HMS Mercury - Fregatte der Enterprize-Klasse; Shipyard-Kartonmodell, 1:72

  • Vielleicht hat sich Mondfeld davon täuschen lassen. Ich weiß, das grenzt an Ketzerei, aber man muss das ja auch mal sagen dürfen

    Das grenz nicht an Ketzerei. Der Mondfeld ist mittlerweile auch fast 40 Jahre alt. Wissen verändert sich und entwickelt sich weiter.
    Vieles was Mondfeld damals geschrieben hat, muss man -wenn man den von ihm beschriebenen Modellbau betreiben möchte- kritisch hinterfragen und anhand anderer Quellen bauen. Leider hat er wie viele andere Autoren die Quellen seines Wissens nicht genannt.

    Gruß Christian


    Auf dem Zeichenbrett und in der Werft: Naval Cutter Alert, 1777
    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • @dafi: Vielen Dank für den wirklich informativen Artikel. Demnach ist also @Bonden mit den Richtkeilen voll in seiner Zeit, während für meine 1812er Ringle die Richtspindel zum Einsatz kommt.


    @AnobiumPunctatum: Ehrlich gesagt habe ich bisher noch nie etwas von Mondfeld gelesen, sondern nur über ihn. Und daraus habe ich den gottgleichen Status abgeleitet.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Aber trotzdem sind die Richtkeile auf der Victory als Notbehelfe entlarvt.


    Es ist wirklich klasse, was man beim Modellbau so alles lernt. da wird man plötzlich zum Experten für Dinge, von deren Existenz man bisher nicht einmal etwas ahnte.
    Und Dein Baubericht @Bondenist in dieser Hinsicht ganz besonders ergiebig.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • @ dafi Schon Orazio Curti zeigt in Enzyklopädie des Schiffsmodellbaues, deren Erstausgabe meines Wissens nach, Anfang der 60.des 20.Jahrhunderts erschienen ist, die Zeichnung einer Karronade, bei der die Waffe mit der Spindel dargestellt wird. Zusätzlich hat Curti hier mit Strichlinien den Keil dargestellt, was m.E. nach wohl darauf schließen läst, daß es sich um ein Entlastungsbauteil für die Spindel auf Marschfahrt handeln könnte. (In der überarbeiteten Neuauflage 1992 Seite 402)


    Zu den Quellen: viele der Zeichnungen in den jüngeren Fachbüchern sind denen in Curtis und in älteren Büchern gelinde gesagt sehr ähnlich. Curti gibt natürlich auch eine Literaturliste im Anhang mit, ohne die einzelnen Zeichnungen den Quellen zuzuweisen. Und diese reichen immerhin bis ins 17.Jahrhundert zurück.


    Zu Mondfeld geht es mit seinen Veröffentlichungen so,wie fast allen Sachbuchautoren, daß neueren Veröffentlichungen immer mal wieder neue Erkenntnisse zu grunde liegen. So what? das ist in der Sachbuchliteratur normal, weil entwicklungsbedingt, und mindert den Wert einer alten Veröffentlichung m.E. nicht.


    Beste Grüße Angarvater

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • Zusätzlich hat Curti hier mit Strichlinien den Keil dargestellt, was m.E. nach wohl darauf schließen läst, daß es sich um ein Entlastungsbauteil für die Spindel auf Marschfahrt handeln könnte

    Das ist für mich eine schlüssige Überlegung, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Kräfte sonst allein schon durch die Schiffsbewegungen dauerhaft auf Spindel und Gewinde wirken würden.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Zumal man ja zu unserer Zeit noch keine Hochfesten Stahlschrauben in ausreichender Zahl fertigen konnte.
    Ich war gestern im LWL Freilichtmuseum Hagen, das ja sich auf Handwerke und frühindustrielle Prozesse spezialiert hat.
    Dort gab es eine Spindelpresse von ca 1800, bei der die Spindel total verbogen war, nur durch die Nutzung, und diese wurde nur benutzt, um Zigarren zu pressen.
    Insofern gehe ich auch davon aus, das der Keil zur Entlastung der Spindel ausserhalb von Drill oder Gefecht eingesetzt war.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Der Winter naht! Zwar ist noch kalendarischer Sommer, aber die aufkeimende Unruhe in mir beim Blick auf und bei den Gedanken an meine Mercury nahmen zu - ein untrügliches Zeichen, wofür auch immer. ^^ Und so habe ich vorfristig die Werftruhe beendet und mich nach monatelanger Abstinenz wieder mal an ein wenig Modellbau gewagt.


