarisch zu erstehen.)


    HMS Royal Duke


    So richtig in See gestochen wird auch im zweiten Roman von Wilder Perkins 'Unter königlicher Flagge' nicht. Nur unter Land wird ein wenig gesegelt. Aber das ist auch eher weniger wichtig, weil wir es wieder mit einem maritimen Krimi und eher nicht mit einem marinehistorischen Roman zu tun haben.
    Unter königlicher Flagge als frischbeförderter Kapitänleutnant setzt Admiralitäts-Sonderermittler Hoare das Entwirren verschiedener England-gefährdender geheimen Wuhlings erfolgreich und unkonventionell fort. Er erhält das Kommando über die Royal Dukemit besonderer Besatzung, die neben dem flüsternden, sprechbehinderten Hoare als eigentlicher Mittelpunkt des zweiten, 279 S. starken Bandes des 79-jährigen Wilder Perkins angesehen werden muss. Die Royal Dukeist eine Brigg mit 8 Vierpfünder-Kanönchen. „Die kleine Brigg hing an den Trossen wie eine kampfwütige Maus, die ihre Zähne in den Schwanz eines Katers geschlagen hatte“. Das Schiff ist ein schwimmendes Hauptquartier des britischen Marine-Geheimdienstes unter Admiralitätsorder. Die Besatzung besteht bis auf den 1.Offizier aus einer vollständig see- und segeluntauglichen Besatzung, die aber ihre persönlichen Qualitäten in vielen Spezialisierung haben, die ein Geheimdienst fordert: Fassadenkletterei (Ein Mann, der wie ein Gibbon aussieht!), Kalligraphie, Kryptographie, ein vollbusiger Segelmeistermaat namens Sarah Taylor, theoretische Navigation, eine Schlachterbeil-schwingende Köchin (Typ: Mannweib), Fährtenlesen, Bibliothekswesen, Zirkusjonglage u.a.
    Ist dies eine Mannschaft? Ist dies eine Bemannung mit 3 Frauen? Es ist das Kurioseste und seemännisch Inkompetenteste, das sich jemals ein Autor auf einem Segelschiff ausgedacht hat. In dieser sonderbaren und in jedem Fall super komischen Zusammensetzung finden sich eindeutig Anklänge, ja auch Reminiszenzen oder Zitationen an/von Patric O'Brian und seine Aubrey/Maturin-Reihe. Diese bewussten Anklänge gipfeln in der Zitation des Aubrey/Maturin-Kabinettstückchens, nämlich der berühmten Szene eine Wahl zu treffen zwischen zwei Maden aus einem Schiffszwieback, wobei nicht die Dickste, sondern die Hübscheste gewinnt. Allgemeines Gelächter! Dieser Runnig-Gag wird zunächst Bolitho oder Cochrane zugeordnet, dann aber korrekt Kapitän Aubrey. Hier zitieren fiktionale Figuren fiktionale Figuren: Zitat im Zitat. Das verdient ein wohlwollendes dickes Augenzwinkern!
    Bei einem minimalen Manöver im Hafen (Umwarpen) blamiert sich die Crew von Hoare dermaßen, dass die zuschauenden Matrosen anderer Schiffe fortan von Hoares Huren, Luvschietern und HMS Dustbin(HMS Mülleimer) spotten. Weil diese Blamage Crew und Kapitän trifft, muss Seemannschaft in Zukunft fleißig exerziert und gedrillt werden. Aber trotz kleiner Fortschritte bleibt die Crew eine lustige, sonderbare Theatertruppe. In der Zeuglast findet sich dann auch ein Schaukelpferd und eine Meerjungfrau mit schuppigem Unterleib, außerdem weitere lustige Kostüme. Im Einsatz dann fürs Vaterland und den verrückten Monarchen beweisen die Teilzeitteerjacken jedoch ihre Geheimdienstqualitäten. Im finalen Showdown kommen dann noch verschiedene komische Signale zum Einsatz: der schnarrende Ruf der Wiesenknarre (Vogel) oder einfach auch ein verabredetes Mmmmuuuuuhhhh!
    Weil es Hoare gar nicht gefällt, dass der Brieftaubenschlag fast das gesamte Achterdeck blockiert und zuscheißt, wird der Taubenstall umgestaut – und zwar in die Achterdeckskabine des Kapitäns, die sich um einen stinkenden Raum verkleindert.
    DieRoyal Dukeist der Star, und ein Königssohn mit fieser Fehlsichtigkeit ist auch Teil des behinderten Figurenarsenals. Der Herzog von Cumberland, S.K.H. Er diffamiert Hoare auf Schärfste und gehört auch zu den Verdächtigen Personen, die der Krone im Geheimen schaden.
    Worin besteht die Story? 2 geköpfte Leichen finden sich im Nine Stone Circle, einem prähistorischen Steinkreis (vgl. Stonehenge). Hoare sucht weiterhin den Kopf einer Organisation, die er schon im 1. Bd. (Das verschollene Schiff) zum Teil auffliegen hat lassen. Der großkotzige, ambitionierte Baron St. Thomas Frobisher steht permanent unter Verdacht, dieser ist zudem Hoares Nebenbuhler um die Hand der untersetzten Eleanor Graves. Dann gibt es noch einen höchst verdächtigen Dragoner-Hauptmann Spurrier. Ein Attentat auf den Hafenadmiral und wieder geköpften Menschen spitzt die Lage noch zu. Hoare schafft es jedoch mit seiner Karnevalstruppe die vielen scheinbar ausgefledderten Enden des laufen Guts (Story) zusammen zu spleißen.
    Hoares Pinasse erhält weitere für sich und die Geschichte sprechende Namen: Neglectful, Aleto, Nemesis. Das Spiel mit Namen und Bedeutungen setzt auch Hoares Hafenadmiral fort. Hier wird Hoare zu Herkules, der schier unlösbare Aufgaben mit List und tatkräftige Hilfe seines sonderbaren Teams zu lösen beginnt. Und dieses Team ist der Star des 2. gelungen Bandes von Wilder Perkins und will korrekt bezeichnet sein mit
    HMS Royal Duke.


    https://www.amazon.de/Unter-königlicher-Flagge-Wilder-Perkins/dp/3442452341/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1540062153&sr=8-1&keywords=Wilder+Perkins+Unter+königlicher+Flagge

    Es ist hier doch wirklich immer wieder sehr bereichernd, von Kennern der Materie Leckereien angeboten zu bekommen, die gut verträglich das eingene Menü verfeinern. Danke @Speedy für die Gaben. Danke @Aga für die Wertschätzungen.
    Lasst uns weiter lesen, schmökern und beitragen - Hornblower musste für einen Schatz in die Marmaris-See? - wir können uns wie freie Delphine im weltweitenozeanweb tummeln und auch Luftsprünge vor Freude machen.
    Und hulahopp! fr44

    Das ist doch wahrlich eine ganz feine Vorstellung. In für mich neuer Runde bei gutem Wein die Geschichten fortspinnen, die noch nicht beendet sind oder fortgesponnen wollen werden. (?) Das passt schon bald mal. Ich nehme wahr, wann sich wer und wo trifft und werden sicherlich 2019 dazu stoßen. Versprochen.

