Turner-Reihe Band 2 - Entermesser blank - William Turner und die Capitana


  • Beim zweite Band der Reihe weicht Paul Quincy von seiner Linie, historische Stoffe in die Handlung einzubauen, deutlich ab. Im Grunde handelt es sich um eine klassische Piratengeschichte, die stellenweise einem Hollywood-Klassiker der 1950er Jahre entsprungen sein könnte.


    Eine Armada verbündeter Piratenschiffe überfällt einen entlegenen spanischen Hafen an der Küste Südamerikas und macht ihn zu seinem Stützpunkt.
    Von dort aus machen die Piraten den Handel in der Karibik zusehens unsicherer, was den Geheimdienst seiner Majestät veranlasst, William Turner und seine Shark auf die Suche nach dem Stützpunkt der Piraten zu schicken. Dabei trifft er auf eine schöne Frau, die es zur Capitana eines Piratenschiffs gebracht hat. Wild Bull Turner ist zwar in festen Händen, doch hinter von Gibraltar sind bekanntlich alle Seeleute alleinstehend. ;)
    Befreit von den Fesseln historischer Genauigkeit ist Paul Quincy in seinem zweiten Roman ein spannendes und vergnügliches Piratenabenteuer gelungen.
    Unbedingt lesen!

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Hier auch nochmal meine kleine Rezension bzw. Leseempfehlung für unser Portal (10/19).


    Entermesser blank - Mut pur: der Untertitel ist Programm in der Erstausgabe von Paul Quincys zweiten Roman um William "Wild Bull" Turner. In der aktuellen Auflage wird aus purem Mut dann die Capitana, womit ein Teil Handlung von Anfang an ersichtlich wird. Da der Romanheld schnell die wahre Identität der Kapitänin entschlüsselt, ist der neue Titel vertretbar, auch wenn so einer netten Hommage an die weiblichen Piratinnen Anne Bonny und Mary Read vozeitig der Wind aus den Segeln genommen wird.


    Die unerfüllte Jagd aus dem ersten Band führt den jungen Leutnant tief in die Karibik bis an die Nordküste Südamerikas. Zunächst erleben wir zum Jahreswechsel 1776/77 aber, wie eine bunt zusammengewürfelte Truppe aus Piraten und Schmugglern an eben jener Küste auf blutige Art einen Stützpunkt errichten. Nicht nur einer der Piraten wird Turners Weg mehr als einmal kreuzen...


    Während die Piraten also zu Neujahr ein ganz besonderes Feuerwerk zünden, weilt William Turner noch auf Antigua. Nach dem Ausräuchern eines Piratenunterschlupfs und der Erbeutung von Prisen - Schiffe wie Frauen - , macht sich "Wild Bull" an die Verfolgung des enttarnten Agenten. Dabei versperrt dem jungen Leutnant in Diensten König Georg III. eine überlegene französische Fregatte den Weg. Mit wildem Mut und dem Glück des Tüchtigen gelingt es ihm, diese Gefahr zu meistern.

    Aber es kommt, wie es kommen muss: Leutnant William Turner gerät in die Fänge der hübschen Piratin inklusive "Politur des Familiensilbers".


    Das Finale an der kubanischen Küste wird mit einem ganz besonderen Kabinettsstückchen der Seemannskunst eingeläutet. Dabei muss Turner vorher die Wahl treffen, ob er die Capitana oder den Piratenanführer sowie den Verräter aus britischen Reihen zur Strecke bringen will. Das letzte Gefecht wird ein blutiges und der Verräter geht ihm erneut durch die Lappen. Dafür erwartet "Wild Bull" Turner zum Schluss noch ein überraschendes Geburtstagsgeschenk...


    Paul Quincy, besser bekannt als Uwe D. Minge, lässt den zweiten Band der Turner-Reihe weiterhin vor dem Hintergrund des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs spielen. Der Leser erfährt allerdings nur zwischendurch von Neuigkeiten aus den rebellischen Kolonien, die aber keinen Einfluss auf die Handlung haben. "Neutrale" Umschlagplätze für alle Art von Im- und Exporten spielten im Krieg eine nicht unerhebliche Rolle, z.B. das niederländische St. Eustatius.


    Wortwitz wie "weißer Rum, schwarz gebrannt", gepaart mit Ironie und Sarkasmus, "... dass ein Freiwilliger ein Blödmann ist, der die Frage nicht richtig verstanden hat...", versüßen die nicht selten eindeutig unerschrockenen brutalen Ereignisse des Seemannslebens und entlocken dem geneigten Leser ein wissendes Schmunzeln.

    Dazu trägt auch bei, dass der Autor seine Protagonisten je nach Situation auch sprechen lässt, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist - rau aber herzlos. Die Beschreibung der (Segel-) Manöver ist eine Klasse für sich. Wer den ersten Band lesen durfte, kommt am zweiten Teil auf keinen Fall vorbei!