    Und da muss ich mit einem Lob anfangen: Die Ätzplatinen von dafi sind mal wieder Gold wert! Nachdem ich ja alle Rüstbretter angebracht und alle dazugehörigen Jungfern und Rüsteisen ebenfalls montiert hatte, wollte ich das Thema Rüstjungfern ein für allemal abschließen, was bedeutete, dass ich mich um die Marsplattformen kümmern musste. Die für den Großmast hatte ich zwar schon fertig, aber das war, bevor ich dafis Platinen für mich entdeckt hatte. Ich profitiere hier ja eindeutig von dem glücklichen Umstand, dass etliche Kleinteile für eine Victory in 1:100 richtig gut für eine 6-rate-Fregatte in 1:72 passen. So fand ich dann auch die Rüstjungferneinfassungen für die Marsen ideal für mein Schiffchen, so dass ich kurzerhand die früher mühevoll zurtechtgebogenen, aber eben doch nicht soooo toll aussehenden Selfmade-Teile abfetzte. Dafis Messingteile kamen ins Brünierbad, dann wurden die 4mm-Jungfern (bzw. 3,5mm für den Besan) reingefriemelt, anschließend wieder Nuten gefräst für die Taljereeps und dann konnten sie auch schon angebracht werden.


    Fock- und Besanplattform hatten noch kein Geländer, das wurde dann auch noch gebaut, und so schaut die Ausbeute des ersten Werfttages nach der Sommerpause aus:


    Außerdem wurden die Stückpfortendeckel für die Steuerbordseite für die Montage vorbereitet und an ein paar Figuren herumgemalt. Das zeige ich später, wenn's fertig ist.

  • Sehr schön, dass es endlich wieder wweiter geht @Bonden. Da bekomme ich auch gleich wieder dieses ominöse Kribbeln in den Fingern. Aber leider forder momentan immer noch der Garten sein Recht.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Bald schon geht es in die Höhe, und so langsam mache ich mir immer mehr Gedanken um Details der Takelage und dabei dann auch um die "Hardware", also die Blöcke in allen Varianten. Wie schon bei der Papegojan werde ich von den Shipyard-Selbstbau-Blöcken nur die nehmen, die ich nicht im Fachhandel aus Holz bekomme, und dann noch die Herzkauschen - die sehen richtig gut aus, siehe meine Bugspriettakelung.
    Nun hatte ich mir ja bei diversen Fachhändlern hier im Lande schon einiges an Blöcken zusammengekauft. Wie weiter vorn berichtet, habe ich mir bei einem US-amerikanaischen Onlinehändler eine Kleedemaschine gekauft und dabei mal probeweise zwei Tütchen Blöcke mitbestellt. Nun habe ich die Ami-Teile (im Bild rechts) mal direkt neben die gute deutsche Wertarbeit (im Bild links) gelegt und eine Entscheidung getroffen. Seht selbst; im Vergleich 4mm-Einfachblöcke und 6mm-Doppelblöcke:


    Noch Fragen? Meine Bestellung nach Übersee geht in den nächsten Tagen raus, ich will vorher nochmal genau schauen, welche Mengen ich so benötige.

  • So, es hat sich einiges getan auf meiner Werft. Zwar sind die vorzeigbaren Ergebnisse nicht so spektakulär, aber es gab jede Menge Aktivitäten.


    Da wäre zum einen zu vermelden, dass nun auch die Stückpfortendeckel an der Steuerbordseite und dann das Bugstag an der Backbordseite angebaut wurden - das war vor der Sommerpause noch als "Restant" geblieben.