    'Der Tod eines jeden Menschen macht mich ärmer.'


    Am 25.4.1997 verstarb Dudley Bernard Egerton Pope im Alter von 82 Jahren auf St. Martin in der Karibik. Der 18. Band 'Ramage auf Erfolgskurs', übersetzt von Uwe D. Minge, erstmals erschienen als 'Ramage and the Dido' 1989, ist seine letzte Veröffentlichung zu Lebzeiten.
    Ob gewollt oder durch Krankheit und Tod herbeigeführt, ist dies auch das Ende der sehr erfolgreichen und vielfach übersetzten Reihe über den heldenhaften Lord Nicolas Ramage. In diesen letzten Abenteuern lässt Pope seine treue Leserschaft wiederum teilhaben an immer wieder knallbunten Ideen, die bekannte Motive aufgreifen und variieren ohne plump zu wiederholen. Die Aneinanderreihung mehrerer Abenteuer und ein immer flüssiger Erzählstil meist aus auktorialer oder personaler Erzählperspektive sorgen für einen reibungslosen und erfolgreichen Ablauf der Geschichte wie auch des Leseerlebnisses.
    Die Geschichte lässt sich gut skizzieren: Nach einem familiären kurzen Vorgeplänkel in England setzen Ramage und seine Crew die Dido in Stand, ein recht neues 74-Kanonen-Linienschiff. Ziel: Barbados in der Karibik. Auf der Atlantiküberquerung rettet die Dido eine britische Fregatte, die von 2 französischen Fregatten und einem Linienschiff gejagt wird. Eine Fregatte und das Linienschiff werden versenkt. Die britische Fregatte Heron geleitet die französische Lequinmit vielen Gefangenen zurück nach England. Auf Barbados wartet ein gutmütiger Admiral. Ramage soll Martinique blockieren. Dort liegen noch ein französischer 74er und eine Fregatte. Auf dem Weg dorthin wird eine en flute segelnde Fregatte aufgebracht und nach Barbados geschickt. Aus dem Hafen Fort St. Louis wird die nächste Fregatte gekapert und auch nach Barbados geschickt. Eine weitere Fregatte schlüpft Ramage durch die Maschen und überbringt den Franzosen die Nachricht eines sich nahenden Geleitzuges. Und noch einmal linkt dieser Franzmann den Lord. Hinter einer Klippe wartet die Dido auf das Auslaufen des franz. 74ers. Er kommt, sie beschießen sich, der Franzose läuft auf ein Riff. Tags darauf wird das Schiff verbrannt. Der Admiral ist höchst zufrieden und lobt den Lord und seine Crew. Aitken, der 1. Offizier wird befördert zum Fregattenkapitän, Steuermannsmaat Orsini wird sein Leutnantsexamen ablegen, Ramage erhält einen weiteren wichtigen Auftrag. Schluss.
    Während alle wichtigen, den Lesern sehr vertrauten Figuren sämtlich überleben, konnte in den vergangenen Abenteuern ein Anwachsen des Blutzolls verzeichnet werden.
    Ein historisch verbürgtes Ereignis ist mit künstlerischer Freiheit in den Storyverlauf eingefädelt. Die französische Fregatte Volage, die en flute segelte, beförderte Mango-Pflanzen von Mauritius nach Martinique, um sie in der Karibik anzupflanzen und eventuell heimisch werden zu lassen. Historisch verbürgt ist dies für das Jahr 1782, als die britische Fregatte Flora(welch passender Name!) ein französisches Schiff mit Mango-Pflanzen aufbrachte.


    Pope verbrachte viele Jahrzehnte als Skipper verschiedener Yachten Mittelmeer und auch in der Karibik. Dies seinen Romanen immer positiv anzumerken. Genaue Kenntnisse über die hiesigen Gewässer und Gezeiten, Winde und Flora und Fauna bereichern seine Geschichten.
    Im vorliegenden letzten Band kleidet die tropische Natur die Geschichte aus: Delphine, Mother Carey's Chicken, Wale, ein Hai und andere Raubfische fliegen und schwimmen durch den Roman. Man isst Südfrüchte: Bananen, Papaya – auf die Mangos müssen die Leser noch warten. Und dass Louis de Bougainville 1768 Planzen (Bougainvillea) aus Brasilien mitbrachte, die auch heute noch den gesamten Mittelmeerraum farbenfroh verzieren, können wir nebenbei erfahren.
    Beim Affenschlürfen geht es darum, aus angebohrten Kokosnüssen die Kokosmilch zu trinken. Nicht ganz richtig! Der ausgebuffte, liebenswerte Matrose Stafford (auch von Anfang an dabei) erklärt seinen französischen Freunden augenzwinkernd, dass es sich beim wahren Affenschlürfen darum handelt, die mit Rum verlängerte Kokosmilch aus der Nuss zu trinken.


