Der Englische Adel

  • Vor geraumer Zeit hatte ich dieses Thema schon mal angefangen, allerdings ist mir jetzt bei der Suche aufgefallen, dass es nicht mit in dieses Forum gelangt ist – ein unerträglicher Zustand – also nochmal von vorn. ;)



    In englischen Romanen und der Fachliteratur kommt man an den ganzen Lords und Earls, wenn man es nicht als reine Namenszusätze abtut, nicht vorbei. Verwirrend wird es vor allem dann, wenn in einem älteren Werk bei einer Schlacht noch Lord Weißichnicht das Kommando geführt haben soll, in einem neueren hingegen die Rede von Lord Denkenntjeder ist. Oder jemand hier als 4. Viscount of Halma und anderen Ortes als 3. Earl of Dorincourt betitelt wird, obwohl es sich dabei aber um dieselbe Person handelt.



    Ränge und Titel des britischen Adels:
    Ähnlich wie beim Militär gibt es auch beim Adel unterschiedliche Rangstufen, die sich neben der Stellung auch in Anrede und entsprechenden Insignien unterscheiden.


    Entscheidend ist, dass z.B. kein Adeliger (männlichen Geschlechts) einfach so vom Monarchen zum Earl erhoben werden kann, ohne dass dieser zuvor auch die rangniederen Titel innehatte bzw. verliehen bekommen hat. Möglich ist z.B. folgende „Generationen-Laufbahn“: 1. Generation (Großvater) wird zum Baron erhoben, also z.B. (1.) Baron of Addlethorpe. 2. Generation (Vater) wird nach dem Tod des Ahnen zum 2. Baron of Addlethorpe und für Schlachtenglück zum (1.) Viscount of Middle Fritham ernannt. Die 3. Generation wird dann zum 3. Baron of Addlethorpe und 2. Viscount of Middle Fritham, usw.



    Baron:
    Baron ist der niedrigste Rang im englischen Adel (nicht zu verwechseln mit dem nichtadeligen Baronet); ist „Right Honourable“ (recht ehrenhaft, also fehdefähig(?)) und wird mit „My Lord“ angeredet/angeschrieben. Die Kinder eines Barons sind „honourable“. Die Gattin des Barons ist die Baroness, wird ebenfalls mit „“Right Honourable“ betitelt und mit „My Lady“ angesprochen. Beide dürfen eine kleine Krone mit sechs großen Perlen tragen.[1]



    Viscount:
    Viscount (Vice-Comes) ist zweitniedrigste englische Adelstitel-/Rang, der 1440 von Heinrich VI. eingeführt wurde. Der Viscount ist „Right Honourable“ und mit „My Lord“ anzusprechen. Söhne und Töchter sind „Honourable“. Die Gattin des Vicounts ist die Viscountess und mit „My Lady“ anzusprechen.


    Die Krone des Viscounts ist mit einer Reihe aus sechszehn kleineren Perlen besetzt.[2]



    Earl (Count):
    Der Earl (Count, Compte, Comes) war bis 1337 der höchste englische Adelsrang. Der Earl ist „Right Honourable“ und wird mit „My Lord“ angesprochen. Der älteste Sohn trägt den „zweiten“ Titel des Vaters (meistens also den des Viscount). Weitere Söhne sind „Honourable“ und Töchter „Right Honourable Ladies“. Die Gattin des Earls ist die Countess, ebenfalls „Right Honourable“ und mit „My Lady“ anzusprechen.
    Die Earls-Krone wird von acht aufragenden goldenen Strahlen mit aufgesetzten Perlen geschmückt, zwischen den Strahlen befinden sich kleine goldene Erdbeerblätter.[3]



    Marquess (Marquis):
    Der Marquis ist der zweithöchste Rang des englischen Adels, eingeführt 1387 von Richard II. Der Marquis ist „Most Honourable“ (höchst ehrenhaft) und mit „My Lord Marquess“ anzusprechen/anzuschreiben. Alle Söhne sind „Lords“ und Töchter „Ladies“. Der älteste Sohn trägt wie ab dem Earls-Rang üblich, den „zweiten“ Titel des Vaters (Earl). Die Gattin darf sich „Marchioness“ nennen und ist mit „My Lady Marchioness“ anzusprechen.


