David Winter - Band 10 - Kampf an Preußens Küste


  • Obwohl dieser Roman der vorletzte war, den ich aus der Reihe vor Jahren gelesen hatte, musste ich bei der neuerlichen Lektüre zu meiner Verblüffung feststellen, dass ich keinerlei Erinnerung mehr an dieses Buch hatte, und dass meine vermeintlichen Erinnerungen wohl eher auf ähnliche Romane aus der Drinkwater- und der Hornblower-Reihe zurückzuführen waren. Das hätte eigentlich ein deutliches Warnsignal sein sollen, doch mir stand zu Weihnachten halt kein anderer unrezensierter Roman zur Verfügung.


    Aber genug der Vorrede, kommen wir einfach mal zum Buch. Bei Amazon habe ich mir, bevor ich diese Zeilen schrieb, eine alte Rezension angeschaut, die ich dort vor nunmehr fast fünfzehn Jahren verfasst habe und mich selbst nicht wiedererkannt. War ich früher wirklich so ein lieber Kerl, der diesem Buch drei Sterne gab und von einer vergebenen Chance schrieb? Diese Bewertung hat das Buch nämlich auf keinen Fall verdient. Die Handlung setzt im Februar 1805 ein. Während Lord Nelson die vereinigte Flotte unter Villeneuve jagt, wovon kein Wort erwähnt wird (dafür gibt es natürlich einen Seitenhieb, weil Nelson seinerzeit den Verräter Caracciolo aufhängen ließ), sitzt Sir David an Land fest und vertreibt sich die Zeit als Inspekteur der Martello-Türme auf seiner Heimatinsel Wight. Dort ereilt ihn die Nachricht, das man den bösen Ersten Lord der Admiralität Lord Melville vermutlich stürzen wird und er somit Hoffnung auf ein Seekommando haben kann. Doch statt einer Nachricht aus London gibt es nun seitenweise Schilderungen über die doch so gute und edelmütige Familie Winter, ohne auch nur wenigstens eine ihrer guten Taten auszulassen. Das ist schwer zu ertragen und wird nicht besser, als die Witwe von Sir Davids unehelichem Sohn samt Kind erscheint und mit offenen Armen aufgenommen wird. (wo ist der kotzende Emoji abgeblieben?) Schrecklicher Höhepunkt ist dann eine Kanalfahrt á la Hornblower, bei der dann so viel Schmalz aus den Speigatten des Kanalkahns fließt, als würde der Kahn...


    Schließlich erhält Sir David als Kommodore den Befehl über eine kleine Flottille im Kanal und darf im September 1805 den Versuchseinsatz der Congreve-Raketen gegen die französischen Schiffe vor Boulogne-sur-Mer leiten, was in der wahren Geschichte eigentlich Sir Sidney Smith zukam. Der Versuch schlägt fehl, was natürlich nicht Sir David anzulasten ist. Derweil haben Napoleons Truppen das dortige Lager verlassen und eilen nun seinen größten Siegen entgegen. Schließlich wird Sir David mit seinen Schiffen in die Ostsee entsandt, denn nach der Schlacht bei Jena und Auerstädt konnten die französischen Truppen fast ganz Preußen unter ihre Kontrolle bringen. Nur einige Städte an der Ostseeküste leisten noch Widerstand und Sir David leistet in Danzig und Kolberg unschätzbare, aber vergebliche Hilfe.


    Schließlich erreicht Napoleon die Grenze zu Russland und nach kurzen Kämpfen kommt es auf einem Floß auf der Memel zu dem berühmten Geheimabkommen zwischen Frankreich und Russland. Wer, wenn nicht Super-David sollte für England dessen brisanten Inhalt in Erfahrung bringen? Natürlich macht er sich dabei nicht nass, sondern er nutzt seine alten Verbindungen in Russland. :super:

    Soweit also eine kurze Darstellung des ganzen Schreckens. Falls dabei aufgefallen sein sollte, wie ich hier Punkt für Punkt abgearbeitet habe, so war das Absicht, denn genau so ließt sich dieses Buch: Familie - check, Kanalfahrt - check, Raketen - check, Belagerungen - check, Vertrag - check. Da kommt wirklich kein Lesevergnügen auf. Dabei waren die Voraussetzungen doch so günstig. Die Ostsee ist für einen deutschen Schriftsteller doch ein Heimspiel. Hier kennt man die Küsten, die Inseln, die Wetterverhältnisse. Daraus lässt sich doch etwas machen! Leider erweckt Frank Adam jedoch den Eindruck, dass für ihn dieses Buch nur eine zeitliche Lücke füllen soll, bis sein Held endlich als Admiral groß auftrumpfen kann.


    Mein Fazit zu diesem Roman: Nur für Hordcore-Fans der Reihe geeignet. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte ihren Buchhändler. :1*:

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Danke für diesen Verriss, äh Rezension.

    Abe hast Du schonmal einen Hardcore Fan der Reihe gesehen? Ich nicht.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Nun ja, mit Frank Adam dürfte der größte Fan der Reihe verstorben sein. In HdM gab es jedoch einen Gastbeitrag, der die David-Winter-Reihe sehr freundlich rezensierte. Der könnte also als der letzte lebende Hardcore-Fan durchgehen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Abe hast Du schonmal einen Hardcore Fan der Reihe gesehen? Ich nicht.


    Aga

    Hm, wenn hier nach einem Hardcorefan der Reihe gefragt wird.......das Antwortverhalten dürfte ziemlich gleichartig sein wie eine Antwort auf die Frage " Wer hat meine Schokolade aus dem Scharnk geklaut" :D

    "Wir können den Wind nicht ändern,aber die Segel anders setzen" "Aristoteles"

  • In HdM gab es jedoch einen Gastbeitrag, der die David-Winter-Reihe sehr freundlich rezensierte. Der könnte also als der letzte lebende Hardcore-Fan durchgehen.

    Dabei handelte es sich um Dr. Uwe Schnall vom DSM, der 2019 verstorben ist. Allerdings bezog sich seine Rezension nur auf die ersten fünf Bände.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)