    Auch dieser letzte Band ist randvoll gefüllt mit maritimen Kriegsgetöse. Viele feindliche Schiffe werden versenkt oder erobert, es wird überfallen, Breitseite an Breitseite geschossen, aufs Riff geschickt und auch gebrandschatzt. Für die Feuerszene gebrauchen Autor und Personal die Metapher: Tor zur Hölle! 3 Fregatten landen als Prisen auf dem Buffet vom Admiral, garniert als Beilagen noch etliche Frachtschiffe.
    Bei diesen überaus gelungen dargestellten Seeschlachten gestaltet der Autor Pope eine Reminiszenz an den Urvater maritimhistorischer Romane, Forester, der ihm, den frühen Sachbuchautor den Schritt zum Romancier seinerzeit nahelegte. Wie sein Bruder im Geiste (auch wenn die zweifelnde Natur bei Ramage insgesamt wenig ausgeprägt ist) nutzt Tricky Ramage wie schon Hornblower den Überraschungsmoment, indem er seinen Gegner (hier nicht Natividad, sondern Junon) mit einer Kurskorrektur auf die Lee-Seite des Gegners kurz vor der gegenseitigen Kanonade überrascht, so dass dieser nicht feuern kann und Ramage die gesamte Breitseite in seinen Gegner pumpen kann, ohne dass dieser irgendwie darauf vorbereitet ist, weil alle Kanoniere auf der Backbordseite hilflos ohne Reaktion verharren. Alle Fans des Genres lieben diese Szene, ist sie doch zum Inbegriff intelligenter Seekriegsführung mutiert. Diese Szene finden wir im 18. Band wieder und wir können sie werten als höfliche Verneigung in Richtung Forester und auch als Lebewohl für den Helden Lord Ramage, der Kapitän im 2. Band wurde und bis zum 18. Band nicht wirklich befördert wurde.
    Auch dies unterscheidet die Ramage-Serie von vielen anderen Reihen. Der Beförderungssprung vom relativ unabhängigen Fregattenkapitän und kurzzeitigen Linienschiffkapitän zum Flagkapitän ist vielen Figuren und damit der zugehörigen Literatur in den meisten Fällen nicht gut bekommen.
    Insofern findet diese Reihe und dieser Band auch ein angenehmes, eher untypisches Ende, zumal das sympathische Personal sämtlich überlebt. So bleibt den Lesern die Möglichkeit, mit eigener Fantasie die verwegenen, auch lustigen, immer fintenreichen Geschichten weiterzuspinnen. Und diese positive Möglichkeit, die Ramage-Fäden aufzunehmen, verhindert auch der Tod des Personals nicht macht daher niemanden ärmer.
    Ganz im Gegenteil: „Du kannst über den Dienst unter dem Kommando von Mr. Ramage sagen, was du willst“, stellt Stafford abschließend fest. „Jedenfalls gibt es immer eine Menge Abwechslung. Manch einer könnte sagen, daß es davon so gar zu viel gibt. Das gilt natürlich nicht für mich, fügte er eilig hinzu. Mir macht das richtig Spaß.


    'Im Mittelmeer gibt es keine Wunder.'


    Oder doch? Es wundert wie ein Wunder an, was für einen Roman uns D. Pope auf 383 Seiten als vorletzten Abenteuer-Band seiner Ramage-Reihe vorlegt. Hat man bei leider vielen anderen marinehistorischen, langen Reihen von Autoren wie Kent, Adam, auch O'Brian vermeintlich doch den Eindruck, dass diese in ihren letzten, die Serien (auch unvollständig) abschließenden Reihen die Ideen, der Atem oder das Pulver ausgeht. Bei einigen wurde mit zunehmenden Alter auch stilistisch und kompositorisch die Meeresluft dünner und dünner.
    Bei Popes 17. Band 'Ramage und die Sarazenen', wieder gekonnt übersetzt von Uwe D. Minge, ist dies anders.
    Wie anders? Erlebten wir in Band 16 eine Story, die sich zunächst allmählich, dann immer rasanter auf ein furioses Ende hin entfaltete, der Schlacht vor Trafalgar, lässt Pope hier von Anfang an Mörsergranate nach Mörsergranate explodieren. Ohne Vorgeplänkel wird der Leser nach wenigen Seiten in actionreiche Gewimmel gesogen. Das kannten wir von D. Pope noch nicht, wusste er ja bisher durch einen behutsamen, eher langsamen Storyaufbau zu überzeugen. Meistens beinhalten seine Bände vornehmlich 1-2 inhaltliche Höhepunkte. Hier nun ein unerwartetes Feuerwerk!


    Um was geht es? Nach Trafalgar segelt die Calypso (mal wieder) unter Admiralitätsorder im Mittelmeer. 2 französische 74er werden zur Fast-Havarie verleitet. Eine französische Fregatte wird im Hafen von Capraia bis zur Kapitulation beschossen, eine zweite Fregatte, die zur Hilfe eilen will, wird auf offener See gestellt und vernichtet. Bei Neapel stattet Ramage Bericht ab bei Admiral Rudd, einem einfältigen, primitiven und nörgelnden Stellvertreter der Gattung Admiral. Kein / kaum Lob für den Helden, dafür einen fiesen Auftrag: Vernichtung von Sarazenen, die an Siziliens Südküste marodieren. Ramage plant gewissenhaft, stellt den Sarazenen eine Falle und erledigt den Auftrag. Damit sind Admiral und König der beiden Sizilien so zufrieden, dass es einen weiteren fiesen Auftrag für Ramage gibt. Nun soll der Stützpunkt der Sarazenen in Nordafrika überfallen werden, um dort italienische Männer (Sklaven) und Freuen (Bordell) zu befreien. Dafür erhält Ramage erstmalig den Befehl über eine kleine Flotille: 2 Fregatten + 2 Sloops. Der Auftrag wird natürlich erfüllt. Und weil er es so gut kann – ein weiterer Auftrag wartet mit einer dicken Überraschung für Ramage und die Leser auf.


    Das Geheimnis der Erfolge von Ramage und seinem Vorbild Nelson sind im wesentlichen 3 Komponenten: Als Vorbereitung zur Erfüllung von Befehlen werden Pläne entwickelt. Die Pläne bleiben jedoch insofern 'offen', als dass immer Raum für persönliche Initiative bleibt und für unvorhersehbare Zufälle. Durch den Aufbau von persönlichen Bindungen der Offiziere zueinander und auch zum Befehlshaber, werden Befehle im gegenseitigen Vertrauen ausgeführt. Dieser Prozess wird durch gemeinsame 'Arbeitsessen' oder / und Lagebesprechungen erreicht. Hierbei entfaltet sich auch das individuelle Charisma des Anführers.
    Bei der Einschätzung der allgemeinen Logik zukünftiger Ereignisse kommt dem Überraschungsmoment eine besondere Rolle zu. Analysieren, was wahrscheinlich passieren wird und folgere daraus, was der allgemeinen Logik die überraschende Wende geben könnte. Plane diese Überraschung sorgfältig!


