Vergessene Karl May Verfilmungen

  • Vor einiger Zeit hatte ich ja die Absicht geäußert, etwas mehr über die ZDF-Fenrsehserie Kara Ben Nemsi Effendi zu schreiben. In der Zwischenzeit bin ich noch auf weitere vergessene Karl May Verfilmungen gestoßen, so dass es sich anbietet, diese in einem Thread mit der bereits erwähnten Serie zu vereinigen. Beginnen möchte ich heute mit einem echten Klassiker, denn hierbei handelt es sich um den ersten Tonfilm, der sich der berühmten Romane annahm.


    Durch die Wüste (1936)


    Dieser Film ist nicht nur ein Klassiker, er ist auch der einzige mir bekannte Film nach Karl May, der zumindest teilweise an den Originalschauplätzen gedreht wurde. 1935 war eine 18köpfige Filmcrew an verschiedenen Orten in Ägypten unterwegs, um den ersten Band der berühmten Orientreihe zu drehen. Der Vorspann des Films legt nahe, dass man durchaus nicht abgeneigt war, weitere Teile folgen zu lassen. Der Konkurs der Produktionsfirma kurz nach der Premiere verhinderte dies und lies den Film über Jahrzehnte in Vergessenheit geraten.
    Die Handlung des Films besteht aus einer episodenhaften Aneinanderreihung des wichtigsten Stationen des Romans: Wadi Tarfaui, Schott el Jerid, der Nil bei Kairo, die Wüste Arabiens und Mekka. Diese Aufzählung deutet dem Kenner bereits an, dass hier ordentlich gestrafft wurde, um die Handlung in den damals üblichen 1 1/2 Stunden unterbringen zu können. Zugleich machte man aus den diversen Schurken und Gegenspielern Kara Ben Nemsis einen einzigen - Abu Seif. Wenn ich etwas zu bemängeln habe, dann der fehelnde Rhythmus im Handlungsabflauf, mal ist die Handlung recht sprunghaft, dann kommt man wieder nicht aus der Hüfte. Sehr gut gefallen haben mir die beiden Hauptdarsteller Fred Raupach (Kara) und Heinz Evelt (Halef). Besonders Raupach besticht durch seine optische Ähnlichkeit mit Karl May. Leider hat man nie wieder etwas von ihm gehört, außer dass er im Krieg gefallen ist.
    Ebenfalls eindrucksvoll ist das Lokalkolorit, mit dem dieser Film ordentlich punkten kann. Gerade seine Mängel in der Bildqualität, sei es durch lange unsachgemäße Lagerung der Filmrollen, sei es durch die technischen Schwierigkeiten des Drehs vor Ort, lassen ihn fast schon "dokumentarisch" erscheinen. Für Fans ist die Film auf jeden Fall sehenswert. :4*:

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Die nächste Verfilmung ist bei weitem nicht so alt, sie stammt aus dem Jahr 1988.



    Der Zweiteiler entstand als Produktion des DDR-Fernsehens und basiert auf den Karl-May-Bänden "Benito Juarez" und "trapper Geierschnabel" aus der Waldröschen-Reihe.
    Bekannter dürfte die Kinoverfilmung unter dem Titel Die Pyramide des Sonnengottes aus den 1960er Jahren sein, wobei man sich im Fernsehfilm um größere Werktreue bemühte.
    Aber Mühe allein genügt nicht, wenn die Schauspieler ihre Rollen nicht glaubwürdig verkörpern können. Diese Kritik gilt ausdrücklich nicht für das gesamte Ensemble, doch es gibt halt leider ein paar Laienschauspieler, bei denen man sich schon fragen muss, wie sie an ihre Rolle gekommen sind. Schade, denn die dilletantischen Einlagen verderben den Gesamteindruck der an sich sehr liebevollen Verfilmung.
    :3*:

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Zwei Jahre vor Präriejäger in Mexiko enstand die erste Karl-May-Verfilmung, die es überhaupt in der DDR gab als eine Art Weihnachtszweiteiler:



    Der Fernsehfilm basiert auf dem gleichnamigen Band 64 der gesammelten Werke von Karl May, bzw. ist dem Fortsetzungsroman Der verlorene Sohn entnommen.
    Hier verarbeitete Karl May Erfahrungen aus seiner Heimat, dem Erzgebirge und das DDR-Fernsehen hatte den großen Vorteil, im Erzgebirge drehen zu können.
    Drehorte waren Zwönitz und Marienberg. Karl May beschäfigte sich immer wieder mit dem Los der kleinen Leute seiner Heimat und dieser Zweiteiler wird seinem Geist durchaus gerecht.
    Natürlich, streng genommen ist es eine Art Heimatfilm, aber mit Verbindungen zum Krimi und vor allem ohne den sonst so typischen Schmalz. Mit Rolf Ludwig und Kurt Böwe spielten zwei der angesehensten Schauspieler der DDR die Hauptrollen und das mit einer Spielfreude, die sich auf den Zuschauer überträgt. Rolf Ludwig dürfte den meisten an Bo(a)rd eher unbekannt sein, Kurt Böwe spielte nach der Wiedervereinigung im Polizeiruf 110 einen der Kommisare.
    :5*:

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Die von mir oben vorgestellte Verfilmung von Durch die Wüste gibt es komplett auf Youtube. Zur Qualität kann ich mich nicht so recht äußern, da ich den damals Film über die Fire-TV-App gesehen habe, auf der die Filmqualität deutlich besser als über einen Browser war.
    Da es aber momentan zwischen Amazon und Google darum geht, wer den Längeren hat, steht diese App nicht mehr zur Verfügung.

