HMS Mercury - Fregatte der Enterprize-Klasse; Shipyard-Kartonmodell, 1:72

  • @Lord Croidon An einem anderen Ort in den Weiten des WWW (manche sagen auch Götterforum dazu :D ) wurde dieses Thema in einer sehr ausführlichen Expertendiskussion hoch und runter beredet. Und das Ergebnis dieser Diskussion hat @Angarvater mit einem Satz sehr schön auf den Punkt gebracht.
    Oftmals gab es Leitern, die von der Kuhl auf die Back führten. Die sind bei meinem Schiff aber nicht möglich, da fehlt einfach der Platz wegen der Geschütze, die dicht an der Kante des Vordecks stehen. Denkbar ist aber, dass man an den Stellen stattdessen damals kleine Strickleitern hatte. Im Übrigen kann man davon ausgehen, dass sich Janmaat durchaus zu helfen wusste. Hier im Bild die von mir mal "Johnny-Methode" genannte Variante:


    Und auch die Reling bot ausreichend Platz, um darauf auf die Back zu balancieren, zumal dabei ein Festhalten an den Pardunen möglich war.

  • Seltsam sieht es trotzdem aus.
    Und was machten die Herren vom Achterdeck?


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Und was machten die Herren vom Achterdeck?

    Nun, die blieben da wo sie hingehören - auf dem Achterdeck. :D


    Nee, Quatsch, auch die gingen eben diese möglichen Wege. Jack Aubrey mit seiner Körperfülle war sich ja nie zu fein, notfalls bis zur Bramsaling aufzuentern, meinst du, dem hätte da der Weg über die Ankerbeting oder die Reling etwas ausgemacht? ;)

  • Glaube kaum. Aber irgendwie ist das nicht stimmig für mich.
    Wenn’s für dich und das Götterforum ok ist... dann setze ich mich wieder still ins Eck.


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • @Lord Croidon und @Aga Ich bin euch beiden ja zu riesengroßem Dank verpflichtet. :thumbup::danke: Eure Zweifel haben mir keine Ruhe gelassen, und so suchte ich nochmal alle Belege zusammen, die erläuterten, warum das so war wie es war. Was ich dabei fand: Ja, die originalen Baupläne der für die Schiffsklasse namensgebenden und baugleichen Enterprize zeigen auch, dass diese Gangway nicht durchgängig bis zum Backdeck verlief. Warum auch immer diese Lücke dort war - es muss einen guten, uns leider nicht bekannten Grund geben, warum das so und nicht anders gebaut wurde.


    Aber auf der Suche nach weiteren Belegen wie Fotos vom aus dieser Zeit stammenden Werftmodell der Enterprize im NMM in Greenwich stieß ich auf Bilder vom Modell der Enterprize der Firma Shipyard. Shipyard hatte ja zuerst die Enterprize in 1:96 auf den Markt gebracht, um dann Jahre später mit der Mercury im Prinzip das selbe Modell nochmal, nur mit anderer Galionsfigur und anderem Namen am Heck, herauszubringen. Und da sah ich die Lösung! Aber wieso wurde die nicht auch bei der Mercury angewandt? Also nochmals intensiv die Bauanleitung durchgeschaut, aber genau diese bewusste Stelle spart die ständig aus. Dann aber, auf der Rückseite der Bauanleitung, wo es nochmal viele, zum Großteil sehr kleine Fotos des fertigen Modells gab, erkannte ich mit Hilfe der Lupe, dass auch die Mercury diese Lösung hat.
    Und so blätterte ich nochmal alle Lasercut-Bögen durch, auf der Suche nach bisher ungenutzten Teilen. Da gibt es ja durchaus einige, teilweise, weil ich andere Lösungen gefunden habe, teilweise, weil es da ja noch was zu bauen gibt. Dabei stieß ich dann auf die Teile 34c und 34d, die mich ahnen ließen, dass ich auf einer ganz heißen Spur bin. Ich also wiederum die Bauanleitung durchforstet, aber nirgends wird gezeigt, wo diese Teile hinkommen. Und da stand dann für mich fest, dass das genau meine Teile sind, die ich jetzt benötige.