    Dann wurden jede Menge Taue geschlagen und gekleedet, und ich habe meine Reeperbahn optimiert:
    Ich war ja anfangs begeistert von meiner kleinen Krick-Reeperbahn, zum einen, weil ich zum ersten Mal überhaupt Taue selbst geschlagen habe und zum anderen, weil es anfangs auch wunderbar flutschte. Gut, nach drei Tauen musste erstmal der Krampf aus den Kurbel-Fingern geschüttelt werden, aber jeden Tag mal ein bis zwei Taue schlagen schafft ja auch mit der Zeit.
    Bald jedoch wurden die erheblichen Nachteile deutlich: Da die beiden Scheiben, an denen die Garnenden befestigt werden (Plast-Zahnrad an der einen, Holzscheibe an der anderen), nur mit Sekundenleim auf Messingachsen gesteckt werden, lockern sich diese Verbindungen sehr schnell, so dass man ins Leere kurbelt. Nun ja, und dann das Kurbeln selbst - irgendwann hat man es eben satt.
    Ich finde die verschiedenen Selbstbau-Maschinen, die ihr hier zeigt, alle total faszinierend. Ebenso bin ich mir aber sicher, dass mir dazu ein paar entscheidende Dinge fehlen: Equipment, Können, Lust... Also überlegte ich, wie ich mit möglichst geringem Aufwand meine Krick-Bahn optimieren könnte.
    Nun, das Teil, welches man zum Verdrillen der einzelnen Adern braucht, war schnell verändert: Ich bohrte sowohl durch das Kurbelteil als auch durch die Zahnrad-Achse ein Loch und steckte Blumendraht hindurch, den ich dann zusammendrehte und die überstehenden Enden abschnitt. Jetzt sitzen Kurbel und Zahnrad bombenfest auf der Messingachse, und da das Verdrillen ja recht flink geht, stört es mich auch nicht, dass ich da weiterhin selbst die Kurbel drehen muss.
    Am anderen Ende waren die Veränderungen schon radikaler: Kurbel und Messingachse flogen in den Müll. Dafür bohrte ich die Öffnung auf 10 mm auf, so dass ein 12-V-Motor (gekauft bei Conrad) mit dem Ende, aus dem die Antriebsachse ragt, durchgesteckt werden konnte. In die Keilriemenscheibe, die dem Motor beilag (der Name steht so auf der Tüte), bohrte ich ein Gewinde und befestigte sie dann mittels Schraube auf der Holzscheibe mit den drei Haken für die Garnenden. Mein alter Eisenbahn-Trafo sorgt für den nötigen Strom.
    Und es funktioniert! Einziges dickes Manko: Der Motor scheint arg unterdimensioniert zu sein, es dauert viel zu lange, ehe ein Tau fertig ist. Da werde ich wohl nochmal zu Conrad gehen und schauen, wie ich da zu mehr Tempo komme.


    Alles in allem aber habe ich mit wenig finanziellem und arbeitstechnischen Aufwand meine Krick-Bahn erheblich verbessert. Die alten Takelfüchse unter euch werden dennoch nur müde lächeln, aber vielleicht sind ja meine Ausführungen für den einen oder die andere Reeper-Novizen eine Anregung.
    Hier noch ein paar Bilder:


  • Feine Sache,Deine Reeperbahn. Wenn ich mal groß bin und auch anfange Seile selber zu schlagen gucke ich mir die Technik bei Dir ab.
    Angarvater

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • So, was tat sich denn noch so?
    Mein Motto beim Modellbau: Wenn du mit etwas nicht hundertprozentig zufrieden bist, überleg, ob du es besser hinbekommen könntest - und wenn du diese Frage mit "Ja" beantwortest, reiß es ab und bau es neu.
    Das war der Grund für mich, den Klüverbaum abzunehmen. Für die Landratten der Hinweis, dass der Klüverbaum die dünnere Verlängerung des Bugspriets ist, also des schräg aus dem Vorschiff ragendenden Mastes. Ich war mit dem Rundholz nicht wirklich glücklich, und vor allem hatte ich vergessen, die Nock, also das vordere Ende, herauszuarbeiten. Außerdem kam ich nach vielen Blicken in den Schrage zu der Überzeugung, dass es besser ist, den Klüverbaum "an Land" soweit vorzubereiten, dass das spätere Auftakeln wesentlich leichter geht.


