Band 1 - Kurs auf Spaniens Küste


  • Wenn es schonmal darum geht, eine erste Rezenzion im Age of Sail-Board zu schreiben, was passt da besser als einer meiner Lieblingsromane, das definitiv meist gelesene und gehörte Buch meiner kleinen Sammlung maritimer Romane.
    Master and Commander ist in mehrfacher Hinsicht ein geniales Buch. Vordergründig handelt es sich ja eigentlich nur um eine Nacherzählung der Fahrten Thomas Cochranes mit seiner Sloop Speedy. Ganze Passagen scheint POB aus den Logbüchern der Speey entnommen und lediglich mit den Personen seines eigenen Universums belebt zu haben. Das birgt eigentlich die Gefahr in sich, eine trockene und leblose Schilderung abzuliefern. Doch POB entgeht dieser Gefahr, indem er seine Protagonisten zu Menschen aus Fleisch und Blut werden lässt, die nicht nur mit ihem Schiff von A nach B fahren, sondern die ein echtes Leben von Menschen des frühen 19. Jahrhunderts führen. Das ist POB´s größte Meisterleistung! Er lockt uns mit einem maritimen Abenteuer und wir finden uns in der Welt der Jane Austen wieder, nur dass hier nicht Frauen sondern Männer die Hauptrolle spielen. Damit nimmt uns POB mit in eine real erscheinende Welt, wie es sie so tatsächlich vor 200 Jahren gegeben haben könnte. Wir erleben den Beginn einer wunderbaren Freundschaft ebenso, wie Jack Aubreys wichtigsten Schritt auf der Karriereleiter - zwischen Euphorie und Selbstzweifeln. Einer der schönsten Sätze, die in diesem Zusammenhang jemals geschrieben wurden ist: Er war nicht länger einer von uns, er war jetzt einer von denen. Ich glaube, besser kann man den Schritt vom Untergebenen zum Vorgesetzten nicht beschreiben.
    Aber es sind ja nicht nur die Erlebnisse von Jack und Stephen, die beim Lesen faszinieren. Bei POB trifft man immer wieder auf viele interessante Nebenpersonen und deren Schicksale. Sei es Leutnant Dillon und seine inneren Konflikte. Sei es dessen dem Alkohol verfallener Vorgänger Baldrick, oder Molly Harte, Jacks Geliebte und zugleich untreue Ehefrau seines Vorgesetzten. Man könnte diese Aufzählung noch lange fortsetzen, ohne zu einem Ende zu kommen.
    Deshalb kann ich jedem, der aus Pflichtvergessenheit noch nicht dazu gekommen ist, diesen Roman zu lesen, das Buch besten Gewissens empfehlen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

    Einmal editiert, zuletzt von Speedy () aus folgendem Grund: Cover ergänzt

  • Schon komisch, wie mir dieses Buch immer wieder über den Weg läuft. Gestern sah ich mir eine alte Folge von "Lewis" an, in der Lewis und Hathaway Zuflucht vor der Presse in Laura Hobson Haus genommen haben. Sie trinken Bier und Hathaway nimmt das Buch, um es wieder richtig einzuordnen mit den Worten: "Ein Kühlschrank voller Bier und Patrick O'Brian im Schrank, was kann man sich von einer Frau mehr wünschen."

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Ich habe es schon wieder getan und CD 1 in den CD-Player meiner kleinen Sloop geschoben. Besser kann der Weg zur Arbeit nicht starten als unter den sieghaften Klängen...

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Man sollte direkt einen Thread mit den besten Zitaten der Reihe starten.

    Ich hab jetzt darüber nachgedacht und für mich beschlossen, dass ich es besser finde, die Zitate im jeweiligen Buchthread zu belassen. Wenn sich die Mehrheit dagegen entscheidet und dafür einen Sammelthread will, soll es mir auch recht sein, dann muss eben das, was jetzt hier gleich folgt, verschoben werden. Aber ich zitiere jetzt hier nicht nur lustige Passagen, sondern habe ja vielleicht auch die eine oder andere Anmerkung, mal schauen. Ich bin jetzt selber gespannt, was ich gleich schreiben werde. :D