    So sahen die in unbemaltem Zustand aus, ein Pärchen wurde schon zusammengeklebt:


    Und da ahnt man schon, was das wird - genau:


    Denkbar wäre jetzt noch ein loser Handlauf in Form eines oder zweier Tampen, der von der Vorderkante des Decksbalkens herabbaumelt, aber ich glaube, es geht auch so. ^^

  • Schön das ich helfen konnte.
    Immerhin müsstest du dafür nix abreißen.


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • Die Laufgänge wie wir sie aus dem Age of Sail kennen sind insbesondere auf kleineren Kampfschiffen eine relativ späte Entwicklung.
    Ausgehend von den Vorgängertypen, den Karaken und Galeonen, könnte es so gewesen sein, daß man erst nach und nach erkannte, daß diese Laufgänge arbeitserleichternd sind. Auf den Karaken und Galeonen wären sie bei den Gefechten eher hinderlich gewesen, da man einen Gegner im Wesentlichen nur über die Kuhl erobern konnte, da die Vorder- und Achterkastelle nicht nur sehr hoch sondern auch nach oben hin wesentlich schmaler als die Hauptrumpflinien waren, also von dort nicht übergestiegen werden konnte, was zu Nelsons Zeiten weder vorn noch Achtern ein Problem war.


    Wenn man die Bilder und Zeichnungen aus dem 16. und 17.Jahrhundert ansieht findet man fast keine Niedergänge
    ( insbesondere nicht in Treppenform) zu Achterdeck und Back, sondern hier sehr stabile Schotten die in Richtung der Kuhl bestückt sind um, wie auch berichtet wurde, den dort eingedrungenen Gegner niederzukämpfen. Man erreichte Achtern und Back allem Anschein nur durch die Unteren Decks. Bei den späteren Fregatten und größeren Schiffen wurden, soweit ich das weiß, die Enterangriffe im Wesentlichen von der Back aus vorgetragen. Um vor dem Entern oder bei der Abwehr Kräfte verschieben zu können waren, nach dem man das erkannt hatte, die Laufgänge eine taktische Notwendigkeit.


    Aber wie ich vorab schon mal schrieb: bei den häufig sehr konservativen Seeoffizieren dauerte es seine Zeit bis man den veränderten Gegebenheiten Rechnung trug. Immer schön nach dem Motto: das haben wir noch nie so gemacht.


    Und die Herren vom Achterdeck? Was sollte der Kapitän und sein Stab beim Gefecht in der Kuhl oder auf der Back? Zum einen gab es dort die Subkommandierenden, die ihre Stationen selbständig führten, zum anderen verlöre so ein Kommandeur im Getümmel der Kuhl sehr schnell den Überblick. Ausgenommen eben solche überraschenden Sondermanöver wie sie Nelson bei der Eroberung feindlicher Schiffe praktizierte, bei denen er selber führte. Aber auch dann blieb sein Erster als Stellvertretender Kommandant auf dem Achterdeck um das Schiff von dort aus im Gefecht weiter zu führen.


    P.s. In Jack Aubreys Gestalt hat O'Brian m.E. nach gerade bei seinen Angriffsaktionen Lord Nelsons Verfahrensweisen in neuer Gestalt aufleben lassen. Was ja auch eine Art Homage ist.

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    3 Mal editiert, zuletzt von Angarvater ()

  • @Angarvater Danke für deinen interessanten Beitrag.