    In dem vorliegenden Bändchen finden wir ein einzigartiges Fregattenduell, Breitseite gegen Breitseite, das sich von S.77 – 113 erstreckt. Immerhin 36 Seiten lang. Das ist so großartig nachvollziehbar geschrieben, das ist super spannend und authentisch. Das Gefecht fordert einen hohen Blutzoll (bei Pope eher unüblich!). Man fühlt sich erinnert an das glorreiche Gefecht der Lydia gegen die Natividad, Erinnerungen in Technicolor, die sich auf der Netzhaut einbrannten. Die Jason wird versenkt, die La Tigre kapituliert. Wieder Ramage, der Fregattenkiller.
    Die Havarie der beiden 74er war hingegen ein überaus glücklicher Zufall. Es sah nachvollziehbar trostlos für die Calypso aus, hier war es nicht Tricky-Ramage, hier war es Ramage, der Glückliche – das ist dann auch gerne mal erwähnt.
    Die Häufung der Abenteuer, die Intensität der dargestellten Kämpfe, der hohe Blutzoll – all das sind Momente, die für die bisherigen Ramage-Abenteuer nicht typisch waren. Hier machen diese Momente den 18. Band zu einem Herausragendem.
    Und es gibt noch ein Momentum, das wir bisher nicht kannten von Ramage, das der reife Pope dem reifenden Ramage zugesteht: Erstmalig erleben wir, dass der Held Zweifel am Gelingen der Unternehmungen entwickelt (besonders morgens vor dem Aufstehen). Bisher erlebten wir nur ein etwas überlegenes, verschmitztes Lächeln und Grinsen beim Gelingen ausgewiefter Pläne.


    Fast schon selbstverständlich nimmt der Leser es hin, dass der Autor weiß, wovon er schreibt. Pope war ja tatsächlich auch Hochseesegler! Woher er aber weiß, dass bei schwerem Wetter die Galionsfiguren, die regelmäßig gepönt wurden, durch Schutzhüllen geschützt wurden, das ist wirklich beeindruckend oder fantasiebegabt. Dass Bordwände, salzverkrustet, die früher einmal rot und blau angemalt waren, nun von der 'Nagelkrankheit' heimgesucht wurden, ist fein formuliert. Gemeint sind natürlich die Roststreifen von den Nägeln an einer Bordwand.


    Und wenn Flaggen im Wind lustig auswehen, so als ob sie sich freuten, an Bord zu sein (S.92), dann können wir festhalten:


    Im Mittelmeer gibt es keine Wunder!
    Aber es gibt einen sehr gelungenen vorletzten Ramage-Roman, der die Leser begeistern kann, weniger mit Wundern, aber mit Überraschungen und einem furiosem Handlungsverlauf und einem reiferen Ramage mit Leidenschaft und Finesse! Bravo!



    1. Lord, türkische Ägäis, Mittelmeer



    'Ich sehe eine graue Gans auf eine Meile.'


    Diese wunderbare maritime Bestimmung der sich verflüchtigenden Dunkelheit in der Morgendämmerung oder gar einer Sichtweitenbestimmung mag uns abgewandelt für D. Popes 16. Roman um und über seinen Romanserienhelden Lord Nicolas Ramage leicht modifiziert als gute Einleitung dienen: Wir lesen einen sehr guten maritimen Roman auf 306 Seiten.
    Nach einem ermüdenden Schwächeanfall in Band Nr. 14 und einem Rekonvaleszent-Band 15 haben wir nun wieder die Ehre, einen fantastischen Pope zu lesen, dessen uns lieb gewordener Ramage wieder nachvollziehbar bis ins Detail brilliert.
    Sicherlich liegt es auch an einer meisterlichen Übersetzungsleistung von Uwe D. Minge, der in einigen kleinen Fußnoten wesentliche Erklärungen zur erweiterten Verständlichkeit beiträgt. (Später beglückte Minge mit eigenen Romanserien die Liebhaber maritimer Lektüren. In erster Linie aber hat er sich einen Namen als Übersetzer von mehr als 60 maritimen Büchern gemacht. Leider verstarb Minge im Jahr 2013.)


    Pope kehrt zurück zu den erfolgreichen und sicheren Wurzeln eines sehr spannenden und plausiblen und in allen Momenten klassischen Genre-Romans. (Wie schwer es ist, die Balance zu finden zwischen marinehistorischer Logik, Zufallswahrscheinlichkeit und absurder Fantastik beweisen leider auch einige misslungene Versuche anderer Genre-Autoren!).
    Was passiert? Nach der Befreiung wichtiger Persönlichkeiten aus Marine, Militär und Verwaltung und auch seiner Lady Sarah (Bd. 15) verbringt Ramage wenige entspannte Tage in seinen noch zahlreicher gewordenen Landgütern in England. Ein neuer Befehl kommt. Ramage wird zu der sich neu formierenden Flotte von Vizeadmiral Nelson abgeordnet. Nelson hat Ramage angefordert. Die Zeit drängt. Ramage mit Calypso und Crew ab durch den Medway und die Biscaya, und schon ist man vor Cadiz und erhält Späheraufgaben vor der Hafeneinfahrt, aus der die vereinigte Flotte von Spanien und Frankreich vielleicht das Auslaufen probieren wird. WARUM? Die span-franz. Flotte überwindet vielleicht die sie blockierende Flotte mit einem Sieg und läuft in den Ärmelkanal ein (Gefahr einer Invasion) ODER sie entschwindet der britischen Flotte in Richtung Mittelmeer und vernichtet einen britischen Geleitzug, der Nachschub nach Italien bringen soll. Ramages Sonderbefehl ist eine Spionage-Mission, was wohl tatsächlich passieren wird, indem er undercover einen hochrangigen Spion in Cadiz befragen soll. Dieses erledigt er im Handumdrehen (bewährtes Ramage-Muster). Dann erleben wir, dass die Calypso als Wachhund vor Cadiz alle Details des Ankeraufgehens und schwierigen Auslaufens der gegnerischen Flotte registriert und mit einem neuen Flaggen-Code übermittelt. Es kommt zu einem typischen Ramage-Intermezzo, weil ein franz. 74er die Calypso stellen will. Anschließend wird die berühmte Schlacht vor Trafalgar in vielen Facetten geschildert, und auch die Calypso macht unerlaubterweise mit. Das Ergebnis der Schlacht mit Verlierern und Gewinnern ist jedem historisch interessierten Menschen bekannt.