    Die Krone des Marquis trägt vier große Erdbeerblätter mit dazwischen angebrachten Perlen.[4]



    Duke:
    Duke (Dux) ist der höchste Rang und Titel des englischen Adels. Erstmals 1337 an den „Schwarzen Prinzen“ von Edward III. vergeben. Der Duke ist „Most Noble“ (höchst edel) und mit „My Lord Duke“ und/oder „Your Grace“ angesprochen. Söhne sind „Right Honourable Lords“ und Töchter „Right Honourable Ladies“. Der älteste Sohn des Dukes trägt den “zweiten Titel” des Vaters und hält gewöhnlich den Titel eines Marquess (Markgraf). Egal welchen (zweiten) Titel der älteste Sohn des Dukes tragen sollte, seine Stellung ist immer dieselbe. Vom Rang befindet er sich damit zwischen Marquess und Earl wieder.


    Die Gattin des Duke ist die Duchess, sie ist ebenfalls „Most Noble“ und mit „My Grace“ anzusprechen. Die Krone des Dukes wird mit acht erhöhten Erdbeerblättern geschmückt.[5]




    Prince/Princess:
    Prinzen und Prinzessinnen sind vom Rang und Titel den Angehörigen der königlichen Familie vorbehalten. Ihr Sie werden mit „Your Royal Highness“ angesprochen.[6]




    Nichtadelige (Ritter-) Titel und Anreden:



    Baronet:
    Der erbliche Titel des Baronets (of the United Kingdom) wurde 1612 von James I. eingeführt, steht allerdings unterhalb der Adelstitel (Peerage), aber mit Ausnahme der Mitglieder des Hosenbandordens (Order of the Garter) über allen anderen Rittern (Knights). Die Gattin eines Baronets darf sich „Lady“, „Madam“ oder „Dame“ nennen bzw. ihrem Namen voranstellen.[7]



    Esquire:
    Ein Rang unterhalb des Knights, der allen persönlichen Bediensteten/Begleitern eines Ritters eines anerkannten Ritterordens zusteht und ebenfalls von allen militärischen Bediensteten des Herrschers, die mindestens im Rang eines Captain stehen, getragen werden darf; desweiteren von Barristers und Bachelors of Law sowie Masters of Arts und Bachelors of Physic. Abgekürzt zu Esq.[8]



    Pursuivant:
    „Unterherold“ bzw. („leitender“) Angestellter im Haushalt hochrangiger Persönlichkeiten; ggfs. mit Titel aus dem Wappenbuch der adeligen Familie.[9]




    [1] Boutell, Charles: English Heraldry, London und New York 1867, S. 104f.


    [2] Boutell: English Heraldry, S. 158f.


    [3] Boutell: English Heraldry, S. 112, 118.


    [4] Boutell: English Heraldry, S. 137f.


    [5] Boutell: English Heraldry, S. 117f.


    [6] Boutell: English Heraldry, S. 145f.


    [7] Boutell: English Heraldry, S. 104f.


    [8] Boutell: English Heraldry, S. 120.


    [9] Boutell: English Heraldry, S. 146.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Damit ergibt sich folgende Rangfolge:


    The Sovereign
    The Prince of Wales
    The Younger Sons of the Sovereign
    The Grandsons of the Sovereign
    The Cousins of the Sovereign
    ...
    Dukes
    Marquesses / Eldest Sons of Dukes
    Earls / Eldest Sons of Marquesses / Younger Sons of Dukes
    Viscounts /Eldest Sond of Earls / Younger Sons of Marquesses
    ...
    Barons
    ...
    Eldest Sons of Viscounts / Younger Sons of Earls / Eldest Sons of Barons
    ...
    Knights of the Garter, Thistle and St. Patrick (sofern nichtadelig)
    ...
    Younger Sons of Viscounts / Young Sons of Barons
    ...
    Baronets
    Knights Grand Crosses of the Bath
    ...
    Knights
    ...
    Eldest Sons of the younger Sons of Peers / Eldest Sons of Baronets / Eldest Sons of Knights
    Esquires to Knights of Orders
    Esquires
    ...

