HMS Mercury - Fregatte der Enterprize-Klasse; Shipyard-Kartonmodell, 1:72

  • So, hier gibt es noch etwas vom alten Jahr, also von gestern, nachzutragen:


    Bevor das alte Jahr geht, wollte ich auf jeden Fall mit dem Wantensetzen begonnen haben. Und was soll ich sagen? Es hat geklappt! Die ersten beiden Wanten stehen!


    Dem aufmerksamen Beobachter (den Beobachterinnen auch...) wird es auffallen, dass ich meine Rüstjungfern schwarz gefärbt habe. Auch das war wieder Ergebnis von Recherche und einer Diskussion mit Leuten, die gefühlt seit 1000 Jahren nichts anderes machen als ein historisches Segelschiff nach dem anderen zu bauen. Und guckt man sich die Victory in Portsmouth an, sieht man, dass es dort genau auch so ist.


    Das Einbinden der Wantjungfern ist ein Geduldsspiel. Schließlich sollen ja diese Jungfern später alle den gleichen Abstand zu den Rüstjungfern haben, also heißt es immer wieder probieren, zusammenbinden, aber nicht zu fest, schauen, korrigieren... Ich brauchte einige Versuche, ehe ich wieder "drin" war. Das Taljereep, also das Tau, welches die Jungfern verbindet und mit dem man die Wanten schön straff setzt, habe ich aus drei 0,1mm starkem Amati-Garn geschlagen und dann noch etwas eingefärbt. Die Vorgabe lautet, dass das Taljereep in etwa halb so stark sein soll wie die Wanten. Das kommt bei mir rein optisch hin, real nicht ganz, da die Wanten aus 3x 0,5 mm geschlagen sind. Aber wenn ich das Taljereep noch dicker gemacht hätte, hätte ich Mühe gehabt, dies durch die Löcher in den Jungfern zu bekommen. Und ich finde, so sieht es richtig gut aus.


    Tja, und es gibt immer etwas, was man noch besser machen kann: Heute weiß ich, dass die Tauenden der Wanten die Wanten immer auf der Innenseite kreuzen, nie außen. Aber glaubt mir, bei normalem Betrachtungsabstand erkennt man das nur mit superguten Augen und optimalen Lichtverhältnissen. Dennoch, bei den nächsten Wanten wird das selbstverständlich beachtet. ;)

  • Und einmal mehr haben wir etwas gelernt. Wenn Du mit Deiner Mercury fertig bist @Bonden, könnten wir uns alle treffen und einen Dreimaster unserer Zeit problemlos auftakeln. ;)
    Das notwendige Wissen haben wir dank Deiner Erklärungen bis dahin allemal. :sail:

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Danke für die netten Worte, Speedy! :thumbup:


    Urlaub vorbei! :cry: Morgen hat mich der Ernst des Lebens wieder, dann heißt es wieder warten aufs Wochenende, um in der Werft weiterzukommen. Aber immerhin gehe ich mit einer kleinen Freude in die Werftpause: Es ist Fockwantenhalbzeit! Acht von 16 Wanten stehen. (Leute, die 'nen Marinekutter bauen, wären bei dem Stand fertig... :lol:)


    Und wie ich so die Bilder bearbeite, sehe ich, dass es da noch ein wenig nachzuspannen gibt - ist schon erledigt, aber dafür wollte ich jetzt nicht nochmal die Kamera bemühen. Da wird sowieso im Laufe des Baus immer wieder nachzuspannen sein; bis jetzt schaut es jedenfalls gut aus, was die ungefähre gleiche Höhe der Wantjungfern anbelangt.


    So, jetzt noch ein paar Bilder, und dann geht's am Wochenende wieder weiter.



  • Hier ist noch was nachzutragen, und zwar vom vorigen Sonntag:
    Da ist das hier passiert:


    Irgendwer meinte, an Steuerbord wäre die Höhe der Wantjungfern nicht korrekt, also...


    Upps, war ja Backbord! :D


    Na, geschockt? Nee, nicht wirklich - wer meinen Baubericht bis hierher verfolgt hat, wundert sich über gar nichts mehr.
    Hintergrund ist die Reeperei. Ich war einfach unzufrieden mit dem Ergebnis meiner Tauschlagerei bei den dünnen Taljereeps. Nachdem ich dann aber die entscheidenden Tipps bekam, wie ich es besser machen kann,
    kamen plötzlich genau die Taue aus meiner Reeperbahn, die ich wollte. Also wurden die alten abgeschnitten und durch die neuen ersetzt - und betrachtet euch jetzt die vorher-nachher-Bilder, und ihr werdet mir Recht geben:


    Selbstverständlich hab ich das auch an Steuerbord gemacht. Und so bleibt es jetzt!


    Dieses Posting ist sehr wichtig! Und zwar für das jetzt folgende. :P

  • Und so bleibt es jetzt!