    Wir erleben in diesem Roman einen gelungenen Spannungsaufbau als permanenten Lesesog. Der Titel verrät, woraufhin es hinausläuft. Und gerade deshalb ist es als Aufgabe so schwierig und in dieser Umsetzung so fein gelungen, wie Pope seine Konstruktion aus aufeinanderfolgender kleiner Ereignissen und in ihrer ansteigenden Bedeutung verknüpft. Ein ruhiger Beginn und ein furioses Finale und dazwischen eine spannende Klimax. Das macht richtig Spaß zu lesen und lässt nicht zu, das Buch aus der Hand legen und wenn doch, dann bannt es die Gedanken.
    Diese einmalig berühmte Schlacht erleben wir aus zwei Perspektiven. Einerseits durchbrechen wir mit dem Helden unerlaubterweise im Heckstrudel eines 74er die Gefechtslinie und anderseits schildert uns der Erzähler die wesentlichen Geschehnisse des Schlachtverlaufs aus der Vogelperspektive. Wir erleben, welches Schlachtschiff sich mit welchem anderen Schiff kanoniert und versegelt. Das ist ein sich bewegendes Schlachtengemälde.
    Seit dem 2. Band (Die Trommel schlug zu Streite) haben sich Ramage und Nelson nicht wieder getroffen, aber über 14 Romane ausziseliert wussten Popes Leser, dass er seinen Helden quasi als Abbild eines der größten maritimen Helden, eben Nelson, sich entwickeln ließ. Nun kommt es zum erneuten Treffen der beiden und Nelson verwirklicht einen genialen Schlachtplan, dessen Gelingen er wohl nicht erleben konnte. Beide Helden verkörpern und realisieren das Prinzip der Überraschung und Pope lässt uns das Verhältnis der beiden Helden und deren Besonderheit aus der allwissenden Perspektive mitvollziehen:“Lord Nelsons Plan, die feindliche Linie an zwei Stellen zu durchbrechen und damit die Vorhut abzuschneiden, schien funktioniert zu haben. Es war das Überraschungsmoment gewesen, denn seine Lordschaft hatte das Unerwartete getan. Jetzt wollte Kapitän Ramage dieselbe Taktik anwenden. Das Ziel war zwar im Maßstab wesentlich verkleinert, aber das Prinzip blieb dennoch dasselbe“ (S.263). Plausibler lässt sich des Autors Intention und das Verhältnis der beiden Helden nicht knapper beschreiben. Ein faszinierender Lehrer und ein eifriger, non-konformer Schüler mit Tendenz, sich ebenfalls zu verwirklichen.


    Das uns vertraute und bekannte und funktionierende 'Gewürzregal' von Pope kommt endlich wieder voll zum Einsatz; lustige Vergleiche, die den Leser zum Schmunzeln bringen und ironisch-sarkastische Dialoge, die den Lesern das Lächeln ins Gesicht zaubern. „Die Stimme eines Baß und das Gehirn einer Pikkoloflöte“ (S.19). Southwick bindet dem Leutnant Hill einen Bären (Ochsen) auf, indem er plastisch ausmalt, dass die Calypso den einzigen Auftrag von Nelson erhalten würde, für Frischfleisch, Wasser und Holz (Nachschub) zu sorgen (S.121ff). Herrlich! Wunderbar auch die Dialoge der Eheleute Ramage zu Beginn der Erzählung (S.22f). Das ist geistreiches Erzählen, das richtig Spaß macht. Lehrreich erfahren wir auch noch etwas über die Notwendigkeit der Entstehung der Versicherung Lloyds vom Kaffeehaus zu einer bis heute einflussreichen Versicherung.


    Wir sehen eine graue Gans auf eine Meile, die uns unmissverständlich zuschnattert: Lies diesen tollen Roman, du wirst es D. Pope danken!


    @oeli Danke für das Lob und super, dass du auch gleich den 2. Band gekauft hast.
    Meine Rezension für den 2. Band ist auch schon seit letzter Woche fertig - den brauche ich für dich dann ja nicht mehr justieren. ^^
    Der 2. und 3. Band sind auch genauso gut wie der Opener!!! :ruder:
    Alle 3 Bände bilden auch dann eine Einheit, obwohl jeder einzelne Band für sich auch Sinn macht.

