• H.M.S. HANNIBAL wurde im Jahr 1782 als siebtes von acht Schiffen der Culloden-Klasse in Auftrag gegeben. Die Klasse mit 74 Geschützen wurde, wie viele andere Schiffe der Royal Navy, von Thomas Slade entworfen. Die Werftarbeiten begannen 1883 in den Blackwall Yards – in den Jahren 1785-86 wurde das Schiff in den Woolwich Dockyards vollendet und ausgerüstet. Die Kosten betrugen £31132.16.2d für den Bau und £8075.0.0d für die Ausrüstung. Im Oktober 1787 wurde das Schiff für sage und schreibe zwei Monate in Dienst gestellt (Kapitän war damals Richard Boger).


    Die erste längere Dienstzeit folgte nach der Reaktivierung und Neuausrüstung in den Plymouth Dockyards (Kosten: £5936.0.0d) im Jahr 1790. Als Kapitän wurde John Colpoys (eben jener, der später auch bei der HMS LONDON auftaucht!) eingesetzt, für den es das letzte Kommando vor seiner Beförderung zum Konteradmiral war. Von 1791 bis 1792 war die HANNIBAL als Wachschiff im Hafen von Plymouth eingesetzt. Am 11. Dezember 1792 verließ das Schiff, zusammen mit den anderen Wachschiffen, den Hafen, um sich am nächsten Tag der neu aufgestellten Flotte vor Spithead anzuschließen.
    Im Februar 1793 verfolgte sie zusammen mit der HECTOR zwei französische Fregatten. Dabei traf man auf das aus Westindien kommende, ebenfalls französische Handelsschiff ETOILLE DU MARTIN, das aufgebracht werden konnte und nach Plymouth „umgeleitet“ wurde. Einen Monat später, wurde die HANNIBAL selber, als Teil von Admiral Gardners Flotte, nach Westindien (Leeward Islands) verlegt. Dort blieb sie ein knappes Jahr und kehrte anschließend nach Plymouth zurück, wo sie ab März 1794 überholt wurde.


    Bei der Reaktivierung und Neuausrüstung (Kosten: £9111.0.0d) im August 1794 wurde John Markham als neuer Kommandant eingesetzt. Das nächste Jahr kann als absolut erfolgreich angesehen werden. So konnte 1795 im Kanal die französische 36 Kanonen Fregatte GENTILLE erobert werden und während des folgenden Aufenthalts in der Karibik zudem die Freibeuter LE GRAND VOLTIGEUR, CONVENTION und PETIT TONNERE. Zudem war HANNIBAL in dem Jahr auch Teil des Geschwaders, das die CALDICOT CASTLE zurückeroberte und die Korvette JEAN BART aufbrachte.
    Als Captain Markham, also Opfer des Gelbfiebers, im Januar des Jahres 1796 von Thomas Lewes abgelöst werden musste, endete die Glücksträhne des Schiffes. Zwar gelang am 27. Januar, gemeinsam mit der SAMPSON, noch ein Freibeuter (ALERTE) zu stellen – aufgebracht wurde dieser allerdings von der SAMPSON. Lewes selbst verstarb am 16. Juli des gleichen Jahres und wurde von Joseph Bingham ersetzt, der das Schiff, das weiter auf der Jamaica-Station verblieb, durch zwei ereignislose Jahre führte.
    Das Jahr 1798 kann (in Anlehnung an das Drei-Kaiser-Jahr) als Vier-Kommandanten-Jahr bezeichnet werden. Im April wurde Captain Bingham von Captain Robert Campbell abgelöst, dem im September Captain John Elphinston folgte. Dieser erhielt kurze Zeit später ein anderes Kommando, während die HANNIBAL ab Oktober von Captain Edward Tyrrel Smith befehligt wurde. Smith gelang es 1799 noch einmal zwei Handelsschiffe aufzubringen, bevor er 1800 von Commander John Loring abgelöst wurde, der das Schiff wieder zurück nach England überführte, wo es zunächst wieder außer Dienst gestellt wurde.


    Im März 1801 wurde HANNIBAL, unter dem Kommando von Captain Solomon Ferris wieder aktiviert. Am 6. Juni des gleichen Jahres verließ das Schiff Spithead und schloss sich am 12. Juni dem Geschwader von Admiral Sumarez in der Cawsand Bay an. Als Sumarez am 6. Juli versuchte mit seinem Geschwader aus sechs Linienschiffen eine französische Flotte von drei Linienschiffen unter Admiral Linois in der Algeciras Bay anzugreifen, gab es einen der peinlicheren Auftritte in der Geschichte der Royal Navy, der damit endete, dass sich fünf von Sumarez Schiffen wie gerupfte Hühner nach Gibraltar zurückziehen mussten. Das sechste Schiff, die HANNIBAL, war auf Grund gelaufen und hatte ihre Flagge streichen müssen. Bootscrews der CALPE wurden im Laufe der Aktion, wie die Crew der HANNIBAL, die eigentlich von ihnen geborgen werden sollte, von den Franzosen festgesetzt. Wer gerade erst „Kurs auf Spaniens Küsten“ gelesen hat, wird Captain Ferris und das blamable Gefecht in der Algeciras Bay sicher noch bekannt vorkommen. Und wer das Buch von Patrick O´Brien bis zum Ende gelesen hat, weiß auch, dass es zu einer Folgeschlacht kam, die die Engländer gewannen, so dass zumindest die Besatzungen ausgetauscht werden konnten. Die HANNIBAL selber verblieb aber bei den Franzosen und wurde von diesen in wieder in Dienst gestellt.


    Im November 1801 wurde das, nun als L'ANNIBAL bezeichnete Schiff, (zusammen mit der SPEEDY) unter Notrigg von der britischen Fregatte RACOON vor Brest gesichtet, als sie vermutlich das dortige Arsenal anliefen. Der nächste bekannte Punkt ist, dass das Schiff (zusammen mit INTRÉPIDE und FORMIDABLE) im Februar 1802 von Cadiz nach Toulon überführt wurde – dort wurde es März bis Juni des gleichen Jahres neu ausgerüstet. Am 13. Juni 1803 wurde Capitaine de Vaisseau Esprit-Tranquille Maistral als neuer Kommandant eingesetzt, der schon 1804 wieder von Guillaume Jean Noel La Villegris abgelöst wurde, der aber auch nur wenige Monate die Befehlsgewalt inne hatte.
    Durch den zunehmenden Erfolg der Karronaden wurden nicht nur britische, sondern auch französische Schiffe nach und nach umgerüstet. So wurden im Jahr 1806 zehn der 9 Pfünder-Kanonen gegen sechzehn 32 Pfünder-Karronaden ausgetauscht. Zusammen mit der Fregatte POMOME verfolgten die L'ANNIBAL im Mai 1807 die die britische Fregatte SPARTAN. Das Schiff konnte dabei unter französischer Flagge nicht mehr an die alten Erfolge Anknüpfen und die SPARTAN entkam. Zwei Jahre später folgte ein weiterer Werftaufenthalt in Toulon. Offenbar in diesem Zusammenhang wurde Capitaine de Vaisseau Louis Charles Auguste La Marre la Meillerie als neuer Kommandant der L'ANNIBAL eingesetzt.
    Überhaupt schien die Pflege des Schiffes wirklich hervorragend zu sein. Erst 1821 wurde L'ANNIBAL in Toulon zu einer Hulk umklassifiziert. Drei Jahre später wurde das Schiff schließlich abgebrochen.


    Was bis zum heutigen Tag bleibt, ist eine ungewöhnliche Geschichte von einem Schiff, das von Engländern gebaut und von Franzosen bei einer Schlacht erobert und in Dienst gestellt wurde. Quasi ein Augenzwinkern der Geschichte, die sonst reich an Schiffen ist, die scheinbar von französischen Werften für die Royal Navy gebaut wurden.


    Quellen:
    https://en.wikipedia.org/wiki/HMS_Hannibal_(1786)
    https://en.wikipedia.org/wiki/…en_class_ship_of_the_line
    http://www.ageofnelson.org/MichaelPhillips/info.php?ref=1071
    http://threedecks.org/index.ph…ay_type=show_ship&id=7689
    http://www.pbenyon.plus.com/18-1900/H/02129.html

    George N. W. Cavendish-Bentinck (M.O.R.N.)

  • Bent, du warst schluderig! :lol:
    1. Die Werftarbeit begann garantiert 1783, es sei denn, da war ne Zeitmaschine im Spiel.
    2. Der Admiral hies Saumarez, nicht Sumarez.
    3. Sorgfältiger korrekturlesen und Flüchtigkeitsfehler ausbügeln.
    Ansonsten ist es ein schöner Artikel und ein Seitenhieb für die "unbesiegbare" RN!

  • @Bent: Ja, es gehört zu den herzzerreißenden Momenten in Kurs auf Spaniens Küste, wenn es aus Captain Ferris herausbricht: "Ich habe die Hannibal verloren."
    Ferris wurde ja beim erforderlichen Kriegsgericht freigesprochen und erhielt bereits wenig später ein neues Kommando, HMS Thunderer (74). Es folgte ein Kommando auf HMS Hercule (74), mit der er nach Westindien segelte und in Port Royale nach zweitägiger Krankheit verstarb.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • @ Jack: Der Artikel ist am 4.9.2013 geschrieben und zuletzt am 5.9.2013 bearbeitet - das mit dem Korrekturlesen hätte also schon anderenorts stattfinden können/ die Beschwerde hätte früher kommen müssen. :P

    George N. W. Cavendish-Bentinck (M.O.R.N.)