  • Wer jetzt vermutet, dass ich mal wieder diesen Band gelesen habe, liegt völlig richtig. Bevor ich denn zum Abarbeiten meiner Lesezeichen komme, noch ein paar Bemerkungen zu diesem Buch. Es ist der erste Roman der Reihe, und bereits hier lernen wir etliche der Protagonisten kennen, die uns durch die meisten der dann folgenden 20 Bände begleiten. Zuerst treffen wir Leutnant Jack Aubrey auf Menorca in Port Mahon an, damals unter britischer Herrschaft stehend. Hier lernt er Stephen Maturin kennen. Kurz darauf bekommt er seine Beförderung zum Kapitänsleutnant und sein erstes Kommando, die Brigg Sophie. An Bord treffen wir dann u.a. auf einen sehr jungen Mastergehilfen Pullings und einen reimeschmiedenden ebenso jungen Midshipman Mowett; auch Killick taucht auf, und schließlich wird auch erstmals der Erfinder des berümtesten Segels und des ebenso berühmtesten Rückstoßantriebes erwähnt. 8) Dabei tut O'Brian so, als ob diese und andere Personen irgendwie schon immer da waren; er überfällt uns nicht sofort gleich zu jeder Figur mit dessen jeweiliger Ur- und Frühgeschichte, sondern streut so nach und nach immer mal eine kleine Information zu dieser und jener Person ein.


    Dann schauen wir mal, wo ich elektronische Eselsecken geknickt habe - am richtigen Buch würde ich so etwas Frevelhaftes nie und nimmer tun. ^^


    Das erste Lesezeichen ist die bereits oben erwähnte Szene zu Beginn des Buches, als Maturin ganz aufgeregt ist, da er einen Wiedehopf gesehen hat. (Wir sind noch an Land) Jack fragt nach, was das denn sei, und Stephen erklärt es ihm. Im Gegenzug klärt Jack ihn auf, was es mit dem "Schwabber begießen" auf sich hat. Und als Jack und Stephen sich verabschieden, fällt dann dieser Satz von Jack:
    "Freut mich sehr, dass Sie Ihren Hopf gesehen haben!"



    Die nächste Szene spielt auf See. Die Sophie verfolgt bei heftigem Wind eine Tartane:
    Stephen stand an der Heckreling und starrte ins Kielwasser, in Gedanken tausend Meilen weit entfernt; da merkte er, dass ihn jemand leise an den Rockschößen zupfte. Es war Mowett. Lächelnd zeigte er auf Ellis, der auf Händen und Knien vor dem Schanzkleid lag und verzweifelt, aber sorgsam gezielt durch ein kleines viereckiges Loch darin kotzte, das Speigatt.


    Und da war er wieder, dieser Moment, wenn sich Leute in der Straßenbahn nach dir umdrehen, weil du laut loslachst. :D



    Jack erzählt von einer Belobigung, die er für seine Tapferkeit bei Abukir und einem weiteren Gefecht erhalten hat. Stephen fragt, ob denn so etwas nicht mit hohen Ausgaben verbunden sei...
    "...mit einer Reise nach London, neuen Uniformen, Schwüren und Audienzen?"
    "Schwüre? Oh, Sie meinen die Vereidigung. Nein, die betrifft nur Leutnants. Man geht in die Admiralität und bekommt dort ein Formular vorgelesen, irgend etwas über die eigene Untertanenpflicht, die Souveränität des Königs und die totale Ablehnung des Papstes; man fühlt sich sehr wichtig und sagt: >Das schwöre ich<, worauf der Federfuchser seinerseits sagt: >Macht eine halbe Guinee<, was den Effekt ziemlich verdirbt."



    Ich mag es total, wie Jack und Stephen miteinander kommunizieren. Da schwebt oft ein feiner, trockener Humor mit, manchmal deutlich, dann wieder halb verborgen. So wie hier:
    Jack und Stephen im Gespräch um eine anberaumte Kriegsgerichtsverhandlung gegen einen Matrosen, der sich der Sodomie mit einer Ziege schuldig gemacht hat. Jack schimpft über den Aufwand, den ein solches Verfahren mit sich bringt und meint schließlich:
    "Warum bloß zeigen die Leute das immer wieder an? Klar, die Ziege muss geschlachtet werden, das ist nur fair - ich werde sie den Kameraden servieren lassen, die ihn verraten haben."
    "Könnten Sie die beiden nicht aussetzen? An der Küste, meine ich. Oder an zwei verschiedenen Küsten, falls Ihnen der moralische Aspekt wichtig ist. Und danach still und leise weitersegeln?"
    "Tja", sagte Jack, dessen Wutanfall verraucht war, "Ihr Vorschlag hat einiges für sich. Möchten sie jetzt eine Tasse Tee? Mit Milch, Sir?
    "Ziegenmilch, Sir?"
    "Wie - ach so. Ja, wahrscheinlich."
    "Dann lieber ohne, falls es Ihnen nichts ausmacht."