    Jack Sprat, der aß kein Fett


    1998 erschien bei Thomas Dunne Books in New York der Erstling des 77-jährigen Autors Wilder Perkins under dem Titel „Hoare and the Portsmouth atrocities“. 2002 erfolgte die deutsche Erstauflage „Das verschollene Schiff“ bei Goldmann/München in der ausgezeichneten Übersetzung von Matthias Jendis.
    Es handelt sich um einen Marine-Krimi, dessen Handlung am Vorabend der Seeschlacht von Trafalgar (1805) aufgeriggt ist. Obwohl der deutsche Titel 'Das verschollene Schiff' vielleicht suggeriert, dies sei ein marinehistorischer Neuling, so ist leider dieser Titel weitestgehend irreführend. Es sticht kein Schiff irgendeiner Navy in See; jedoch wird ein 74er vermisst. Das sind jedoch keine titelstiftende Motive, sondern nur kleine Details des gesamten Komplexes. (Hat hier der Lektor etwa nur die erste Seite gelesen?).
    Der Titel scheint ein Verkaufs- und Werbebluff zu sein. Ob er funktionierte, wohl eher nicht, wir lesen keinen Bestsellerroman.
    Dennoch hat die erzählte, fiktionale Story durchaus Qualität und wartet mit vielem Neuen auf. Ausgehend vom korrekt übersetzten Titel 'Hoare and the Portsmouth atrocities' kommen wir auf ganz andere Verknüpfungen: Hoare und die Gräueltaten / Abscheulichkeiten / Schreckenstaten von Portsmouth. Ja, das trifft dann den Inhalt des Romans deutlich und präzise. Zudem ist der sprachliche Ausdruck in jedem Fall besonders – besonders markig an verschiedenen Stellen.
    Im Folgenden sollen wesentliche Aspekte in den Fokus rücken: Der Held, die Story, der Erzählstil in Kombination mit dem speziellen sprachlichen Ausdruck und allgemeine Besonderheiten.
    Der Held heißt Bartholomew Hoare und ist Leutnant der Royal Navy. Über zwei Dinge machen sich nur Menschen lustig, die Hoare (noch) nicht kennen. Über seinen komischen Nachnamen und seine Sprechbehinderung. Sein Nachname (auch fälschlich ausgesprochen 'Whore') ist vermutlich deshalb vom Autor so ungewöhnlich ausgewählt worden, weil es eine inhaltliche Entsprechung andeutet: Das Hoare-Kalkül wurde 1969 veröffentlicht und ist ein formales System, das die Korrektheit von Programmen nachweist, indem es eine Menge von logischen Regeln liefert, die die Programme verifizieren. Für einen Sonderbeauftragten des Hafenadmirals von Portsmouth sind diese Eigenschaften als Ermittler tatsächlich Programm. Hoares Sprechbehinderung besteht darin, dass er nur kurzzeitig im Flüsterton sprechen kann, da ihm in dem Seegefecht Schlacht des glorreichen 1. Juli der Kehlkopf durch eine Musketenkugel verletzt wurde. Diese Behinderung des Laut-Sprechens verhagelte Hoare bisher eine typische Marinekarriere mit der Beförderung zum Kapitänleutnant. Dieses ungestillte Bedürfnis ist Motor aller Handlungen des Helden. Leitmotivisch sprießt bei allen kleinen Erfolgen auf, dass sie vielleicht doch zu einer Beförderung führen könnten.
    Wir begegnen hier einen völlig neuen Typ marineaffinen Held. Er kann nur leise oder mit Schiefertafeln (schreibend) oder mit Trillerpfeife oder fingerpfeifend kommunizieren. Er ist also behindert, ein 'flüsterndes Frettchen'. Er ist präzise und genau beim Lösen von Gordischen Knoten oder Wuhlings. Er ist 43 Jahre alt und ein Topp-Seemann. Er ist ein Waffennarr und erfolgreicher Duellant (Einem arroganten und pomadigen 'Hummer' schießt er durch die Pobacke!). Er ist nervenstark und mit seinem besonderen Schiff Regattasieger. Außerdem hat er die Lizenz zum Töten im 19. Jahrhundert in England. Ein bisschen Robin Hood, ganz viel Sherlock Holmes gemendelt mit 007. Besonders erfolgreich ist er aber vermutlich , weil „Er fühlte sich wie ein Webermeister, der versucht, die missglückte Arbeit eines Lehrlings aufzudröseln. Irgendwo in diesem Fall musste ein roter Faden zu finden sein – oder ein wiederholt auftretender Knoten“ (S.169). „Seine Gedanken wanden und krümmten sich hin und her wie ein Haufen ineinander verschlungener Regenwürmer, doch sie führten zu nichts“ (S.168). Hoare segelt eine getunte / aufgemotzte Pinasse mit einem Schafschenkel-Großsegel, dessen Fußliek er vom Halse bis zum Schothorn an eine Spiere gelascht hat und dessen Topp so hoch hinaus reicht wie ihre Maststenge, sowie einem Gaffel-Vorstagsegel. Außerdem hat die Pinasse ein bleibeschwertes Kielschwert. Wirklich außergewöhnlich ist jedoch, dass dieses 'Rennschwein' 5-X unterschiedliche Namen tragen kann, die der Skipper nach Gutdünken am Heck befestigt. Wie beim sprechenden Namen 'Hoare' finden wir auch hier wieder Bezüge zur Story bzw. zu Eigenschaften des Helden. Unimagible– Unvorstellbar / Undankbar / Unüberschaubar; Inconceirable– Undenkbar / Unvorstellbar / Unfassbar; Unspeakable– Unsäglich, Unaussprechbar (Sprechbehinderung – sic!), Unbeschreiblich.
    Die Story will nur angedeutet sein, die Lust, das Buch zu lesen, soll angeregt werden, unbedingt. Hier dann eine Skizzierung: Ein Krimi im Marine-Milieu. Kriegsschiffe explodieren, merkwürdige Fässer mit Zahnrädern und mechanischen Elementen werden angespült, eine Arztgattin schießt mit einer Zwille einen Mordbruder nieder, ein rollstuhlfahrender Arzt ist zugleich Erfinder, ein Ermittler ist gewieft und charmant und bereit zu töten. Wenigstens 4 Morde und verschiedene Motive und eine Lösung. Es gibt sogar ein HappyEnd und einen Heiratsantrag (amerikanischer Autor ;-). Mehr wird nicht verraten. Klasse Krimi – Story – Milieutreue.
    Zum Erzählstil und zum sprachlichen Ausdruck: Wir finden ausschließlich auktoriales und personales Erzählen vor. Ein allwissender Erzähler geleitet uns, die Figuren sprechen und beides baut die Struktur und Spannung auf. Abrupte Ereignisse sind oft nicht angekündigt und überfallen die Leser und Figuren. Plötzlich wird der Held aus dem Off niedergeschlagen oder aus dem Nichts explodiert eine Fregatte. Das sind unerwartete erzählerische Tsunamis. So plötzlich hereinbrechend, ohne Vorwarnung. Die Sprache der Figuren ist rotzig-frech, respektlos, ironisierend, höhnisch oder slang-verhaftet (Rotwelsch). Das sind frische, witzige Dialoge und machmal unfassbare Vergleiche. Mehr als Schmunzeln ist möglich. Eine Kostprobe: „Katharina Hay war eine üppige, blonde Holländerin. Wie sie in ihrem geschmackvollen Trauerflor vor ihm stand, erinnerte ihn ihre vollen Rundungen an die Linien der Oranienbloom, des Zweideckers, vor dem er einst Hals über Kopf die Flucht ergriffen hatte“ (S.139). Nach der Explosion einer Fregatte im Hafenbecken befindet sich der Held in unmittelbarer Nähe der herabfallenden Reste des Schiffes und der Besatzung: „Er langte hinab in die von Trümmern übersäte See und ergriff eine herausragende Hand. Die Hand hing an einem Arm, der Arm an gar nichts. Er ließ den Arm fallen“ (S.151). Frische Formulierungen, lustige Übertreibungen und bizarre Kommentare auch zur Darstellung der Royal Navy und der britischen Gesellschaft um 1805. Ehebrüche, bekannte und gedeckelte und teerverschmierte Karriereleitern. Und wir lernen eine junge Frau kennen, die Jane Austen heißt. Die wollten doch viele Männer schon immer einmal kennenlernen, oder?!
    'Jack Sprat, der aß kein Fett' ist die erste Zeile eines alten bekannten englischen Kinderreimes. In der Geschichte des Romans kann der böse französische Verschwörer und Spion diesen Kinderreim nicht fortsetzen und macht sich dadurch dem ermittelnden Marinekommissar verdächtig. Hier die deutsche Übersetzung des Kinderreimes:


    Jack Sprat
    Jack Sprat, der aß kein Fett.
    Seine Frau nichts Mageres,
    so dass sie hin und hergerissen,
    den Teller sauber leckten.