    Also erst einmal ein neues Rundholz genommen, dieses auf den richtigen Durchmesser geschliffen, diesmal auch die Nock ordentlich herausgearbeitet und dann den Pinsel geschwungen.
    Anschließend wurde dann diverses Tauwerk vorbereitet, was da alles ran muss.


    In der Übersicht sieht das dann Tageswerk so aus:

    Oben im Bild der alte Klüverbaum - bei dem hatte ich dann auch noch beim Bohren eines notwendigen Loches gepatzt...
    Gut zu sehen die Nock des neuen Klüverbaumes.


    Und jetzt die Erklärungen im Einzelnen. Der gut sichtbare Schlitz war im Original ein sog. Scheibgatt. In dieser länglichen Öffnung war also eine Scheibenrolle auf einer Achse angebracht, über die ein Tau laufen konnte. Hier am modell habe ich erst einmal zwei Löcher gebohrt. Dann wurde vorsichtig mit dem scharfen Skalpell eine nicht allzu tiefe Verbindungsnut zwischen den Löchern geschnitten. Den schmalen, nun etwas tiefer sitzenden Streifen zwischen den Löchern habe ich schwarz gefärbt, um so eine Rolle vorzutäuschen.
    Später läuft durch diese Öffnung ein Tau, der Klüver-Ausholer, mit dem das vordere Stag-Segel, eben der Klüver, bedient werden kann.




    Die beiden Taue, die da von der Nock weggehen, werden die Fußpferde. Man kennt ja die Fußpferde an den Rahen: Taue, auf denen die Matrosen stehen beim Segel bergen oder setzen, immer getreu dem Motto "Eine Hand für den Mann, eine für das Schiff." Tja, wenn am Klüverbaum was zu machen war, brauchten die Seeleute auch einen halbwegs sicheren Stand. Und es gab da durchaus Arbeit, denn unterhalb des Klüverbaums wurde auf diesem Schiff ein kleines Rahsegel, die Boven-Blinde, gefahren.
    Um den Sailors eine bessere Standfestigkeit zu gewähren, waren in diese Taue spezielle Knoten, die sog. Türkenköpfe, eingeflochten. Ich werde diese durch einfache Knoten darstellen.


    Was noch fehlt, sind zwei weitere Taue, die dicht hinter die Fußpferde kommen und im Prinzip genauso aussehen, aber natürlich eine andere Führung und auch eine andere Aufgabe haben - die Klüverbaum-Backstage. Sie dienten wie die Bugstage am Bugspriet, deren Takelung ich ja weiter vorn schon gezeigt habe, der seitlichen Abstützung des Klüverbaums.
    Beide, also die Fußpferde wie die Backstage, haben eine spezielle Anbringungsmethode, die ich auch an meinem Modell versucht habe anzuwenden: Die Enden der beiden Taue werden mit einem Buchtspleiß verbunden. Bevor ich das erkläre, klickt einfach mal hier: Klick!


    So, als nächstes soll dann ein Dreier-Stropp auf die Nock kommen. Ihr seht hier im Bild das Gebilde mit den drei Tau-Ösen, die nennt man Buchten. (Wenn ich euch jetzt erzähle, dass da im Original Kauschen reingehören... nee, ich lass es. ) Hergestellt übrigens aus selbst geschlagenem und danach gekleedetem Tau.
    Und wozu dient dieses komische Gebilde? An der mittleren Bucht wird später das Vorbramstag befestigt; die beiden seitlichen dienen als Führung für die Vorbram-Bulienen, Taue, die an beiden Seiten des Vorbramsegels befestigt waren und dazu dienen, immer die Seite des Segels nach vorn zu ziehen, die in Luv stand, wenn das Schiff hart am Wind segelte.
    Das erste Dreier-Stropp, das ich anfertigte, war irgendwie schief (im Bild oben), daher habe ich es nochmal gemacht (im Bild unten) - sieht jetzt viel besser aus.


    Das zweite Stropp, das mit den zwei Buchten, braucht man dann später zur Bedienung der Rah der Boven-Blinde.