    Selten so gelacht! :lt:



    Jetzt hält mich wahrscheinlich auch der letzte bisher noch positiv gestimmte Mensch hier für total bekloppt, aber ich hab die Wanten wieder runtergefetzt.
    Nun ja, gefetzt stimmt nicht ganz, die Taljereeps sind ganz geblieben, die werden nochmal verwendet.


    Was ist passiert? Ich habe ja erst kürzlich gezeigt, dass ich durch neue Erkenntnisse bezüglich meiner Tauschlägerei zu besseren Ergebnissen gekommen bin. Und da habe ich mir auch meine Wanten sehr kritisch betrachtet. Also wurde probehalber ein neues Wanttau geschlagen. Holla! Und schon war die Entscheidung gefallen; ich hätte mich sonst einfach nicht mehr wohlgefühlt mit meinem Schiffchen. Wenn man was besser machen und es auch noch ohne größere Abrissarbeiten umsetzen kann, dann soll man es auch tun. Nach der Devise handele ich ja bekanntlich schon einige Zeit bei meiner Mercury.


    Aber seht selbst: Das erste neugeschlagene Wantenpaar, natürlich wurde das vordere Wanttau wieder durchgehend gekleedet. Daneben habe ich nochmal eins von den alten Tauen steifgesetzt. Man erkennt deutlich die viel zu lang gezogenen Kardeele - sieht nicht wirklich gut aus:


    Die Hälfte der Wanttaue ist bereits neu geschlagen; Takelgarn ist alle, Nachschub wurde bereits bestellt.
    Auf jeden Fall haben diese Wanten jetzt relativ große Chancen, etwas länger an meinem Schiffchen verweilen zu dürfen...


    Bei der Gelegenheit wurde dann auch noch eine andere Korrektur vorgenommen: Ich hatte das eine Ende des Seitentakels an einer sehr ungünstigen, um nicht zu sagen total falschen Stelle des Rüstbrettes mittels eines dort eingelassenen Augbolzens eingehakt. Kenner der Materie sehen das auf dem obigen Bild: So kann der Penterbalken nicht zum Einsatz kommen, da sein Auflieger direkt hinter diesem Takel ist. Der Herr dafi war so freundlich, mich darauf hinzuweisen, danke! Also einen neuen Augbolzen ins Rüsteisen gesteckt und befestigt, vom Seitentakel genug Spannung genommen, um es da unten auszuhaken, dann den Haken in den neuen Augbolzen, wieder straff ziehen und belegen. Jetzt ein Wantenpaar nehmen und die beiden Enden so legen, als ob das linke Ende die Pardune ist, die später an der kleineren Jungfer befestigt wird. Penterbalken in die Halterung - passt!


    Und wenn ich mir da jetzt so das Tau des Seitentakels anschaue... Da geht auch noch was! search

  • Ahoi Master Bonden,


    Euer Baubericht liest sich fast so gut, wie jeder geschichte hier an Board. Wenn Du dabei bist, solltest Du vlt auch noch einmal prüfen, ob man die Geschütztakelung ... Du weißt schon, was ich meine. Deine Verbesserungen beim Schlagen der Taue sind schon mehr als beeeindruckend. Da bekomme ich richtig Lust, meine kleine in ferner Zukunft auch aufzutakeln. Ich muss mir nachher noch einmal anschauen, mit welcher Vorrichtung die Taue kleidest.


    Weiter machen.

    Gruß Christian


    Auf dem Zeichenbrett und in der Werft: Naval Cutter Alert, 1777
    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • Wenn Du dabei bist, solltest Du vlt auch noch einmal prüfen, ob man die Geschütztakelung ...

    Weiche von mir, Satan! :evil: Netter Versuch, aber wenn ich da jetzt anfange, sind die Abrissschäden irreparabel. Nee nee, das lass mal nach! :D


    @Grolanner und @dafi Feine Diskussion mit, wie ich finde, überzeugenden Argumenten von Herrn dafi. Danke dafür! Ich finde den Ansatz aber gut, es erstmal grundsätzlich in Frage zu stellen, ob "schöner" automatisch auch "historisch korrekter" bedeutet. Da haben Diskussionen an anderer Stelle, zu anderen Themen in Zusammenhang mit historischen Schiffsmodellen, schon interessante Ergebnisse gebracht. 8)

  • Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Bilder zwar oftmals verborgene Fehler gnadenlos aufdecken, andererseits aber auch die Perspektive verändern, bzw. verzerren. Deshalb kann man vermutlich nur unmittelbar am Modell sehen und einschätzen, ob die Verhältnisse stimmen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Auf jeden Fall haben diese Wanten jetzt relativ große Chancen, etwas länger an meinem Schiffchen verweilen zu dürfen...