    Hier braucht kein Teller sauber geleckt werden – hier darf ein sehr feines Buch genussvoll gelesen werden. Es schmeckt gut! Genießt es!



    https://www.amazon.de/Das-vers…s=Das+verschollene+Schiff

    Eine Reifeprüfung


    Mit Verwunderung und Kritik mussten die treuen Ramage-Leser im bisher letztem Band (Bd.14, Ramage unter Anklage) miterleben, dass der ja sehr einfühlsame und dennoch so coole Held einen abgekateten, hahnebüchenen Prozess unbeschädigt übersteht, weil die Schwester seines besten Freundes temperamentvollen Widerstand leistet. Der Autor mutete seinen Lesern zu, nachzuvollziehen, dass sein Held der Trauerarbeit um seine junge, wunder-schöne Frau, Lady Sarah, unfähig zu sein scheint. Noch kritischer und unmöglicher einzuschätzen wäre es gewesen, hätte das zarte Werben von WunderWunderSchön Alexis Yorke Erfolg gehabt hätte. Insgesamt wusste der 14. Band nur allzu treuen Fans zu gefallen.


    Im 15. Band, Ramages großer Coup, Ramages Challengeim Original, muss sich der Held einer neuen Herausforderung stellen, die zunächst nicht nach einer Herausforderung aussieht. Denn er soll wie schon in seinem 1. Abenteuer (Leutnant Ramage) Geiseln aus dem Gewahrsam französischer Gefangenschaft retten und befreien und zwar an einer Küste, die ihm wohlvertraut ist, der italienischen Toscana.
    Die Story lässt sich relativ kurz zusammenfassen: Mit der Calypso und dem bekannten Personal hinein ins Mittelmeer, Geheimbefehle lesen, an die toskanische Küste, Fußmarsch nach Pitigliano, keine Geiseln dort, Rückmarsch, Combinatore!, aber im Santo Stefano sind die Geiseln auch nicht. Combinatore! Äh – vielleicht ein festes Castello auf Giglia? Jaaaa. Mit seinem x-ten Kostümierungs-Trick befreit Ramage Geiseln: 3 Admiräle, höfliche und kauzige, Earls und einen dummen General. Die Gruppe der Frauen und weiteren Gefangenen fehlt und muss daher woanders aufgespürt werden. Das klappt natürlich auch mit einer finalen Überraschung...


    Wir können diesen Roman von 351 Seiten lesen unter der Fragestellung: Sind die Frauen, die Ramage liebte oder liebt, tot? Auf diese Frage lässt sich ein großer Teil der Story reduzieren. Der Autor beantwortet diese Fragen.
    Der Auftrag in der Toskana wiederholt leider 2 Komponenten aus Bd. 1.
    Dem Leser sind die Beschreibungen der Natur (Olivenhaine, Beifuß und Wacholdersträucher, ein schreiender Ziegenmelker (Vogel)) u.a. schon recht vertraut, Vorstellungen werden aufgefrischt, Langeweile durch Wiederholungen möglich. Der Auftrag ist ebenfalls keine neue Aufgabe, aber Befreiungen an sich beinhalten auch immer ein Momentum der Spannung. Auch die Maskerade als Methode ist den treuen Lesern hinlänglich bekannt. Bis auf Leutnant Hill aus Bd. 14 sind die Hauptakteure ebenfalls bekannt. Würze bringen ein paar skurile Nebendarsteller (Bauern, General, Admiral).
    So viel Bekanntes und so wenig Neues? Ja – schon – aber!
    Pope gelingt es endlich wieder in dieser Fortsetzung in einen luftig-ironischen Erzählstil zu gelangen. Auch die Handlungsabfolgen sind wahrscheinlich und nachvollziehbar konstruiert.
    Dann lohnt sich immer ein genauer Blick auf das, was Pope dem Leser an Neuem anbietet.
    Zum Beispiel eine Darstellung der gefährlichen 4 Winde im Mittelmeer aus den entsprechenden Windrichtungen samt ihrer Besonderheiten (Mistral, Levanter, Shirocco, Tramontana, Caruse, Ponet, Labe, S. 35) Auch die Erklärungen um den Begriff / die Gegebenheiten des RUBICON sind absolut wissens- und lesenswert (S. 59/60).
    Und immerhin schreibt hier eine fast echte Teerjacke. Nach seinen persön-lichen Erfahrungen bei der Royal Navy im WWII entsteht seine marinehistorische Reihe um diesen Ramage auf Segeltörns auf seiner Yacht 'Ramage' im Mittelmeer und in der Karibik. Wie angenehm ist es, dass hier der Autor Pope versteht, wovon er schreibt., liebt, woran er seine Leser teilhaben lässt; dies verdeutlichen die folgenden Zeilen: „Wenn, man gegen einen starken Westwind den Kanal hinunter kreuzt, die Gischt auf eine einpeitscht, als schütte jemand Eimer eiskalten Wassers mit aller Kraft überall dorthin, wo man ungeschützt ist (den Nacken, die Lücke im Ölzeug, wo der Knopf verloren ging), sich die Nässe sammelt und die gräßliche Kälte einem das Rückgrat hinunter kriecht, der Himmel nur eine turbulente graue Masse ist, die mit den Regenschauern verschmilzt, die Marssegel zweimal gerefft sind und das Wasser durch die Decksnähte auf Hängematten, Seesäcke und die letzten trockenen Kleider tropft, dann denkt man sehnsuchtsvoll an das Mittelmeer.“
    Unbedingt anzumerken ist weiterhin, dass der Erzähler Pope in diesem Roman wieder zurückkehrt zu dem schon gezeigten schriftstellerischem Können.
    Wunderbar möchte man meinen, wenn in Betracht gezogen wird, dass es einigen Kollegen eben nicht gelingen konnte, nach dem ca. 12. Roman noch substantielle Sequels zu schreiben. Als Beleg für diese Wiederkehr zu alten Tugenden ist die Szene zu würdigen, in der sich ein stetig zusammenbrauender Scirocco mit einem erzwungenen Ankeraufgehen, denn es nähert sich eine geschwind heraneilende französische Fregatte, deren Verfolgungsjagd mit abnehmender oder gleichbleibender Entfernung zur Calypso, verquickt wird. Den formalen Rahmen hierzu und quasi als Konterkarikatur angelegt, fungieren einzelne Verse eines Lieblingsshantys beim Einholen des Ankers an den Spaken des Spillkopfes bis die Dramatik ihrem Höhepunkt entgegeneilt.


