HMS Mercury - Fregatte der Enterprize-Klasse; Shipyard-Kartonmodell, 1:72

  • Vielen Dank für euer Lob, das spornt immer wieder an. ^^


    Übrigens habe ich heute nochmal an den Wanten gearbeitet. Aber nun nicht in dem mir ja durchaus nicht wesensfremden "Abriss-Modus", keine Bange. Doch mit einem einäugigen Blick in Längsrichtung sah ich, dass der Großmast einen leichten Drang nach Steuerbord zeigte. Also an Steuerbord alle Taljereeps gelockert, wodurch natürlich auch die an Backbord an Spannung verloren. Dann dort alle, beginnend bei dem bugwärts befindlichen Taljereep, nachgespannt, dann auf Steuerbord auch wieder ein wenig angezogen, und schon stand der Großmast exakt senkrecht, wie sich das gehört. Genauso haben die das früher auch am Original gemacht.
    An sich ist der "Schiefstand" logisch: Das erste Wantpaar, welches ich aufgelegt hatte, war Steuerbord. Beim Straffen entsteht natürlich ein einseitiger Zug auf den Mast, und wenn dann das erste Wantpaar auf der Backbordseite gesetzt wird, gibt es hier beim Spannen ja den Widerstand der anderen Seite, so dass der Mast zwar ein wenig, aber eben nicht vollständig wieder in die exakte senkrechte Position zurückgeholt wird. Man nimmt dann diesen Fehler quasi bis zum letzten Want mit.

  • Da ich noch immer auf eine Lieferung Takelgarn warte und mir deshalb noch nicht mein Großstag schlagen kann, habe ich schon mal angefangen, das Auftakeln des Untermastes vom Besan vorzubereiten. Dazu dieses "Symbolbild":


    Ihr seht da ein Tau liegen - das wird das erste Wantpaar, ist bereits gekleedet. Und jetzt kommen die Fragen, stimmt's? :D Schraubstock und Proxxon? Und was ist das da auf der Scheibe? :hmm:
    Ich habe heute nicht nur die Wantjungfern für den Besan, sondern auch noch alle für die Pardunen ausgekeept, d.h., jede Öffnung mit einer Führungsnut für das Taljereep versehen, wozu ich die 4mm-Jungfern eine nach der anderen in einer Drahtöse vorsichtig in den Schraubstock gespannt und dann mit einem 0,5mm-Bohrer die Keepen gefräst habe. Und da die Jungfern bei mir alle schwarz gepönt werden, habe ich mir diese Methode mit den Nadeln und einem alten Korkuntersetzer einfallen lassen. Durch das schräge Durchstecken zweier Nadeln halte ich die Teile auf einer Höhe, in der ich sie gut von allen Seiten streichen kann.


    Das wollte ich einfach mal zeigen. ^^

  • Your English is really one wall free @Bonden'.
    ^^
    Spannend was du da wieder zeigst.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Nun ist das Tau endlich da, und ich konnte mir mein Großstag schlagen. Nach dem Ankertau ist das das dickste Stück Faden, was so ein Schiff damals an Bord hatte. Also nahm ich 3x 1mm Amati schwarz und reepte mir damit ein feines Großstag. Hier mal im Vergleich mit einem Wanttau für den Großmast, da waren es 3x 0,5 mm.


    Dann wurde es im Bereich des zu fertigenden Auges gekleedet und dabei auch gleich in der Kleedemaschine die Stagmaus gefertigt, die ein Zuziehen des Auges am Masttop verhindern soll. Dann muss der Abstand gemessen werden, um die Herzkausche für das Straffen des Stages einzubinden.


    So vorbereitet kann es dann schon an den Mast. Mit einem kräftigen Taljereep werden nun die beiden Herzkauschen des Stags und des Stagkragens straff miteinander verbunden, anschließend wird die Talje provisorisch gesichert, um später, wenn das stehende Gut komplett dran ist, alles nochmal nacheinander nachzustraffen, ehe dann alle Taue endgültig fixiert werden.



    Nach dem selben Prinzip wird dann das Großborgstag gefertigt und angebracht. Hier mal ein Blick zum Masttop; das Großstag liegt vorschriftsmäßig unter dem Großborgstag (Shipyard meint in der Bauanleitung übrigens, es genau anders herum zu bauen...).


    So, dann gab es noch ein paar Restarbeiten am Fockmast. Mein Ausguck hat sich ganz schön gewundert, als hinter ihm plötzlich rege Betriebsamkeit herrschte.
    Ihr seht da zum einen dicken Block, der am Masttop befestigt wurde, und dann noch eine eingebundene Kausche eines zweischenkligen Stropps, deren beide Enden jeweils über eine Längssaling und der darauf sitzenden Kalbe befestigt ist. Die Taue, mit denen der Block bzw. die Kausche eingebunden wurden, wurden vorher vorschriftsmäßig gekleedet. Das Anbringen selbst war dann eine ganz schöne Fummelei - tja, selber schuld, da hätte ich auch eher dran denken können, als z.B. die Marsplattfom noch nicht angebracht war.