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Danke. Das wurde auch echt Zeit das wir diese Aufstellung hier wieder haben... :rolleyes::whistling:
    gibt es eigentlich eine Begrenzung in der Anzahl der Ränge?
    Besonders der Dukes?


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Sehr umfangreich und wie ich meine fehlerfrei ... zu erwähnen bleibt eigentlich nur noch die Sache mit den Witwen. Wenn beispielsweise ein Earl stirbt und eine Witwe hinterlässt, wir diese als Countess Dowager bezeichnet, während sein ältester Sohn als nächster Earl und dessen Frau als zugehörige Countess nachrücken.
    Queen Mum, die Mutter von Lizzi II. wäre entsprechend als Queen Dowager zu bezeichnen gewesen. Da das aber bei ihrer persönliche Anrede (weiterhin) auf Queen Elizabeth hinausgelaufen wäre, wählte sie selbst Her Majesty Queen Elizabeth The Queen Mother. Dazu kam sicher auch noch, dass Lizzis Großmutter (Mary, the Queen Dowager - Ehefrau von Georg V.) bei ihrer Thronbesteigung noch lebte, was die Sache noch verwirrender machte.

    George N. W. Cavendish-Bentinck (M.O.R.N.)

  • Sehr schön, dass wir das hier wieder haben. Zu erwähnen wäre nur, dass die Titel der ältesten Söhne reine Höflichkeitstitel sind. Der eigentliche Inhaber des Titels ist weiterhin der Vater.
    Die Ausnahme ist der Prince of Wales, da dieser tatsächlich mit dem Fürstentum Wales belehnt wird. Das bedeutet außerdem, dass der Thronfolger nicht automatisch, sondern erst nach der Belehnung zum Prince of Wales wird.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Immer gerne doch!
    Gerade der Titel des ältesteten Duke-Sohnes sowie der des Esquire (bei Akademikern) sind, wie Speedy schon schreibt, reine "Wohlwollens"-Titel bzw. zugeständnisse seitens der Krone (bei Adeligen quasi ab dem Earls-Rang).
    Interessant wird es dann bei den Ausnahmen (ich denke da z.B. an mein Alter Ego, der nur drei Töchter hatte und aus Nähe zum Königshaus dann eine Ausnahme bezüglich des Titels gemacht wurde) oder auch der Namensgebung, ob da nun Orts-/Gebiets- oder Familiennamen verwendet werden. Ebenso, wenn ein Titel quasi "untergeht" bzw. dann durch die ganze Familie wandert sowie der Rang zwischen englischen/irischen Peers.


    @Aga: Interessante Frage, ob es da eine Mengenbegrenzung gab/gibt; ich glaub so spontan nicht. Mal schauen, ob es dazu irgendwo eine Angabe gibt. Hängt dann wahrscheinlich auch wieder davon ab, ob irgendwelcher Landbesitz damit verbunden ist oder ob es ein "formaler" Titel aus Großzügigkeit des Souveräns ist.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Wenn ich das richtig im Kopf habe gab es irgendwie nur 3 oder 4 Dukes. Zumindest zu Beginn der Rosenkriege und diese bildeten auch den Kronrat.


    Wäre mal gut zu wissen.
    Danke fürs schauen @Richard Howe.