    „The storm winds did blow,
    an the raging seas did roar...“



    In 6 Minuten zeigt das ERSTE die ersten Staffeln der Gereon Raht (Volker Kutscher) Reihe.
    BABYLON BERLIN. Überalle nur Lob dafür.
    Ich bin am Start.
    Noch 5 Minuten.
    Viel Spaß!

    Mäßige Lösungen


    Ramage unter Anklage, so lautet der deutsche Titel in der Übersetzung von Eckhard Kiehl des 14. Abenteuers von Lord Ramage durch die Brille von Dudley Pope.
    Pope hat wohl in diesem Bändchen seine Brille nicht gut genug gereinigt, eine vielleicht zu sehr getönte auf oder es stimmt schlichtweg seine Sehstärke nicht mehr wirklich. Spider-App? Hier ist ihm wenig auf 416 Seiten gelungen, aber dennoch soll eine nachfolgende kritische Einschätzung fair begründet werden.


    Ramage und sein bekanntes Bordpersonal laufen mit 2 Fregatten als Prisen und den geretteten französischen Royalisten (Graf von Rennes) in die Carlisle Bay auf Barbados ein. Dort erwartet sie ein Admiral und eine Nachricht aus der Heimat. Ramages Frau Lady Sarah ist mit der Murex nicht in England eingetroffen und daher vermisst. Das ist nicht gut und noch weniger gut ist, dass alle drei Fregatten nun als Geleitschutz eines großen Konvois nach England kriechen müssen, das die Handelsschiffe nur langsam können, weil sie eine 'Rinderherde' sind. Obwohl Ramage unter der Order der Admiralität segelt, muss er den Geleitschutz anführen und kann nicht zurückeilen, um den Verbleib seiner Frau zu klären.
    Auf der langsamen Tour über den Atlantik kommt es zu einem seltsamen Zwischenfall. Die britische Fregatte Jason verpasst der Calypso eine Breitseite, die nicht trifft und rasiert ihr fast den Klüverbaum weg. Ramage entert die Jason ohne Gegenwehr und trifft auf eine paralysierte Crew und einen sonderbaren Kapitän. Wagstaffe verbleibt auf der Jason und segelt sie dann zurück nach Plymouth. Sidney Yorke und seine sensationell schöne Schwester Alexis sind mit von der Partie auf dem besten Konvoischiff. Sogleich ist die Schwester voll auf verknalltem Ramage-Kurs.
    Zurück in England wird Ramage sofort von dem merkwürdigen Kapitän der Jason, Shirley, und einem Kriegsgericht unter der Leitung von Ramages altem Widersacher Admiral Goddard angeklagt. Angeklagt aufgrund vieler Verstöße gegen verschiedene Kriegsartikel beginnt ein Schauprozess, bei dem alle Möglichkeiten der argumentativen Verteidigung vom Gericht nicht zugelassen werden. Lady Alexis rettet dann mit Temperament und einer heldenhaften Idee den Helden Ramage.


    Was ist gelungen?
    Pope knüpft nahtlos an das letzte Abenteuer an.
    Ein unglaublich taktloser Admiral auf Barbados stürzt während des ersten Gesprächs mit Ramage von einem Fauxpas in den nächsten – das ist großartig lustig.
    'Eine Kreuzfahrt machen' ist ein Euphemismus für 'Jagd auf Prisen'.
    Alle freuen sich über eine Trommel.
    Und wirklich herausragend sind in diesem Bändchen die wirklich kreativen, meistens superkomischen Vergleiche, wenn Pope den Lesern etwas erklärt.
    Folgendes Zitat soll dies belegen: „Goddard fiel fast die Kinnlade herunter. Er starrte Shirley mit dem gleichen Ausdrucke von Ungläubigkeit an, wie ein Mann sein bislang liebendes Weib ansehen würde, die beiläufig am Frühstückstisch erwähnte, daß sie ihn montags immer mit Dr. John Moore, dem Erzbischof von Canterbury, an Donnerstagen jedoch mit Dr. John Douglas, dem Lord Bischof von Salisbury, betröge und ihm zur Erklärung sagte, sie könne Prälaten mit dem Vornahmen John einfach nicht widerstehen, daß jedoch die Bischöfe von Hereford, Chichester und Oxford – die auch alle den Vornamen John trügen – ihre Avancen bisher zurückgewiesen hätten.“ (S. 322).
    Das war es denn auch schon!


    Was ist wenig gelungen?
    Die Story ist überzogen konstruiert. Wieder eine wunderschöne Lady weg (Sarah) – kommt eben die nächste (Alexis)! Die Ladies lieben sofort den Helden, wie auch anders? Eine paralysierte Crew, ein verrückter Kapitän, OK, aber weil es eine Befehlskette gibt und Kriegsartikel, ist jeder Handlungsverlauf möglich? Mit Verlaub – nein. Ein verrückter Kapitän und eine eingeschüchterte Mannschaft und ein fremder Leutnant auf der Jason – und man segelt nur eben über den Atlantik und bleibt völlig ahnungslos, was denn wohl so los ist??? Das soll spannend sein, aber wirkt doch über viele Seiten eher an den Haaren herbeigezogen. Das ist nicht mehr verträglich und nachvollziehbar. Dann ein Prozess mit dem verrücktem Kapitän und dem rachedürstenden Goddard. Das ist einfach sehr plump dargestellt. Und natürlich rettet die Schöne den Helden durch einen tollen Auftritt vor Gericht und eine tapfere Aktion. Das ist platt und nahe an trivialen Stories vergleichbar den Geschichtchen billiger Groschenromane.
    Wie kommt es zu dieser plötzlichen erzählerischen Sterilität bei D. Pope? Das liegt möglicherweise daran, dass Pope sich in kleinkarierter Vorarbeit und Recherche verschiedene zeitgenössische Schriften aufgetrieben hat. Als Beispiel zitiert er absatzweise aus den Signalen und Instruktionen für Konvoifahrten. Die Kriegsartikel werden haarklein zitiert.Und noch unnötiger sind die Passagen aus den Hafenregeln in Plymouth.Das ist sehr statisch, langweilig und eben nicht erkenntnisgewinnend, dies stört eine dynamische überraschende Handlungsgestaltung. Das nervt.


    Ein Fazit: Leider nur eine mäßige kleine Story, die schnell weggelesen nicht verdient, dann weiter beachtet und bedacht zu werden. Verzeihen wir dem Autor und seinem Helden diese mäßige Erzählung und freuen uns auf den nächsten Band, der alle Beteiligten, Autor, Figuren und Leserschaft wieder versöhnt mit einem vielleicht schwungvollerem Abenteuer.