    Last, but not least habe ich dann noch einen 3-mm-Einfachblock eingebunden und am unteren Ende mit einem Tau-Auge versehen. Dieser dient später der Bedienung der Boven-Blinde, also dem Rahsegel unten am Klüverbaum.


    So, ich hatte euch ja gewarnt. Alles wird besser verständlich (hoffe ich... ^^ ) wenn ich alles dran habe und der Klüverbaum wieder an seinem Platz ist.


    Übrigens sieht die Bauanleitung von Shipyard das meiste von dem, was ich heute gezeigt habe, nicht vor; lediglich die Backstage sind geplant. Und wenn ich den Schrage nicht hätte, wüsste ich das alles gar nicht und wäre vermutlich schon viel weiter.


    Danke, Herr Schrage! :danke:

  • Und weiter ging es. Nun ist die Klüverbaum-Nock vollgepackt mit allerlei Tauwerk, wie man hier unschwer erkennen kann:



    Die nach hinten weggehenden Taue - also einmal die Fußpferde, zum anderen die Klüverbaumbackstage - hängen noch lose herum und werden erst später befestigt.
    Dann war da noch der Ausholring zu bauen. Der ist wichtig für die Bedienung des Klüvers, also des vorderen Stagsegels. Was da wie genau passiert zeige ich, wenn es soweit ist, dass ich das laufende Gut baue. Ihn habe ich aus dickem Blumendraht gebaut, ein wenig gehämmert, ein wenig gelötet, ein wenig gestrichen, und ein Haken ist mit seiner Öse auch draufgesteckt worden. Der Ring kann und muss auf dem Klüverbaum hin und her fahren, je nachdem, wie der Klüver arbeiten soll.


    Was noch fehlt, sind zwei Einscheibenblöcke, die an diesen Ring angebracht werden. Der eine dient zum Niederholen des Klüvers, der andere zum Rückholen des Ausholringes. Ach, bauen wir sie doch schnell noch an, damit es komplett ist:



    Ich habe mich nun entschieden, den Klüverbaum nicht gleich wieder anzubauen. Im Moment wird er noch nicht benötigt, und da er ja doch ziemlich weit in den Raum ragt, besteht immer die Gefahr, dass man beim Bauen an anderen Enden des Schiffes irgendwie dran hängenbleibt. Außerdem wird so das Arbeiten am Bugspriet einfacher, denn da muss ja auch noch einiges ran, u.a. eine Rah, die sog. Blinde. Aber dazu später mehr, so weit isses noch nicht.


    Für diese Woche schließt die Werft wieder; weiter geht's frühestens nächsten Samstag.

  • Mensch @Bonden, Du legst ja zum Beginn der Werftsaison gleich ein ordentliches Tempo vor. Da bekomme ich direkt ein schlechtes Gewissen, selbst noch nicht wieder angefangen zu haben.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Tolle Beschreibung, Bonden. Ich hoffe, dass ich den Schrage irgend wann noch einmal als Buch günstig finde.
    Man merkt es wird Herbst. Angarfather baut wieder. Ich war am Sonntag auch mal wieder schnitzen ...

    Gruß Christian


    Auf dem Zeichenbrett und in der Werft: Naval Cutter Alert, 1777
    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • Dann will ich mal wieder mein Tätigsein der letzten Tage dokumentieren.


    So, heute geht's um Butluv-Spieren. Was ist denn das schon wieder, fragt sich jetzt vielleicht der eine oder die andere. Nun, das sind diese beiden langen Hölzer am Bug eines Segelschiffes, die jeweils schräg nach
    unten zeigen, so als wollten sie die Wellen aufspießen. Butluvs sind wichtig zur Bedienung des Focksegels, und zwar speziell um die dem Wind zugewandte untere Ecke dieses Segels, Luv-Schothorn genannt, möglichst weit in den Wind zu stellen, um ein Killen des Segels zu verhindern. Da das Schiff nun mal da vorn irgendwann zu Ende ist, zumindest die normal begehbare Fläche, sprich das Vordeck, so dass da keiner mehr mit einer Leine weiterlaufen und daran ziehen kann, bedient man sich eben dieser Butluvs. Später, wenn es so richtig losgeht mit dem Auftakeln, zeige ich das mal ganz praktisch.