    Ok, es bleibt auch bei dieser Aussage. Die Taljereeps hingegen... :whistling:


    Ich durfte jetzt lernen, dass nicht nur das stehende Gut geteert wurde, sondern auch Teile des laufenden Guts, wenn auch nicht so intensiv wie das stehende. Ich zitiere hier mal einen Fachmann:
    "Alle Stricke, die in Bereichen angebracht waren, die mit Meerwasser in Berührung kamen, waren grundsätzlich durch die Verwendung von Stockholmteer geschützt. Die einen mehr (Wanten, Stage, Wasserstage, Pardunen), die anderen weniger (Taljen, Takel usw.), also Tauwerk, das bewegt werden mußte, aber nicht zum "Laufenden Gut" gehörte. Takel und Taljenwurden mittelstark geteert, Laufendes Gut leicht, und Stehendes Gut stark geteert "


    Und ein weiterer Fachmann meint: "Die hellen Taljen an Modellen sind ein Fauxpas, der sich durch alle Modellbaugenerationen durchzieht."


    Ich habe gute Gründe, diesen Leuten zu glauben. :thumbup: Und es gibt sehr schöne Modelle, die dunkle Taljereeps zeigen. Es gibt aber auch wunderschöne und historisch auch sehr genaue Nachbauten, wie z.B. die schwedische Fregatte Gotheborg: In diesem Video wird so etwa ab 3:00 gezeigt, wie sie die Wanten nachspannen - mit geteerten Taljereeps.


    Und so wird wieder mal was abgeändert...
    Die Taljereeps kommen nochmal ab, nehmen ein Tauchbad in extrem dunkler Beize und dürfen dann wieder an Bord.
    Hier mal der Vergleich alt - neu. Der damalige Teer war ja nicht schwarz, sondern eher von dunkler brauner Farbe. Und wenn denn solche Taue wie die Taljereeps nur mittelstark geteert wurden, könnte es so ausgesehen haben wie jetzt an meiner Mercury. Eins von den bisherigen Taljereeps habe ich daneben über die Rüstjungfern gelegt.


    Wer jetzt aufmerksam mitgelesen hat, könnte sofort einwenden, dass, wenn das mit der Farbe des Teers damals stimmt, meine Wanten auch nicht schwarz sein dürften. Stimmt! Aber die bleiben so - irgendwo ist da eine Grenze, die ich nicht überschreiten will. :P


    Beim nächsten Schiff wird das dann aber beachtet. ^^

  • Die farbliche Differenz sieht absolut fantastisch aus.

    Gruß Christian


    Auf dem Zeichenbrett und in der Werft: Naval Cutter Alert, 1777
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  • Ich glaube, @Bonden hat mit dem Teeren tatsächlich Recht und wir mal wieder etwas gelernt:



    Zitat von William Falconer

    ROGUES-YARN, a name given to a rope-yarn, of a particular construction, which is placed in the middle of every strand, in all cables and cordage in the king's service. It differs from all the rest, as being untarred, and twisted in a contrary manner, by which it is easily discovered. The use of this contrivance is to examine whether any cordage, supposed to be stolen or embezzled, has been formed for the king's service.


    Wie Falconer schreibt, wird sämtliches Tauwerk bis auf das Rouges Yarn (das hatten wir doch auch erst) geteert. Offenbar muss das demnach bereits bei der Herrstellung des Tauwerks erfolgen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Ich meine, auch Steel beschreibt das Teeren der Taue, auch der Webleinen. Ich hatte mich daraufhin bei diesen für mein Schnittchen für ein Hellbraun entschieden.


    XXXDAn

  • Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es ist schon Wahnsinn, was man beim Lesen dieses Bauberichts so ganz nebenbei lernt. :bravo:
    Nur leider macht mir das die Arbeit am eigenen Modell nicht gerade leichter.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Glaub mir, Speedy, so manches von dem, was ich hier zum Besten gebe, weiß ich auch erst, seit ich mich mit so komischen Leuten *zu dafi schiel* abgebe. :D
    Und seitdem geht's mir auch so: Macht das Bauen nicht einfacher.
    Aber interessanter und für mich viel zufriedenstellender. ;)

  • Auf jeden Fall schützt es ein wenig davor, später mit einem unguten Gefühl auf das fertige Meisterwerk zu schauen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Ich glaube allerdings, das die Hermione kaum noch reine Hanfseile fährt. Die Seile sehen von der Machart her sehr nach Spleitex (Polypropylen Seilgarn) aus.
    Die Fasern sind weinfach zu gleichmässig meines Erachtens nach.

    Ich hab gerade bei den Franzosen nachgefragt :-)


    Scheinbar schon. Es wurde extra der Seilemacher der Götheborg engagiert, er hat an Bord den Rang des Oberbootsmanns.


    http://www.letelegramme.fr/fin…s-14-08-2015-10739070.php


    XXXDAn

  • @dafi ?????? kann ich "froggisch"? pillepallenono
    Nö. Kann ich nicht. :baeh:
    Also haben sie nun Spleitex oder doch alles original aus Hanf gemacht.
    Wenn letzteres, dann fände ich das total klasse!
    :geil:


    aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Warum denn Seile machen, wenn man das Zeug auch rauchen kann? :sm:
    So verrück sind doch nicht einmal die Franzosen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)