    Das Thema mit der nicht durchgängigen Gangway lässt mir einfach keine Ruhe. Und nun glaube ich auch, die Lösung gefunden zu haben: Die These, dass die Gangway in erster Linie ein Laufsteg vom Achterdeck auf die Back und zurück ist, halte ich für falsch. In erster Linie dient sie ja wohl dazu, das allmorgendliche Ritual des Hängemattenstauens zu realisieren. Und schaut man sich die Mercury genau an, sieht man an sich gleich, warum die Finknetze nicht bis an die Back reichen: Dann würde man nur unter erschwerten Bedingungen an die Taljereeps der Vorbrampardunen kommen.

  • Auch diese Variante ist durchaus denkbar. Aber so ist das wenn technische Systeme, und letztendlich sind auch die alten Segler solche, weiterentwickelt werden. Mal durchgespielt: führst Du Hängematten ein brauchst Du ziemlich schnell einen Lagerort dafür. Gut, da kommt einer auf die Idee, die Dinger in den Finknetzen auf der Reling zu stauen. Gut, dann brauchst Du aber eine Bedienungsebene. also einen Steg entlang der Schanz. Geht aber nur bis zu den Taljereeps der Pardunen. Auch gut. Aber dann kommt man über den Steg nicht bis zur Back. Also, musst Du eventuell die Pardunen anders takeln. Na gut, dann........ und so weiter und so fort.
    Das führt dann irgendwann dazu, dass man eine ganze Konstruktion von Grund auf neu macht, was aber wiederum reichlich neue Probleme schaffen kann.


    Aber wie hat mein großes Vorbild Daniel Düsentrieb gesagt: dem Ingenieur ist nichts zu schwör! :D:D:D

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    Einmal editiert, zuletzt von Angarvater ()

  • Ich denke auch, das dieLaufgänge eine weiterEntwicklung des 18. Jahrhundets sind, die dann gegen Ende und vor allem bei größeren Einheiten, zu einem fast geschlossenen Deck geworden sind. Das dann dasletzte Relikt von Vorder- und Achterkastell hat verschwinden lassen.


    Konkret zur Mercury ist mir auch durch den Kopf gegangen, daß, wie Von Bonden und Angarvater angedacht, die Plattformen nicht zur Verbindung von Back und Achterdeck gedacht waren Sonderfall eine Art Arbeitsbühne, die dann zur Verbindungsbrücke Erweitert wurde. Die Evolution geht eben manchmal seltsame Wege - auch in der (Schiffbau-)Technik ;)

  • Spannend was hier losgeht.
    Das eine bedingt das andere, klar.
    Aber durchgängig wäre die Bedienung der Prdunen vielleicht auch einfacher gewesen.
    Am Ende ist alles auf einen Wasserfleck im Plan zurückzuführen, der die Laufbrücken unterbrach. In Wirklichkeit sollten Sie durchgehen. :D
    Hatte da mal was mit einem WK2 Flieger, wo jeder Autor den gleichen Fehler vom anderen abschrieb, bis irgendwer Originalfoto und ein Wrack des types fand. Plötzlich war es natürlich nie so gewesen...
    Historie halt.


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • Wie anderen Orts zu lesen war, wurden die Finknetze erst deutlich nach der Einführung der Gangways entwickelt. Allem Anschein nach spielte bei der Einführung der Gangways der bessere Schutz der Artilleristen gegen Z.B. Scharfschützenbeschuss auch durchaus eine Rolle. Dabei ging es wohl nicht um Personalschutz im Sinne des heutigen Arbeitsschutzes, sondern eher um die Binsenwahrheit, dass von Scharfschützen des Gegeners getötete Artilleristen der Hauptwaffen in der Kuhl während des Einsatzes nicht zu ersetzen waren und den eigenen Waffeneinsatz sehr minimiertesten.


    Hmm, gab es also noch andere Gründe für die Lücken zwischen Gangways und Back? Oder doch ein Fehler in der zeichnerischen Darstellung? ( siehe Aga‘s Anmerkung)

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    Einmal editiert, zuletzt von Angarvater ()

  • Der Gedanke des Artilleristenschutzes kam mir auch schon.
    Könnte es sein das man dort eine „mobile“ Planke legte?
    Und im Tagesverlauf die Seitenplanke durchgängig war. Für den Einsatz im Gedecht wurde diese entfernt,um Enterern das stürmen über die Seiten zu erschweren?
    Man weiß es nicht...