    Shipyard hat keinerlei Hinweise, wie man diese befestigt. Es wäre ja zum Beispiel möglich gewesen, entsprechende Öffnungen vorzusehen - aber das wäre ja zu einfach. Außerdem war die im Bauplan vorgesehene Länge der Butluvspieren ein Witz - viel zu kurz. Es gibt da eine Methode, wie man die Länge und den ungefähren äußeren Endpunkt der Spiere bestimmt; an die habe ich mich gehalten.
    Eine kleine Konzessionsentscheidung habe ich getroffen: In "meiner" Zeit waren die Butluvspieren noch leicht gebogen, wurden erst kurze Zeit später gerade. Ich habe einfach mal unterstellt, dass die Mercury nach
    einem Gefecht ins Dock musste und dort die alten Butluvs ausgetauscht wurden. :P


    Aus entsprechenden dünnen Rundhölzern wurden die beiden Spieren gefertigt, also ordentlich abgelängt, fein geschliffen, die Nock herausgearbeitet und dann gestrichen. An das Ende kommt ein Schulterblock, und zwar so, dass die Schulter ihren Zweck erfüllt, nämlich zu verhindern, dass das später durchlaufende Tau sich bei ungünstigem Winkel bekneift. Hier die beiden Spieren, auf dem zweiten Bild erkennt man die Schulterblöcke sehr gut. (Diese sind übrigens aus gelaserten Einzelteilen hergestellt, allerdings nicht aus Karton, das sind Blöcke aus meiner USA-Lieferung).


    Nun ging es ans Befestigen. Dazu bohrte ich mir auf jede Seite des Vorstevens ein dünnes Loch in der gleichen Richtung wie später die Spieren verlaufen. Ich hatte nicht vor, den Holzstab durch den Karton zu schieben; vielmehr bohrte ich das untere Ende der Spieren vorsichtig auf, befestigte einen aus einer Hemdennadel gefertigten Metallstift, feilte vorher das Ende der Spiere leicht schräg, so dass es später glatt anliegen konnte und befestigte die Spieren dann mit Ponal Turbo ordentlich an Ort und Stelle.





    Man sieht hier die vom Bugspriet runterbaumelnden Backstage. die musste ich abnehmen, da sie mir im Weg waren, aber sie waren danach blitzschnell wieder drangehängt. Ja, ich weiß, ich weiß: Da fehlen noch die Wanten, die die Butluvspieren stützen. Die fertige "an Land" und schiebe sie dann nur über die Nock; erste Trockenübungen dazu waren erfolgreich. Kommt demnächst.


    An den Kranbalken wuden dann die Kattblöcke ordentlich angebracht und die Anker durften schon mal eine erste Hängeprobe absolvieren.


    So wird das später aussehen, natürlich ordentlich vertäut und auch mit Ankertau, welches aus der Klüse kommt. Waren schon gewaltige Hoschies, die beiden Pflichtanker!


    Und weiter geht's...

  • Was macht jemand wie ich, der zum ersten Mal in seinem Leben eine Fregatte aus dem 18. Jahrhundert baut? Richtig: Fehler! dash



    Ich muss gestehen, als ich am 13. April 2014 das Galion zusammengebaut habe, habe ich mir keine Gedanken gemacht, was dieses Loch in dem Teil da soll:

    Hier sieht man das Loch nochmal; später war es dann hinter den Galionsspanten und Galionsregeln verschwunden:


    Und so nahm das Unglück seinen Lauf. Das Galion wurde fertig gebaut, und lange Zeit war alles gut. Bis heute. Heute habe ich mich mal wieder intensiv mit dem beschäftigt, was so in absehbarer Zeit auf mich zukommt. Und dabei las ich dann auch im Schrage über den Stagkragen des Großstages. Kenner grinsen jetzt schon mitleidig: Genau - das Loch im Schegknie dient der Führung des Stagkragens. Wie soll ich den da jetzt noch reinbekommen? Nun kann man ja immer mal das Eine oder Andere abreißen, aber an dieser Stelle wäre es ein irreparables Gemetzel geworden.