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • Für das Jahr 1790 gibt es in der Tat nur vier Dukes königlichen Blutes (Cornwal, York, Gloucester, Cumberland), von denen drei auch dem Kronrat (Privy Council) angehörten; ansonsten zweiundzwanzig "normale" Dukes, aber nur fünf Marquistitel.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Habe nochmal nachgeschaut. Wichtig ist das "von königlichem Blut". Diese sind Söhne oder Brüder des Königs gewesen.
    Während der Rosenkriege gab es den Duke of Cornwall ich, dafür noch eine zeitlang den "Duke Lancaster" (ohne "of")...
    Der fiel weg mit Ende der Linie Lancaster.
    Diese vier hatten damals die größten englischen Ländereien und waren Herren vieler anderer Adliger...
    Da spielte damals noch die Lehensvergabe mit rein.
    Spannend.
    Mein Kollege ist Deutscher Reichsritter und über 1000 Ecken mit den Windsors verwand und dadurch in der Thronfolge an Platz 127 ( wenn ich mich richtig erinnere)...
    aber keine Ahnung welchem Adelstitel der Reichsgraf entspricht.


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • Wichtig ist auch die Unterscheidung zwischen englischem Adel, der gemäß dem Act of Union von 1707 einen Sitz im Oberhaus innehat, und dem schottischen bzw irischen Adel, die ihre eigenen Parlamente haben(hatten) und nur eine Anzahl gewählter Vertreter ins Oberhaus nach London schicken.
    Genau nachzulesen unter "Burke´s Peerage bei wiki

    " Suche die Wahrheit hinter den Dingen, wähle deine Feinde mit Bedacht und lege dich nie offen mit einem Drachen an" (Chinesisches Sprichwort)

  • Dann war Count Dooku also Ausländer? :fasz:

    Auf jeden Fall war er halt kein brititscher Graf.
    Es ist schon merkwürdig, dass Frau Gräfin dagegen als Countess und der Vizegraf als Viscount bezeichnet wird.
    Aber möglicherweise liegt das daran, dass der Earl einfach viel älter als Titel ist und seine Frau früher keinen Titel führte.
    Der Viscount kam ja auch erst später nach England.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Wie heißt es doch so schön dazu bei Downton Abbey aus dem Munde der Dowager Countess of Grantham: "Logik würd ich in der englischen Upper-Class nicht gerade suchen..." :D

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Rückfrage 1:

    Lord ist demnach kein Eigeständiger Adelstitel. Heißt das die Lords in unseren Romanen sind in der Regel Barone, werden aber mit der Anrede Lord bezeichnet, weils kürzer ist?

  • Rückfrage 2 sind die Titel auch in weiblicher Linie vererbbar (vor allem, wenn es keine männlichen Nachkommen gibt.)

    Das kommt ganz darauf an, unter welchen Bedingungen der Titel verliehen wurde. Soweit ich mich erinnere, muss die weibliche Erbfolge ausdrücklich zugelassen sein.


    Rückfrage 1:

    Lord ist demnach kein Eigeständiger Adelstitel. Heißt das die Lords in unseren Romanen sind in der Regel Barone, werden aber mit der Anrede Lord bezeichnet, weils kürzer ist?

    Zunächst fasst Lords die Mitglieder des Hochadels zusammen. Außerdem kann man die Titelinhaber unterhalb des Dukes mit Lord bzw. Mylord titulieren. Dann werden noch die Söhne von Herzögen und Markgrafen mit der Höflichkeitsanrede Lord bezeichnet und schließlich firmieren Barone gern unter der Bezeichnung The Lord soundso.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Die Antwort zu Frage 2 ist glaube ich nicht allgemeingültig zu beantworten. Normalerweise wurde der Titel nur in der männlichen Linie vererbt. Die von Speedy genannte "ausdrückliche Zulassung" musste wenn von höchster Stelle ausgesprochen werden; dürfte also nicht all zu häufig vorgekommen sein. Hat damals Howe selbst mit seinen drei Töchtern getroffen - da gab es aber irgendeine Ausnahme...

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.