Elbzollfregatte im Einsatz gegen die Rebellen 2
Was bisher geschah:
Wir schreiben das Jahr 1776. Der Aufstand der amerikanischen Kolonisten gegen ihren König, Georg III, ist nun schon im 2. Jahr. Die Rebellen benötigen dringend Nachschub an aller erdenklicher militärischer Ausrüstung, wollen sie gegen die Soldaten des Königs bestehen. In den amerikanischen Kolonien ist die Wirtschaft jedoch noch nicht in der Lage, die für einen Krieg erforderlichen Mengen zu produzieren. So in der Enge, schicken die Rebellen Schiffe nach Europa um überall wo möglich, Nachschubgüter für ihre Armee zu erwerben. Das wieder rum versucht die britische und damit, aufgrund der Personalunion, auch die Kurfürstlich Braunschweig-Lüneburgische Administrstion, zu verhindern.
Zwei Schiffe aus Boston konnten durch entsprechende Einflussnahme an die Kette gelegt werden. Doch das wird nicht auf Dauer so weitergehen. Daher ist ein Plan entwickelt worden, die Überfahrt der Schiffe in die Kolonien unter Einsatz der Elbzollfregatte sowie artilleristischer Unterstützung von der schwinger Schanze aus, zu verhindern. Die Besatzung der Elbzollfregatte bereitet sich schon mal auf das bevorstehende entern vor.
Artilleristischer Unterstützung von Land aus war der Schlüssel im Plan zum Aufbringen der Rebellenschiffe. Waren die Schiffe doch als ungewöhnlich schnelle Segler (die schnellsten Segler, die jemals gesehen wurden) bekannt, während die seinerzeitige Elbzollfregatte, noch nicht die Brig Piercer sondern ein wesentlich langsameres und schlechter bewaffnetes Schiff (lediglich 4- und 2-Pfünder) war. Ein artilleristischer Sperrgürtel über die Elbe war also notwendig, um die Schiffe zunächst zum Anhalten zu zwingen und sie dann durch die von der Elbzollfregatte herangebrachten Mannschaften entern zu lassen.
Wie @Richard Howe schon angedeutet hat, ist zwischenzeitig noch ein drittes Schiff zu den beiden Schiffen aus Philadelphia gestossen.
Die Regierung in Stade hat beschlossen, auf der Insel Behrmannssand, "an deren Ufer das Fahrwasser der Elbe nahe vorbey gehet" eine Batterie aufwerfen zu lassen, von der aus die Rebellen-Schiffe gegebenenfalls beschossen werden können. Alles ist geplant und unter den verantwortlichen Stellen in Stade und Hannover abgestimmt, die Umsetzung befohlen. Da trifft aus Stade die Meldung des zuständigen Obristleutnants Cuno Josua Brückmann ein, er könne "mit keinem einzigen Stücke für die aufzuwerfende Batterie dienen." Er verfüge im Zeughaus nur über sechs 24-Pfünder, diesen fehlten die Protzen so dass sie nicht "transportirfähig" seien. Protze=einachsige Konstruktion, hinter die ein Geschütz zum Transport gehängt wird. Häufig mit Sitzen für Kutscher und Bedienpersonal sowie Einrichtungen zum Mitführen eines geringen Munitionsvorrates versehen.
Wie OTL Beckmann weiter einräumen muss, sind auch "unter sämtlichen Kanonen womit der hiesige Wall besetzt ist, keine vorhanden, die ohne zusammenzufallen, von der Stelle bewegt werden dürfte, und können nur mit genauer Not zu dem gewöhnlichen Signalschiessen bei bestehenden Fluten gebraucht werden". (Carl Spitzwegs strickender Wachtposten, 1855 steht einem da doch sofort vor Augen) Möglicherweise könnte jemand aus dem Bereich Erwachsenenbildung hier bitte einen Link einfügen.
Inzwischen trifft am 01. Oktober 1776 der Befehl aus dem St. James-Palast ein:
"unseren General-Lietnant von Bock und Schiffskapitaine Hüge ersuche ich, sich doch der amerikanischen Schiffe in der Gegend der Schwinger Schanze zu bemächtigen. Der Magistrat (der Stadt Hamburg) hat zwar besagte Schiffe anhalten lassen. Uns ist aber zu Ohren gekommen, sie sollen wieder frei gelassen werden. Deshalb soll das Nötige in Bereitschaft gehalten werden, um zu verhindern, dass die Schiffe die See wieder erreichen."
Die Geheimen Räte zu Hannover sind blamiert. Die Rebellen-Schiffe entkommen die Elbe hinunter in die Nordsee.
Gegenüber London mussten sie den Fehlschlag mit Meldung vom 19.Oktober 1776 einräumen.
Damals wie heute galt es nun, einen Schuldigen zu finden. Man fand ihn im OTL der Artillerie Brückmann. Hatte der doch bei der letzten Bestandsaufnahme (Paragraf 78 BHO ganz alter Fassung) des Zeughauses angegeben: "dass zwar einige Stücke hinfällig und schadhaft seien, aber sonst vollkommen brauchbar und mobil. Sowie der Artilleriepark auf den Wällen, wenn auch durch die Witterung sehr exponiret."
Leider wissen wir nicht, was aus dem armen Brückmann und seiner "unwahren dienstlichen Meldung" geworden ist. Da der Vorfall aber nun schon in London bekannt geworden war, dürfte er nicht mit allzu grossem Verständnis zu rechnen gehabt haben.
Aber dies war nur eine kleine Etappe im Unabhängigkeitskrieg und so dauerte es nicht lange, bis Kapitän Hüge das nächste Mal gefordert wurde.