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  • Vor den allseits bekannten Karl-May-Verfilmungen der 1960er Jahre entstand 1958 der folgende Film:



    Der Titel nimmt Bezug auf den gleichnamigen Roman (Band 41 GW) hat aber nur sehr wenig mit desen Inhalt zu tun. So treten im Film Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar als Hauptdarsteller auf, die im Roman überhaupt nicht vorkommen. Verkörpert werden sie von Viktor Staal und Georg Thomalla. Eine Nebenrolle spielt der unvergessene Theo Lingen. Teile der Handlung wurden übrigens dem Roman Durch die Wüste entnommen. Der Film soll damals ein Erfolg gewesen sein, mir ist er über weite Strecken zu albern, zumal für ein so ernstes Thema wie den Sklavenhandel.
    :2*:

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Aufgrund des Erfolges erhielt der vorherige Film eine Fortsetzung.



    Allerdings wurde hier Viktor Staal durch Helmut Schneider ersetzt. Der Film basiert auf Motiven aus dem Roman Bei den Trümmern von Babylon (GW 27 - auch unter dem Titel Im Reich des silbernen Löwen II).
    Man hat sich hier zwar um eine größere Nähe zur Romanvorlage bemüht, aber ein weiteres Mal erwies sich Georg Thomalla als eine Fehlbesetzung. Der wahre Hadschi Halef Omar Karl Mays mag zwar ein lustiges und zuweilen auch schlitzohriges Kerlchen sein, aber er ist keine Witzfigur. Der Film konnte nicht an den Erfolg seines Vorgängers anknüpfen und beide Filme sind nicht zu Unrecht in Vergessenheit geraten.
    :2*:

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  • Die meiner persönlichen Meinung nach beste Verfilmung entstand 1972 - 1974 mit einem vergleichsweise geringen Budget für das ZDF:



    In zwei Staffeln á jeweils 13 Folgen mit einer Länge von 20-25 Minuten pro Folge wurde der komplette Orientzyklus (GW Bände 1 - 6) verfilmt. Dabei umfasst die 1. Staffel die Bände 1 - 4 (teilweise) und die 2. Staffel die Bände 4 (Rest) -6. Bemerkenswert ist, dass die am Schott el Djerid spielenden Teile der Handlung tatsächlich an den "Originalschauplätzen" gedreht wurden. Die restlichen Teile der 1. Staffel entstanden in Bulgarien, die 2. Staffel in Spanien. Natürlich kann man bei einem Gesamtbudget von 4,2 Millionen DM keine großen Kulissen und auch keine Massenszenen erwarten, aber man behalf sich durch geschickte Kürzungen oder Improvisationen. Trotzdem gab und gibt es keine Verfilmung, die sich so dicht an das Werk Karl Mays gehalten hat.
    Karl-Michael Vogler als Kara Ben Nemsi und Heinz Schubert (Ekel Alfred) als Hadschi Haelf Omar sind für mich ganz hervorragende Verkörperungen der May´chen Helden. Vogler erinnert optisch ein wenig an Karl May, ist aber zugleich der Kerl, der als der sich May gern gesehen hätte. Heinz Schubert balanciert gekonnt auf dem schmalen Grat, den seine Figur charakterisiert, zwischen dem listigen und herzlichen kleinen Mann und dem Freund und Partner Kara Ben Nemsis. Fast jede Nebenrolle ist mit Schauspielern besetzt, die auch nach 40 Jahren noch einen großen Klang haben. Beispielhaft nenne ich nur Dieter Hallervorden, Günther Lamprecht, Lina Carstens, Gerd Baltus und Willy Semmelrogge. Leider ist die Serie mit 99,99 EUR total überteuert. Auf YT kann man die Serie sehen, aber leider nur ein einer extrem lausigen Qualität.
    Von mir erhält sie die volle Anzahl an Henry-Stutzen: :5*:


    Damit endet mein kurzer Überblick zu weniger bekannten Verfilmungen des großen deutschen Träumers. Unerwähnt blieben die diversen Stummfilme und die legendäre Testserie Mit Karl May im Orient, die ich leider nicht kenne.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Danke für die Vorstellungen, Speedy. gerade die alte Verfilmung muss ich mir bei Gelegenheit mal besorgen.

    Gruß Christian


    Auf dem Zeichenbrett und in der Werft: Naval Cutter Alert, 1777
    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • Kara Ben Nemsi würde ich jetzt aber nicht als vergessen bezeichnen. Die Serie war neulich noch in irgendeinem Sender (ZDF-Spartenkanal) zu sehen. Leider habe ich es auch erst gegen Ende bemerkt, sonst hätte ich bestimmt nochmal reingeschaut. Aber die kommt bestimmt auch wieder.

  • Da kannst Du mal sehen, wie schnell die Zeit vergeht. Zuletzt soll die Serie 1992 in 3Sat gezeigt worden sein.


    Vergessen ist hier auch nicht ganz richtig, das stimmt schon, aber ich finde diese Serie so liebevoll gemacht, dass sie es einfach verdient hat, hier erwähnt zu werden.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)