Richard Bolitho - Band 14 - Der Stolz der Flotte


  • Da ich gerade wieder so richtig im Schwung war, habe ich mir gleich mal das Buch vorgenommen, das schon länger auf meinem Schreibtisch lag, mich aber ziemlich deprimierte.
    Das lag am Beginn der Handlung, in der Bolitho mit seinem sterbenden Admiral nach England zurückkehrt. Die Große Meuterei ist gerade erst zu Ende gegangen und nun meutert das Nore Geschwader.
    Auch in der Nähe von Falmouth meutert eine Korvette und Bolitho, der ihre Forderungen versteht, überredet die Meuterer unter gewissen Zusagen zur Aufgabe.
    Sein neuer Admiral fühlt sich nicht daran gebunden und lässt ein Exempel statuieren.


    Nach diesem eher schlechten Anfang für Bolitho und seinen neuen Chef bricht das Geschwader ins Mittelmeer auf, das zu diesem Zeitpunkt völlig verlassen von der Royal Navy ist.
    Zeitlich befinden wir uns zwischen der Schlacht von St. Vincent und Nelsons Abenteuer auf Teneriffa.
    In Gibraltar kommt ein geheimnisvoller Mann an Bord, der in London großen Einfluss und an der Berberküste gute Beziehungen hat. Mit seiner Hilfe soll ein nordafrikanischer Hafen erobert
    und von der Royal Navy als Stützpunkt genutzt werden, bis sich etwas besseres findet. Doch letztendlich ist nichts so, wie es scheint und ihr Berater verfolgt ganz eigene Interessen.
    Der Hafen befindet sich in spanischer Hand und ist alles andere als geeignet. Zudem handelt es sich um einen ehemaligen Umschlagplatz für den Sklavenhandel.
    Das ist eine grobe Zusammenfassung der Ausgangslage, ohne zu viel zu spoilern.


    Wie hat mir das Buch gefallen? Ganz ehrlich, ich bin ziemlich unentschieden. Der Plot an sich ist, so wie ihn Kent angelegt hat, vollkommen an den Haaren herbeigezogen und das ist ärgerlich.
    Schon ein kurzer Blick in einen Schulatlas dürfte Kent verraten haben, dass es keinen blöderen Umschlagplatz für Sklaven geben könnte. Der Hafen liegt an einer einsamen Küste ohne Hinterland.
    Um Sklaven dorthin zu bekommen, muss man sie zuvor hunderte, wenn nicht sogar über tausend Kilometer durch die Sahara bringen. Sind sie dann erstmal an Bord der Sklavenschiffe, unternehmen diese
    einen Spießrutenlauf entlang der nordafrikanischen Küste, wo jeder Hafen ein potentielles Piratennest war. Das ist vollkommen idiotisch und der gewiefte englische Geschäftsmann muss doch wirklich
    mit dem Klammerbeutel gepudert sein, solch einen Plan zu verfolgen. Und natürlich interessieren sich auch die Franzosen für den Hafen, obwohl ihr Agent bereits vor Ort war. Was die dort wollen ist nicht nachvollziehbar.


    Dann gibt es im Rahmen der Handlung einen Überfall auf einen kleinen Hafen. Er wird mit einem Mörserschiff ausgeführt. Der Hafen befindet sich in einer kleinen Bucht. Vom Mast aus kann man die Masten der
    Schebecken im Hafen sehen. Die Mörser werden für eine einzige Salve eingesetzt, um die Schebecken aus dem Hafen zu locken. Mehr ist angeblich nicht möglich, weil sich ja kein Artilleriebeobachter an Land befindet.
    Stattdessen gibt es dann vor dem Hafen ein Gefecht zwischen rund 20 Schebecken und den paar Karronaden des Mörserschiffs. Bei aller Liebe. Wie kann man sich solch einen Unsinn ausdenken und dann noch behaupten,
    das Mörserschiff gewinnt? Hier hatte ich den Eindruck, dass Kent Schebecken doch eher für kleine Galeeren hält.


    Doch es gibt auch positive Seiten, die ich dem Buch abgewinnen kann. Das Verhältnis zwischen Bolitho und seinem Admiral ist nämlich recht spannend beschrieben. Das liegt nicht am unfehlbaren Saint Richard, sondern am Admiral.
    Der ist zwar von Grundsatz her unfähig und böse, wie ein Admiral bei Kent halt zu sein hat, doch er ist nicht eindimensional beschrieben. Er kann nett sein und er kann ein Arsch sein. Und er ist aufgrund seiner Stellung
    natürlich noch stärker isoliert als ein Kapitän, was auch ein Problem ist. Diese wandelnden Facetten seiner Persönlichkeit sind wirklich gut beschrieben, so dass man ihn stellenweise sogar recht nett finden kann.


    Alles in allem kann man das Buch ganz gut weglesen, wenn man nicht all zu viel Wert auf einen guten Plot und gute Recherche legt. Schade, dass ich Alexander Kent nicht mehr mitteilen kann, dass die Schlacht von Kap St. Vincent (jedenfalls die berühmte mit Nelson und Collingwood) ohne französische Beteiligung stattfand. Ich möchte fast wetten, ein kurzer Blick in ein englisches Geschichtsbuch hätte ihm das auch verraten.


    Ich gebe :3*:

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)