    Aga

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    Adm. Horatio Nelson

  • So, hab ich euch jetzt restlos verwirrt?

    Wir haben alle unseren David Winter gelesen. Da kannst Du uns nicht mit ner Brahmstenge verwirren. ;)


    Die Diskussion zu den Laufgängen ist wirklich spannend, weil das so eine Sache ist, die ich schon immer wissen wollte, mich aber nie zu frage traute.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Ahoi allerseits,


    diese und jene Veränderungen haben bewirkt, dass ich, entgegen sonstigen Gewohnheiten, mitten im Sommer den im Februar unterbrochenen Werftbetrieb wieder aufgenommen habe. Und so starte ich mit ein paar losen Tauen:


    Der Kenner erkennt sofort: Das kenn ich doch! Na klar, wer brav seinen "David Winters Bramstengen-Almanach" gelesen hat, sieht auf den ersten Blick, dass das eine weitere Bramstenge ist. :D :D :D Der Großmast ist jetzt dran mit Etage 3.


    Bevor dieses Bild entstehen konnte, musste ich aber erstmal die Bramwanten schlagen - wieder aus 3 x 0,07 mm Polyestergarn. Die Großbramstenge trägt 3 Wanten (beim Besan waren es nur zwei), so dass die beiden vordersten jeweils paarweise mit einem eingebundenen Auge aufgelegt werden; die beiden einzelnen Wanten werden aus einem durchgehenden Tau mit einem durch ein eingebundenes Taustück hergestellten Auge hergestellt. Wie schon bei den Fockbramwanten wird auch hier beidseitig zwischen die beiden vorderen Wanttaue unterhalb des Stengehummers je eine Kausche eingebunden, die später der Führung von Topnanten dient.

    Anschließend wurden die vorgefertigten Wanten auf die Bramstenge gebracht. Jetzt kam wieder der spannendste Teil dieses Abschnittes: Die Tauenden mussten durch die Löcher in den Holmen der Quersaling gefriemelt werden, und das möglichst ohne diese empfindlichen dünnen Kartonteile abzuknicken. Die Taue wurden dann hinter die Püttingswurst der Marswanten geführt, ehe sie eine Kausche verpasst bekamen. So freihändig am Mast eine kleine Kausche einbinden ist schon eine gute Übung, um wieder richtig hinein zu kommen in den Takelmodus. :D :D :D

    Nun, ich erinnerte mich an meinen eigenen Beitrag in der Rubrik Tipps und Tricks. Zwar konnte ich hier keinen Schraubstock verwenden, aber schon der Trick, die Kausche vorher fest auf einen Zahnstocher zu schieben, sie dann rundrum mit Ponal Turbo einzustreichen und dann das Wanttau darum zu wickeln hat diese Arbeit erheblich erleichtert. Unter der Lupenlampe ist gut zu erkennen, wovon ich hier berichte.


    An den Rüstjungfern der Marswanten hatte ich bereits im Winter kleine Stropps mit Kauschen angebracht, und mit diesen wurden dann die Bramwanten mittels Taljereep steifgeholt.


    Und so schaut es jetzt aus:

    Es folgen nun die Pardunen und Stage. Die Taue dafür sind bereis geschlagen und das erste Pardunenpaar wurde bereits gekleedet und mittels Plattbindselung mit einem schönen Auge versehen.


    Es lohnt sich also, dran zu bleiben - hier geht es schon sehr bald zügig weiter. :nod:

  • Wunderprächtig, mein lieber Bonden, wunderprächtig

    Gruß Christian


    Auf dem Zeichenbrett und in der Werft: Naval Cutter Alert, 1777
    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."