    Etwas zur Ausbildung der jungen Herren:
    Die Fähnriche und Kadetten sollten zur Standortbestimmung mittags die Sonnenhöhe messen und die Schiffsposition auf Zettel schreiben, die vom Wachtposten eingesammelt und beim Kommandanten abgeliefert wurden. ... In verdächtiger Übereinstimmung gaben sie alle die Breite mit 39°21'N an, was man gelten lassen konnte; doch genauso einig waren sie sich in der Länge, und auf dieser Position hätte die Sophie nur stehen können, wenn sie eine Furche von siebenunddreißig Meilen in den Gebirgszug hinter Valencia gegraben hätte.


    Geht gleich weiter...

  • Ja, dieses Zitat wollte ich euch natürlich nicht vorenthalten. Ein nächtlicher Landangriff auf eine spanische Küstenbatterie, wir sind auf Seite 217:
    "Die Raketen, Bonden", murmelte Jack.
    Da werde ich das erste Mal erwähnt. ^^


    Und es geht mit mir weiter, hier wird erstmals etwas über mich verraten:
    Barrett Bonden, Bootsführer und Captain des Großtopps, war ungewöhnlich jung für seinen Posten: ein gutaussehender Mann von offenem, heiterem Wesen, hart, aber nicht brutal, und natürlich ein erstklassiger Seemann, von Kindesbeinen an mit dem Meer vertraut.
    Jack bietet ihm hier eine Beförderung zum Fähnrich, aber Bonden bedankt sich artig, lehnt jedoch lachend ab.


    So, genug mit der Bonden-Show.


    Auf Seite 281 erleben wir dann den Trick mit dem Floß und den Laternen, nur dass es hier nicht Calamy ist, der "sein erstes Kommando" erhält. Ach ja, auch die aus DEM Film bekannte Trepanation (Stephen sägt ein Loch in den Schädel eines verletzten Seemanns) wird schon im ersten Band beschrieben.


    Und hier einer von Jacks berühmt-berüchtigten Witzen:
    "Ein Bartgeier!" rief er (Stephen) begeistert. "Das ist ein Bartgeier! Noch dazu ein junger."
    "Na ja", sagte Jack sofort und ohne sich eine Sekunde besinnen zu müssen, "Vielleicht hat er heute morgen nur vergessen, sich zu rasieren."


    Tja, das war sie dann schon, meine kleine Sammlung. Ich habe manchmal einfach vergessen, weitere Lesezeichen zu setzen, es gibt so unendlich schöne kleine Szenen in diesem Buch - genau wie in allen anderen Bänden dieser Reihe. Für alle neugierig Gewordenen daher noch ein Zitat aus DEM Film - die Szene, in der der Middi mit dem appen Arm Jack fragt, wie Lord Nelson denn so sei:


    Lesen Sie lieber das Buch!


    :thumbup:


    Und schon bin ich auf Seite 73 (von 489) des zweiten Bandes... :)

  • Hallo Bonden

    Dabei tut O'Brian so, als ob diese und andere Personen irgendwie schon immer da waren; er überfällt uns nicht sofort gleich zu jeder Figur mit dessen jeweiliger Ur- und Frühgeschichte, sondern streut so nach und nach immer mal eine kleine Information zu dieser und jener Person ein.

    Und genau das hat mich von Anfang an fasziniert bei diesem Buch (ich bin noch nicht so weit, dass ich Deine Zitate schon kenne, ausser der mit dem Hopf). Und auf diese Weise zieht das Buch den Leser sofort in die Geschichte rein, man fühlt sich als würde man neben den Protagonisten stehen. Danke für den Tipp und alles weitere ;)


    LG
    Peter

  • Ach ja, da war noch eine Frage offen an alle, die das Buch schon gelesen haben. Ich setz das mal in einen Spoilerkasten, damit so Leute wie Peter_H nicht noch mehr gespoilert werden. ;)



    Und denkt dran: Die Antwort bitte auch in einen Spoilerkasten. ;)

  • Schöne Sammlung@'Bonden‘.
    Danke dafür.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Danke für die Sammlung @Bonden. Bei mir läuft mal wieder das Hörbuch und ich bin gerade an der Stelle, als Stephen seinen Landurlaub in Spanien macht.