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Da ich Band 3 noch nicht gelesen habe, hat sich mir die lange und aufwendig geschilderte Episode mit der französischen Fregatte noch nicht so ganz erschlossen.

    Die Franzosen sind staatspolitisch gesehen 1777 noch neutral, also warum greift der unterbemannte fr. Kapitän dann die Shark an?

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Ich glaube, diese Frage wurde dem Master damals im Forum, dessen Herr nicht genannt werden darf, auch gestellt und seine Antwort war, dass die französische Neutralität bereits damals schon recht einseitiger Natur war. Und wenn sich dem französischen Kapitän eine scheinbar leicht zu erobernde Prise darbot...

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Ja, nein, vielleicht... ;)


    Ein eindeutig kriegerischer Akt, dumme Sache. Dazu noch von einem unterbemannten Schiff (S. 128) und der Gegner zeigt klar und deutliche seine Farben (S. 126).

    Bei dem Versuch einer List mit falschen Flagge (Pirat, Continental Navy, Babaresken, ...) hätte das Spiel ja funktioniert (egal von welcher Seite), aber der Master weist noch mehrmals explizit auf die herrschende Neutralität hin. Selbst wenn der fr. Kapitän von einem fr. Kauffahrer ausgehen sollte, besteht kein Grund das Feuer als Erster zu eröffnen (S. 125, 126).


    "Sollten seine Karronaden den Ausschlag dafür geben, dass das rachsüchtige Frankreich offen in den Krieg aufseiten der Rebellen eintrat?", S. 125.

    "Vermutlich wollte auch sein Konterpart da drüben nicht schuld am Ausbruch eines neuen Krieges zwischen ihren beiden Ländern sein.", S. 126.


    Beim Lesen kam es mir jedenfalls wie ein Fauxpas vor. Vielleicht bei der Idee um ein Jahr vertan, wer weiß.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Dazu gerade noch etwas Passendes gefunden:

    Zitat von Vice Adm James Young to Philip Stephens [First Secretary Adm.], Antigua 8. März 1777:

    „[…] I plainly perceived the Mischievous tendency of these unauthoriz[ed] (and in my opinion illegal) proceedings in the beginning“ […]


    „[…] that one of the Armed Vessels without Commission had taken [a] French Vessel belonging to Martinique and carried her into Dominica: I then thought it became my Duty to use my utmost Endeavours to put an immediate Stop to such proceedings and if possible prevent the like in future:
    or it was plainly evident they would soon draw Government into very alarming and serious Disputes. In order to effect this,
    I put an Advertisement into the Publick News Paper Setting forth the Complaint I had received: and that I thought it necessary to put an immediate Stop thereto, and had ordered the Shark round to St John['s] Road, to prevent any of the Armed Vessels called Privateers to sail from Thence; and that Ishould order the King's Ships under my Command, to make Capture of all such Armed Vessels, having no Commission; as they may find Cruizing on the High Seas for the purpose of taking Prizes. […]“

    Naval Documents of the American Revolution, Vol. VIII., S. 62ff.


    Das ist natürlich nur ein Beispiel (aber sehr interessant, dass das Schiff auch Shark heißt - da hat der Master vielleicht dieselbe Quelle studiert...). Schaut man sich weitere Dokumente an, so erfährt man, dass etliche französische Schiffe, die die offizielle Neutralität bzw. "Freundschaft" mit den Briten mehr als unterwanderten, in den Fokus der RN gerieten (wohl aber keine Kriegsschiffe der Marine Royal). Auf einem fand man im März 1777 Unterlagen über einen möglichen Allianzvertrag zwischen Frankreich und Amerika. Ein anderes Mal wurde ein fr. Schiff geentert, nachdem es dem Land näher als 10 leagues (ca. 55km) gekommen war. Obwohl das Schiff mit Pulver und Waffen beladen war, wurde es von br. Seite wieder freigegeben.


    Zitat von Lt. Peter Rainier to Cpt. William Judd / Vice Adm. Clark Gayton, Port Royal, 15./30. März 1777:

    "[...] he [der fr. Kapitän Dubrocq] told me he thought it strange that we should fire Shot at him as we were at Peace with the French. I answerd it was the Custom of the British Navy, and that the Second Shot was fired because altho' he shortend Sail on hearing the first, he did not bring too, he said that the French Ships of War never fired a Shot at a friend for that purpose, and that his People took us for a Corsair which terrified them so, that one of them got hurt, he did not say the Hurt was Occaision'd by either of the Shot, neither dare he, as I was well convinced they both flew wide of him, being upon Deck when the Shot was fired. [...]"

    Naval Documents of the American Revolution, Vol. VIII., S. 126f.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.