    Nun fragt sich der eine oder die andere sicher, wozu diese Teile da sind? Ich will das gern erklären (auch wenn vielleicht niemand fragt :D ).
    Hier mal eine Zeichnung mit allen Stagen, die an so einem Schiff sind:


    Stage dienten der Stabilisierung der Masten in Längsrichtung. Genau wie die Wanten, die die Querrichtung sichern, muss es ständig möglich sein, sie nachzuspannen. Deshalb ist es zwar eine Vereinfachung, sie am Modell einfach an den nächsten Mast zu binden, aber richtig ist es keinesfalls. Bei meiner Mercury jedenfalls werden sie so gebaut, wie es der Praxis entspricht. Das zur Einleitung.
    Also, der Stropp mit der Kausche ist für das Großbramstag da, hier die Nummer 52. Dieses Stag, von der Bramstenge des Großmastes kommend, hat an seinem Ende auch eine Kausche eingebunden. Diese beiden werden dann mittels eines Taljereeps straff verbunden.
    Der dicke Block dient der Weiterführung des Großstengestags (Nr. 40). Es kommt aus dem Top der Marsstenge des Großmastes, wird durch diesen Block nach unten geführt. An Deck ist neben dem Fockmast dafür als Gegenstück ein Augbolzen eingelassen, an dem ein Stropp mit einer Kausche befestigt ist. Auch das Ende des Stags hat eine eingebundene Kausche, und so werden diese auch hier wieder mittels Taljereep verbunden und das Stag so straff gesetzt.


    Und wie ich das so schreibe, sehe ich, dass ich da am Top des Fockmastes noch eine Kausche anbringen muss: Auch das Groß-Oberbramstag, Nr. 55, wird dort befestigt... Ok, das dann morgen.


    Aber das war noch nicht alles an Werftneuigkeiten...

  • Jetzt geht es dann auch an den Besanmast. Auch hier wird zuerst das Ladetakel angebracht; im Gegensatz zu Fock und Groß ist das dort nur ein einfaches Takel, also oben ein Doppelblock, unten ein einfacher Block, der an einem durchweg gekleedeten langen Stropp befestigt ist, an dessen Ende ein Haken eingebunden ist. Dieser wird in einen Augbolzen im Rüsteisen eingehakt; die holende Part der Talje habe ich jetzt erstmal auf einen Belegnagel innenbords gelegt.

    Und dem aufmerksamen Auge ist es natürlich nicht entgangen: Auch das erste Wantpaar ist da, und zumindest ein Tau ist auch schon fertig:


    So, nochmal geschaut, ob alles so ist wie es sein soll:



    Jo, passt - und so sieht meine Mercury heute bei Werftschluss aus:


  • Das war wie immer hoch informativ und sollten wir jemals in die Verlegenheit kommen, ein Vollschiff neu riggen zu müssen, werden wir das dank Deiner Anleitung mit Links erledigen. :th:
    Ich bin mir ganz sicher, bei Jack Aubrey kämst Du nicht ungepresst davon. nav9

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Kalben nennt man die abgerundeten Hölzer, die auf den Längssalingen liegen und verhindern sollen, dass die Wanttaue geknickt werden; also das selbe Prinzip wie die Keepen (Rillen) in den Öffnungen der Jungfern, die für eine knickfreie Führung der Taljereeps sorgen.
    Da Shipyard diese Teile übrigens nicht vorgesehen hat, habe ich mir die aus Balsaholz selbst gefertigt.

  • Ich bin derzeit u.a. mit den Unterwanten des Besan beschäftigt. Und da man ja ständig den Blick über des gesamte Modell schweifen lässt, ist mir ein blöder Fehler aufgefallen, der dann mal wieder zu einer - wenn auch sehr kleinen - Abrissaktion geführt hat. An sich nicht der Rede wert, aber mich hat es schon mächtig gestört. Also, was ist passiert?


    Ich bemerkte, dass die beiden hinteren Wanten nicht richtig im Masttop auflagen. Hier kann man genau sehen, wie das hinterste Wanttau im oberen Bereich das Tau davor kreuzt.


    Anstatt neben dem vorigen Wantenpaar lagen auf beiden Seiten die hintersten Wanttaue über diesen und kreuzten sie dann auf dem Weg nach unten. Das lag daran, dass das Auge, welches ich da eingebunden hatte, nicht passte. Man benötigt dort ein "unsymmetrisches" Auge; der Part, der bugwärts um den Masttop liegt, muss bedeutend länger sein als der, der heckwärts zeigt. Also wurden diese Wanten wieder gelöst, Stag und Borgstag kamen nochmal runter, damit ich die Wanten "scherenfrei" abbekam. Dann wurde das Auge neu gefertigt, wieder aufgelegt, die Wanten wieder steif gesetzt und die beiden Stage wieder angebracht.
    Und so sieht es jetzt aus – kreuzungsfrei, wie es sich gehört.


    Und ich weiß jetzt, wie ich es am Besan - denn der hat auch eine ungerade Zahl an Wanten (5) - besser mache. ^^

  • Als ich "blöder Fehler" las, befürchtete ich schon für einen Moment, Deine Decksbeplankung wäre mit rechtsdrehenden statt linksdrehenden Kulturen angelegt worden und Du müsstest nochmal ganz von vorn anfangen- Puh, Glück gehabt.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)