1777, geheimnisvolle Aufkäufer treten nicht nur in Hamburg und dem seinerzeit dänischen Altona, sondern auch in den Bergstädten des Harzes auf, wo sie "ansehnliche Quantitäten Bley zum Kugelgiessen" aufkauften. In den kursächsischen, braunschweigischen und sogar hannoverschen Landen tauchen sie auf, um " Sättel, Patronentaschen, Striegel, Pferdegeschirre und dergleichen in grossen Mengen zu jedem Preis zu erwerben." So ein Geheimbericht vom 20. Juli 1777 an die Geheimen Räte in Hannover.
Schnell sind auch die Schlüsselfiguren dieses Treibens ausgemacht. Zwei Brüder, Lederfabrikannten, einer in Glückstadt, der andere in Altona. Obwohl "sonst sehr unbedeutende Leute, itzo strotzen sie immer mit barem Geld und müssen höheren Ortes her einen Fond haben. In allen kleinen Orten in Holstein, wie Elmshorn und Itzehoe (damals dänisch) seien die Handwerker in voller Arbeit".
Feldmarschall August Friedrich von Spörken in Hannover (kommandierender General sämtlicher deutschen Truppen seiner königlichen Majestät von Grossbritanien und kurfürstlichen Durchlaucht zu Braunschweig und Lüneburg) ist besorgt. Er erteilt dem englischen Minister in Hamburg Emanuel Matthias (in anderen Quellen wohl richtiger als Ministerresident beschrieben, wie hätte von Spörken diesen sonst anweisen können) und dem Legationsrat und Minister in Haag, Wilhelm Bütemeister, Weisung, darauf zu achten, dass die auslaufenden Schiffe keine Conterbande führen. Gleiches ergeht an die Ständer Regierung, die ihrerseits den Kapitän der Elbzollfregatte entsprechend anweist, alle auslaufenden Schiffe auf das strengste zu visitieren.
Gleichzeitig häufen sich die Nachrichten über seltsame Aufläufe, auch Der Behandlungs-Commissarius Johan Joachim Richard meldet dass "viele grobe westfälische Leinwand für Soldatenhemden durch die Handelsleute van der Smissen und Söhne in Altona nach Kopenhagen verfrachtet seyen". Durch weitere Hinweise wird bekannt, "dass viele Fässer, Kisten und Packen mit dem Absender darauf: Johann Gottfried Kettner, königlich dänischer privilegierter Lederfabricant in Glückstadt, und dem geheimnisvollen Zeichen AC auf jedem Stück, bei dem Factor Georg Ludwig Schmidt in Lüneburg lagere. Ein Schiffer namens Rehbeck solle diese Güter demnächst nach Altona, also ins Ausland, bringen.
Auf entsprechenden Befehl lässt der Stadtkommandant von Lüneburg die schon verladenen Güter zurück in die Faktorei bringen, wo auch gleich eine Kiste geöffnet wird. Man fand darin "20 ganz neue Cavalleri-Sättel auf englische Art" angefertigt nach einer von Kettner an einen Sattler Wollbring in der Leinestrasse in Hannover übersandten Zeichnung. Das war genug belastendes Material.
Alle 29 Kisten wurden beschlagnahmt und mit Arrest belegt.
Angriff ist die beste Verteidigung dachte sich wohl Fabrikant Kettner, der Eigentümehr der Kisten. Er eilte, natürlich zusammen mit einem "Advocaten" nach Lüneburg, um gegen den Arrest zu protestieren. Er sei kein "Schmuggler". Das "AC" auf den Gütern bedeute "Asiatische Compagnie". Diese habe durch den Präsidenten der Dänisch-Ostindischen Kompagnie, Herrn Conferenzrat Fabritius in Copenhagen, 1000 Sättel, das Stück zu 13 Reichstalern, geordert.
Daraufhin hob die hannoversche Regierung den Arrest wieder auf.
Kettner seinerseits präsentiert dem Lüneburger Bürgermeister jetzt eine Rechnung über 1.400 Talern Schadenersatz für den verhängten Arrest. Die besonders feine Aufschlüsselung der einzelnen Positionen erspare ich mir. Jedenfalls schließt Kettner seine Forderung mit der Drohung sich, im Falle nicht fristgerechter Zahlung, bei den Dänischen König zu beschweren. Was er nach Ablauf der Zahlungsfrist auch prompt tut.
Die Stader Regierung, über den Misserfolg der Aktion verärgert, überreicht "In Sachen Kettner" der Königlich Dänischen Regierung in Glückstadt eine Note, in der es heisst:
"Es bleibt der Verdacht bestehen, dass es offenkundig ist, dass die gemeldete Asiatische Compagnie, in deren Namen die Bestellung geschehen, keine Cavallerie Regimenter auf den Beinen hätte, zu deren Montierung auf englische Art gemachte Sattel hätten gebraucht werden können. Es mag also das Faktum der Bestellung entweder auf dem Fuss eines Handelns mit Conterbande, oder auf dem Fuss eines Handelns auf Spekulation betrachtet werden. So ergibt sich, dass der Fabrikant Kettner allein gegen seine Mandantes eine Entschädigung wegen des Durch den Arrest entstandenen Lieferverzüber haben könne. Er hat Ursach zufrieden zu sein, dass der Arrest von keiner längeren Dauer gewesen ist. Und wir machen uns die angenehme Hoffnung, die Königlich Dänische Regierung in Glückstadt werde nach ihrer Erleuchtung und Gemütsbilligkeit den Vorfall ebenso betrachten".
Insgesamt ein irgendwie vertraut wirkendes Vorgehen aller Beteiligten. Die Verhaltensregeln bei solche Transaktionen scheinen sich in den letzten 241 Jahren nicht geändert zu haben.