    Zu Barret Bonden, also dem jungen und gut aussehenden Mann ;) : Ich glaube, dass der schon etwas früher auftaucht, aber da müsste ich mal zurückspulen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Hier einer meiner Lieblinge bisher. Die Mannschaft erklärt Stephen, warum er sich durchaus Chirurg nennen darf, weil ja vieles auf See Bezeichnungen hat, die nicht wirklich zutreffen:


    "...und wir spinnen täglich Seemannsgarn, obwohl keiner von uns jemals ein Spinnrad anfassen würde" :lol

    Freundliche Grüsse
    Peter

  • Ich freue mich, dass Du offenbar auch vom Aubrey-Maturin-Virus infiziert bist. Es sind ja gerade immer diese Kleinigkeiten, die den Zauber der Romane ausmachen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Hallo POB-Fans


    Ich wurde ja anderswo aufgefordert, nach beendigung dieses Buches meine Meinung dazu zu äussern. Also tu ich das jetzt und dabei bitte ich zu beachten, dass ich, zumindest bisher, zu den Wenig-Lesern gehöre und entsprechend auch nciht über eine literarisch immense Erfahrung verfüge. Viel mehr lese ich ein Buch und bin begeistert oder nicht. Und damit sind wir schon mitten in meiner nicht repräsentativen Kritik. Ein gutes, ja ein sehr gutes Zeichen ist schonmal, dass ich das Buch tatsächlich fertig gelesen habe. Und das in für meine Verhältnisse ziemlich kurzer Zeit. Ein noch besseres Zeichen ist, dass ich nahtlos mit dem zweiten Band angefangen habe.


    Kurs auf spaniens Küste ist, nachdem ich aufgrund Eurer Kommentare festgestellt habe, dass es historisch gut recherchiert ist, auch für einen Laien geschichtlichen Hintergründe, vom ersten bis zum letzten Satz äusserst gute Unterhaltung. Besonders positiv emfand ich, dass POB nicht wie andere Autore, erstmal einige Seiten dazu vergeudet, seine Protagonisten zu beschreiben. Man öffnet das Buch, liest die ersten Sätze und ist mittendrin. Man lernt die Figuren nach und nach kennen, so wie halt im richtigen Leben.
    Weiter beeindruckten auch mich die ohne Vorwarnung eingestreuten Lacher (wie der durch die Speigatten kotzende Jüngling).


    Für einen wenig-leser etwas schwierig empfand (und empfinde ich auch im zwieten Band) ich die teilweise abrupten Szenenwechsel. Manchmal nahm das dem Buch nach meinem Geschmack etwas den Fluss. Durchaus möglich, dass das bei Viellesern genau das Gegenteil bewirkt.


    Insgesamt bewerte ich das Buch als sehr gute Unterhaltung auf hohem Niveau und erlaube mir meine Sternchen zu vergeben: :5*:


    Beim zweiten Band bin ich gleich etwas ins Stocken geraten und musste mehrmals den Autorennamen kontrollieren, ob da nicht plötzlich Rosamunde Pilcher steht...... :* aber nun nimmt der Unterhaltungswert doch allmählich zu :thumbup:


    Freundliche Grüsse
    Peter

  • Ich hoffe ihr seht es mir nach daß ich die bisherigen Beiträge in diesem Thread noch nicht gelesen habe, und ebenfalls daß ich nun nichts doppelt sage/frage - die Suchfunktion hat immerhin keine Ergebnisse ausgegeben.
    Im Moment lese ich den ersten Band, auch zum Xten Mal, wenn auch deutlich weniger häufig als die meisten hier :wink2: - als ich POB entdeckt habe war mein Englisch noch nicht gut genug fürs Original, aber gut genug um mit der Übersetzung nicht mehr zufrieden zu sein. Ich habe beim Erstlesen bis zu Band 5 auf Englisch gelesen, wobei mir bergeweise was entgangen ist, dann nochmal einige wenige auf Deutsch um der Details willen, sowie 1-3 als Hörbuch auch jeweils mindestens einmal in jeder Sprache, und habe dann beschlossen erst mein englisches Leseverständnis zu verbessern.

    Wie auch immer, eines ist mir entweder komplett entfallen oder diesmal überhaupt erst aufgefallen: als die Sophies die Cacafuego entern wollen und jeder Mann gebraucht wird, bietet Stephen sich an das Steuer zu übernehmen. Und ich wundere mich: wieso, bzw. woher kann er steuern? Hatte ich da sehr gepflegt Tomaten auf den Augen und das übersehen, oder wurde das vorher nicht erwähnt? Tordenskjold, der die Bücher häufiger gelesen hat als ich, kann sich auch nicht erinnern, allerdings ist es bei ihm seit dem letzten Lesen sehr lange her.

    "The pessimist complains about the wind; the optimist expects it to change; the realist adjusts the sails." (William Arthur Ward)