    Um mal zu zeigen, wie es später aussieht, wenn man es richtig baut und damit deutlich wird, was ich meine, hier ein Bild eines Modells einer Fregatte ähnlicher Bauart: Klick mich Ihr seht von links oben ins Bild kommend das Stag des Großmastes. Dann kommt die Herzkausche, das Taljereep und die Gegenkausche des Stagkragens. Ihr seht, wie die beiden Seiten des Stagkragens links und rechts neben dem Bugspriet in der Galionsgräting verschwinden. Dort unten läuft das alles dann durch unser oben gezeigtes Loch in dem Schegknie genannten Teil.


    Tja, nun war guter Rat teuer. :hmm:
    Alternative 1: Den Kragen nur um den Bugspriet schlingen - ging ja bei der Papegojan auch.
    Alternative 2: Eine elegantere Lösung finden.


    Alle mal die Hand heben, die sich für Alternative 1 entschieden hätten? - Ok, ich mich auch nicht. :P


    Nach gründlicher Überlegung wurde beschlossen: Ich baue einen "offenen" Kragen, dessen beide Enden ich durch die Galionsgrätig popele, damit es aussieht wie richtig. Aber ich wusste, dass es trotzdem auch fest sein
    musste, schließlich wirken hier auch Zugkräfte. Zuerst wurde der Kragen gebaut. Ich kleedete ein selbstgeschlagenenes Tau, welches ich aus 3x0,75mm Amati-Garn geschlagen hatte, band eine Herzkausche ein, legte an einem Ende eine Bucht und band daran ein kurzes Stück des gekleedeten Taus fest.


    Mit viel Geduld gelang es mir dann, zwischen den Galionsregeln hindurch ein 0,75-mm-Tau zu schieben, damit das Loch im Schegknie zu treffen und an der anderen Seite wieder rauszukommen. Nun wurden die Enden von unten durch die an den entsprechenden Stellen etwas aufgeschnittene Gräting geschoben. Dann band ich die beiden Enden meines durch das Knieloch geschobenen Taus an die Enden meines offenen Kragen, richtig schön fest, mit vielen Windungen und noch mehr Leim.


    Jetzt kam der spannende Moment: Vorsichtig an den Enden ziehend setzte ich den Kragen steif, und das so, dass man ihm nicht ansah, dass unter der Gräting die Dinge nicht so sind, wie sie sein sollten.


    Jetzt kam das nicht leichte Unterfangen, das ganze Gebilde auch fest zu bekommen. Irgendwie ist es mir jedenfalls gelungen, die beiden Enden fest zuverknoten, zusätzlich wurden beide Enden dann noch zweimal durch die Öffnung für die Zurring gezogen, unauffällig verleimt und die Enden gekappt. Mehrere kräftige Zugproben am Kragen zeigen, dass es richtig gut fest ist. Puh, das ging nochmal gut!


    Die Butluv-Spieren, von denen ich ja vor kurzem berichtete, habe ich für diese Operation nochmal abgenommen. Nachdem dann der Stagkragen ordnungsgemäß saß, habe ich sie wieder angebaut - diesmal aber richtig, das heißt auch mit den Wanten, die diese Spieren später gegen den Druck, der von den Schoten des Focksegels kommt, schützen. Dazu wurde an der Nock jeder Spiere zuerst ein gekleedeter Stropp mit einer Kausche angebracht. Die Wanten bestehen jeweils aus zwei Enden; in der Mitte wird ebenfalls eine Kausche eingebunden, an die beiden Enden kommen Haken. Die richtige Länge muss man sich vorher ausmessen. In die Bordwand wird auf jeder Seite einmal am Scheg, also dem Teil, auf dem unser Freddy sitzt, sowie an der Bordwand in der Nähe des Hakens für das Backstag ein Augbolzen eingelassen. Jetzt werden die beiden Kauschen mit einem Taljereep locker verbunden, die Wanten werden in die Augbolzen eingehängt und mit dem Taljereep wird das ganze Konstrukt straff gespannt und dann belegt. Und so schaut das fertig aus: