Hallo zusammen,
es ist mal Zeit für einen ersten längeren Beitrag hier ...und das ist tatsächlich kein Baubericht, auch wenn dieser hier in Folge zwingend nötig wird ...
Mal ehrlich, wir lieben sie ja alle, die großartigen Romanreihen von Patrick O´Brian, von C.S.Forester, nicht zuletzt von Richard Woodman (um nur drei zu nennen), die sich mit der Zeit der napoleonischen Kriege auf See beschäftigen: Hervorragend recherchiert, spannend geschrieben und gleichzeitig ein buntes Zeitkolorit, das einen in die Welt des ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhunderts eintauchen lässt. Aber: Alle diese Reihen haben einen Nachteil: Sie sind aus der britischen Perspektive geschrieben, auch wenn Captain Aubrey eine intensive Freundschaft zu Capitaine Christy-Pallière pflegt, so tauchen die Franzosen häufig nur am Rande auf. Sie sind halt der böse Gegner, der Europa unterjocht. Die Royal Navy kämpft für die Befreiung der Völker Europas…nun ja, dieses einseitige Bild stimmt ja so nicht, aber ich möchte jetzt das auch nicht hier diskutieren; Fakt ist, dass die napoleonische Zeit auch durchaus positive Aspekte in der Entwicklung Europas mit sich brachte.
Umso erfreulicher war es für mich, als ich - ich suchte nach französischer Literatur, um mein Französisch zu reaktivieren und zu erweitern – auf eine Romanreihe gestoßen bin, die unsere Zeit aus französischer Perspektive in den Blick nimmt. Fabien Clauw, selbst passionierter Segler und profunder Kenner der französischen Marinegeschichte, hat sich dieses Sujets angenommen und eine Reihe um den französischen Kapitän Gilles Belmonte aus Rochefort begonnen.
Die Bücher gibt es, wie üblich hier:
Die Reihe umfasst mittlerweile 7 Bände und beginnt mit dem Band „Pour les trois couleurs“ im Jahre 1798. Gilles Belmonte, der als Jugendlicher mit 13 Jahren seine Karriere in der königlichen Marine begann und am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teilgenommen hat, ist Leutnant auf der Korvette Cassiopée und im Mittelmeer unterwegs. Die französische Marine ist im Umbruch: Viele erfahrene Kapitäne – zumeist Adlige – sind emigriert oder dem Revolutionsterror zum Opfer gefallen, auch der Kapitän der Cassiopée, Henri de la Motte, überlegt, Frankreich zu verlassen. Belmonte wird kurze Zeit später zum capitaine de frégate befördert und erhält das Kommando über die nagelneue 40-Kanonen Frégate de XVIII „L´Egalité“. Seine Mission ist heikel: Er soll das Antillengeschwader verstärken, in Madeira einen französischen Unterhändler abholen und nach Martinique bringen, um diesem von dort aus die Gelegenheit zu geben, eine diplomatische Mission in den USA auszuführen. Nebenher soll er familienzusammenführend tätig werden: Die Frau und die Tochter des Gouverneurs soll er bitte auch unbeschadet nach Martinique bringen.
Zahlreiche Twists und Turns der Story machen die Lektüre zu einem großen Vergnügen, immer wieder ist Belmonte gezwungen, ungewöhnliche Lösungen zu suchen und unorthodoxe Maßnahmen zu ergreifen. So muss er trotz der verbreiteten Korruption im Arsénal de Rochefort seine Fregatte in kurzer Zeit ausrüsten. Er ist gezwungen zu einer List zu greifen, für die er in einem Royal dockyard sicher sofort verhaftet worden wäre. Auf Madeira angekommen, trifft er seinen englischen Widersacher George Davies, mit dem sich später eine tiefe und respektvolle Freundschaft entwickelt. Hier erfährt er auch, dass die Geschichte mit dem Diplomaten sich schwieriger als gedacht erweist und kommt einem Komplott des englischen Geheimdienstes und einem französischen Verräter auf die Spur…sein Schiffsarzt Mirabon hat Verbindungen zum französischen Geheimdienst – man fühlt sich unwillkürlich an Dr. Maturin erinnert – und spielt auch im folgenden Band eine durchaus zentrale Rolle. Die Fregatte muss mehrere Gefechte bestehen, und auch hier verlaufen doch einige, ungewohnt für Leser, die sich an die Unbesiegbarkeit der Royal Navy gewöhnt haben, siegreich für die Marine républicaine.
Am Schluß steht auch hier ein intensives Gefecht mit einem britischen Geschwader als Höhepunkt des Buches, in dem Belmonte mit der englischen Fregatte "Cassandre" des Kapitäns Davies ins Gefecht kommt...
Clauw bemüht hier etwas die Geschichte und geht freier mit der Chronologie um; was ihm aber hervorragend gelingt, ist einen spannenden Plot zu entwerfen und vor allem die spezielle Situation der republikanischen Marine zu beschreiben. Französische Kapitäne mussten anders mit ihren Mannschaften umgehen, die sich ihrer Rechte wohl bewusst waren, nur eiserne Disziplin und unmenschliche Strafen reichten hier nicht. Alles erscheint etwas liberaler, mit flacheren Hierarchien und einem ausgesprochenen ésprit de corps, der durch gegeseitigen Respekt geprägt ist. Und diesen Respekt französischer Mannschaften musste man sich verdienen und hart erarbeiten. Das führt zu ungewohnten Szenen: Man stelle sich vor: In der Kabine des Kapitäns duzen sich alle Offiziere und rauchen gemeinsam ihren Tabak. In der great cabin einer englischen Fregatte undenkbar!
Die Gefechte und die Manöver sind sehr gut geschildert, ohne Pathos oder übertriebenes Heldengetue; das ist wohltuend, wenn auch hier die Unbarmherzigkeit des damaligen Krieges auf See ihren Platz bekommt und nichts beschönigt wird.
Ich habe das erste Buch jedenfalls verschlungen und bin gerade mit Genuss am zweiten…und würde die Lektüre wärmstens und unbedingt empfehlen, wenn da nicht der große Nachteil wäre: Es gibt die Reihe derzeit nur auf Französisch! Und ich brauchte einige Zeit, um mir das ganze Spezialvokabular anzueignen, um flüssig lesen zu können. Zum Glück gibt es in jedem Band ein Lexikon und Zeichnungen, die die wesentlichen Begriffe gut erläutern.
Also: Hardi, les gars!! Lernt Französisch ; und wer es schon kann, greife zu dieser Reihe. Es lohnt sich! Ansonsten bleibt zu hoffen, dass sich ein Verlag an die Übersetzung macht.
Wenn ich mit dem zweiten Band fertig bin, werde ich berichten. Eines ist jedenfalls schon klar: Mein nächstes Schiffbauprojekt wird die „L´Egalité“ sein…ich werde berichten 😊!
Bis dahin und liebe Grüße
Nat