Unser literarisches Dreigestirn

  • Paul Quincy? Ole Groothus? Manch einer, der in Sachen maritim-historischer Literatur bisher nur mit Foresters Hornblower, Kents Bolitho, Woodmans Drinkwater, Popes Ramage und O'Brians Aubrey/Maturin unterwegs war, wird sich wundern, warum denn diese beide Namen hier einen Extra-Thread haben. Hier kommt die Auflösung:


    Paul Quincy und Ole Groothus sind Pseudonyme für Uwe D. Minge. Wer war nun dieser Uwe D. Minge?


    Geboren am 22. Mai 1944 in Mohrin/Neumark, wuchs er in Berlin (West) auf. Frühzeitig stand für ihn fest, dass einzig die Seefahrt für ihn das Lebensziel ist. Folgerichtig heuerte er als Schiffsjunge an und machte das, was man gemein hin "durch die Ankerklüse auf das Achterdeck" nannte - das heißt er, er befuhr anfangs als Matrose und später als Schiffsoffizier die Weltmeere. Die Zeit auf See endete irgendwann, und er begann einen sehr langen Landurlaub. Dennoch blieb er der Schifffahrt treu, stellte sein Wissen als Sachverständiger für Boote und Yachten sowie als und professioneller Segellehrer zur Verfügung. Viel wichtiger aber: Er begann eine Karriere als Übersetzer für maritim-historische Romane und Fachbücher. Und genau hier haben wir den ersten Bezug zum Thema dieses Boards: Zahlreiche der oben genannten Romanreihen wurden durch Uwe D. Minge ins Deutsche übertragen und so einer breiten Leserschaft im deutschsprachigen Raum nahegebracht.
    Als die Verlage aus wirtschaftlichen Erwägungen davon Abstand nahmen, englischsprachige maritim-historische Romanreihen, die erfahrungsgemäß nicht ansatzweise die Verkaufs- und damit Erlöszahlen von Harry Potter und Co. bringen, ins Deutsche übersetzen zu lassen, entschloss sich Uwe D. Minge, selbst Romane zu schreiben. So entstand unter dem Pseudonym Paul Quincy die Reihe um den Leutnant der Royal Navy William Turner, der in der Zeit der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung in den Gewässern der Neuen Welt spannende Abenteuer erlebt. Als Ole Groothus begann er die Geschichte der Zwillingsbrüder Peter und Paul Morin, die im Siebenjährigen Krieg spielt, zu erzählen. Beide Romanreihen sind spannend, amüsant, lebendig und lehrreich geschrieben; und so verschieden sie auch geschrieben sind - man weiß beim Lesen beider Reihen sehr schnell um die Liebe des Autors zur See und den Männern, die auf hölzernen Schiffen und unter geblähten Segeln allen Gefahren und Widrigkeiten trotzen.


    Für uns - und damit meine ich diejenigen in diesem Board, die bereits in einem früheren, ähnlich gelagerten Forum aktiv waren - war Uwe D. Minge der "Master", ein Freund, ein Mentor, ein großartiger Mensch. Wir hatten das Vergnügen, mit ihm gemeinsam viele schöne Stunden zu verbringen. Egal ob in Berlin, in Hamburg, in Großenhain, in Flensburg oder bei ihm zu Hause in Falkensee - stets waren seine Lesungen, der Klönschnack mit ihm, das Fachsimpeln und das Spaß haben, seine spannenden Geschichten aus seinem eigenem Leben, aber auch seine Kochkünste und seine grenzenlose Gastfreundschaft unübertroffen.


    Paul Quincy, Ole Groothus, Uwe D. Minge - eben unser "literarisches Dreigestirn" - starb am 27. November 2013.


    In unseren Herzen lebt er fort; wir werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

  • Erinnerungen an einen Freund - mein ganz persönlicher Nachruf


    Paul Quincy – dass ich ihn, als ich ihn das erste Mal persönlich traf, schon seit 1990 kannte, war mir bis kurz vor dieser denkwürdigen ersten Begegnung in keiner Weise bewusst. Wobei: Ich kannte ihn ja nicht wirklich. Aber ich kannte seinen bürgerlichen Namen. Uwe D. Minge galt und gilt nach wie vor als der beste der Übersetzer „unserer“ Bücher aus dem Englischen ins Deutsche. Eben die Bücher, die ich mir nach dem Mauerfall endlich alle kaufen konnte.


    Quincy vs. Groothus
    Im Jahr 2007 tauchte plötzlich ein neuer Autor maritim-historischer Romane auf, ein gewisser Paul Quincy. Neugierig kaufte ich sofort und war begeistert. Als 2009 der erste Band eines gewissen Ole Groothus auf den Markt kam, dessen Titelbild ebenfalls maritim-historisches Lesevergnügen versprach, zögerte ich auch hier nicht mit dem Kauf. Im direkten Vergleich dieser beiden neuen Reihen schnitt für mich Quincy um Längen besser als Groothus ab. Ich weiß noch, wie ich damals im alten Forum schrieb, Groothus solle sich bei Quincy eine dicke Scheibe abschneiden. Wie peinlich mir diese Bemerkung bald werden würde, ahnte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.


    Erstes Treffen
    Kurz darauf kam die Nachricht, Paul Quincy würde im sächsischen Großenhain eine Lesung geben. Ich war ziemlich irritiert, denn ich war bis dahin der Meinung, Paul Quincy sei ein Engländer. Erst jetzt, beim Suchen im Internet, erkannte ich zum einen, dass es sich um einen deutschen Schriftsteller handelt, und zwar um den uns als Übersetzer schon lange bekannten und beliebten Uwe D. Minge – und, oh Schreck, gleichzeitig auch noch um Ole Groothus. Nun gut, dachte ich mir, wahrscheinlich kennt er unser Forum gar nicht, und wenn, musst Du Dich ja nicht als der Urheber des schlimmen Spruches zu erkennen geben.
    Sehr gespannt fuhr ich also nach Großenhain, wo ich über eine Stunde vor Lesungsbeginn eintraf. Die Veranstaltung fand in einem Café statt, so dass bei einem guten Capuccino das Warten nicht schwer fiel. Pflichtgemäß hatte ich mir mein Bolitho-Shirt übergestreift. Als der Meister dann eintraf, ließ ich ihm die Zeit, sein Equipment aufzubauen und sich überhaupt auf seinen Auftritt vorzubereiten. Dann aber ging ich zu ihm, stellte mich artig vor, und er tippte mir mit einem Lächeln auf den Sextanten auf meiner Brust und sagte: „Das ist ‘ne tolle Seite, da schaue ich öfters rein!“ Dann nahm er sich die Zeit, meine liebevoll vorbereiteten Fragen zu beantworten. Die Lesung selbst war kurzweilig und spannend, und im Anschluss kaufte ich dann noch auftragsgemäß für abwesende Forumsmitglieder das eine oder andere Buch (ich hatte sie ja schon alle) und lies diese sowie auch ein paar mitgebrachte eigene Bände vom Meister signieren. Wir schnackten dann noch eine Weile, und bei der Verabschiedung gab er mir noch einen Prospekt von sich mit – darauf u.a. auch seine E-Mail-Adresse.


    Ganz ohne Pressgang
    In den kommenden Wochen entspann sich dann ein intensiver Schriftverkehr, in dessen Verlauf ich ihm auch meine „Sünden“ beichtete. Ich brachte aber auch meine Bewunderung dafür zum Ausdruck, wie er es schafft, zwei völlig unterschiedliche Schreibstile hinzubekommen. Seine Art, mit Kritik umzugehen, hat mir damals schon gefallen; er war mir kein Stück böse, ermutigte mich im Gegenteil, auch weiterhin so kritisch seine Werke zu betrachten.
    Das wohl wichtigste Ergebnis dieser schicksalshaften Begegnung in Großenhain aber war dann der Tag, an dem sich Paul Quincy in unserem Forum anmeldete – mein beharrliches Werben führte zum Erfolg! Die Bolithos hatten fortan einen neuen Messekameraden – und was für einen! Schon nach kurzer Zeit meinte man, er sei schon immer da gewesen. Etliche Zeit später sagte er zu mir, dass dieses Forum für ihn mit zum Besten zählt, was ihm in letzter Zeit passiert ist. Nun, das beruhte auf Gegenseitigkeit.


    Quincy als Gastgeber
    Dem ersten Treffen in Großenhain folgten die etliche weitere – viele davon in „Falconlake“, also beim Meister zu Hause. Ich erinnere mich immer wieder gern an meinen ersten Besuch dort: Als wir noch im Hausflur standen, meinte Quincy lapidar: „Schau mal nach oben.“ Ich schaute. „Und, was fällt Dir auf?“ Ich schaute erneut: „Ja, die Deckenlampen sind unsymmetrisch angebracht.“ „Schau mal nochmal hin!“ meinte er grinsend. Ich schaute erneut:„Boh, wie geil! Der große Wagen!“ Quincy: „Und exakt nach Norden ausgerichtet.“
    Bei Quincy war man stets gern. Freundlichere Gastgeber als ihn und seine liebenswerte Frau Martina erlebt man selten – man wurde zuvorkommend bedient und mit den feinsten Getränken bewirtet – und dazu gab es jede Menge Seemansgarn, Geschichten aus seinem an Anekdoten, spannenden Erlebnissen und Salzluft verströmenden Berichten so reichen Leben. Ganz nebenbei erwies sich unser literarisches Dreigestirn auch als exzellenter Koch – beim Gedanken an seine Curry-Huhn-Pfanne beispielsweise läuft mir sofort wieder das Wasser im Mund zusammen. Und am Ende des Abends fuhr er einen dann noch zum Bahnhof.


    Quincy als Bolitho
    Im Forum war er nahezu an allen Ecken zu finden. Hemmungsloses Herumgealbere machte ihm dabei genau so viel Spaß wie tiefgreifende und seitenlange Fachdiskussionen – eine Bereicherung überall. Seine jahrelange Erfahrung als aktiver Seemann war ein ständiger Quell an interessanten Informationen. Und in den wenigen Jahren, die ihm im weltbesten Forum vergönnt waren, hat er mehr Forumstreffs besucht als manch alter Hase. Seine Lesungen waren legendär – ob in Hamburg oder in Berlin oder in Falconlake – stets spitzte man die Öhrchen und war dank seiner bildreichen Sprache stets schnell mittendrin im Geschehen.
    Wir haben beide häufig – und dann auch meist recht lange – miteinander telefoniert. Diese Gespräche werden mir fehlen, und ich bedauere, dass ich oftmals nicht die Zeit hatte, seine Anrufe zu beantworten.


    Danke für alles, old chap!


    Ja, soweit mein Text von damals, hinter dem ich selbstredend auch heute ohne Abstriche stehe.


    Für alle, denen es nicht vergönnt war, ihn persönlich kennenzulernen, hier noch ein paar Fotoimpressionen von diversen Treffen: