100 Kugeln pro Geschütz? Menge der Geschützladungen

  • Ich habe mal eine inhaltliche Frage und zwar wird in diesem Band ja zum einen auf die Verpflegung und auch darauf eingegangen, dass es für jeden 18-Pfünder wohl nur 100 Kugeln gab. Sehr interessant, aber gibt es dafür auch offizielle Quellen, die das bestätigen?



    Edit:

    Aus dem POB - Band 4 - Thread hieher kopiert.

    Einmal editiert, zuletzt von Richard Howe () aus folgendem Grund: von allgemeinem Interesse

  • Das ist eine gute Frage.

    Auf die Schnelle habe ich nur Vergleichszahlen von der Victory bei Trafalgar gefunden. Bestückt mit 30 32-Pfündern, 28 24-Pfündern, 44 unterschiedlichen 12-Pfündern und 2 68-Pfünder Karronaden. Kugelgewichte entsprechend ca. 14,5kg, 10,9kg, 5,5kg und 30,8kg. Insgesamt wurden während des Gefechts gut 2.700 Schüsse abgefeuert: 997 32lb, 872 24lb und 800 12lb sowie 35 weitere Doppel- und andere Ladungen.

    Geschütz:Anzahl Schüsse:Tonnen:
    32pdr99714,46
    24pdr8729,49
    12pdr8004,36
    Total:2.66928,32


    Es wurden 29.870kg an Kugeln verschossen, mitgeführt werden konnten insgesamt 121.900kg. Das entspricht dann einem knappen Viertel der Gesamtmenge an Munition. Von den 30- und 28-Pfündern wurden um die 30, von den 12-Pfündern knapp 20 Schüsse im Durchschnitt pro Stück abgefeuert.

    Also kommt das mit den +/- 100 Schuss pro Geschütz schon ungefähr hin.

    Vielleicht finden sich irgendwo noch Ausrüstungslisten oder ensprechende Vorgaben der Admiralität.


    Quelle:

    Goodwin, Peter: Nelson's Victory, 3. Auflage, London 2006.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Das ist eine Frage die auch gut in die Fachabteilung passt. :)


    Bei Brian Lavery (Nelson's Navy) erfährt man, dass die Bewaffnung dem Board of Ordnance, also der Waffenmeisterei, unterlag. Dort kümmerte man sich um alles, was mit den Geschützen zu tun hatte. Über die Lagerung von Pulver und Kugeln gibt Lavery dann an, dass in den 1790er Jahren ein 74er sechzig Kugeln pro Geschütz mitführte. An Kartätschen (Streumunition) führte man fünf, und an Ketten-/ Stangenkugeln drei "Runden" pro Geschütz mit.


    Quelle:

    Lavery, Brian: Nelsons' Navy, London 1989, S. 80, 87.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Das bedeutet, dass man kaum so oft den scharfen Schuss üben konnte, wie bei unseren Autoren gerne angegeben, es sei denn, man führte zusätzliche Munition mit.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Das hing dann wohl tatsächlich vom Wohlstand des Kapitäns ab, ob er sich zusätzliche Kugeln und Pulver leisten konnte. Und ob dafür an Bord überhaupt genug Platz bzw. Tonnage frei war.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Part II, Article XXXV. der Instruktionen von 1790 besagt, dass "... he (der Kommandant) is to discipline the Ship's company frequently in the Exercise of the the Great Guns and Small Arms, to render them more expert in Time of Battle, and to set down in his Journal the Times he excercises them."

    Demnach sollte also schon von Zeit zu Zeit an Geschützen und anderen Waffen geübt werden, um im Kampf erprobt zu sein. Ist auch wieder schön schwammig formuliert; wer zu wenig üben lässt, wird wegen fahrlässiger Unterlassung angeprangert (Art. IX, Additional Regulations). Ebenso, wer zu oft trainieren lässt und sich damit des unsachgemäßen bzw. verschwenderischen Gebrauchs schuldig macht (Art. XIX., Art. XXXII., Additional Regulations).


    Part III, The Gunner, Article XI. gibt nähere Auskunft: "He (der Geschützmeister) is to allow, by the Direction of his Captain, ... ; and also five Charges of Powder and five of Shot once a Month, for the Exercise of the Upper Deck Guns."

    Fünf Schüsse pro Monat ist nicht besonders viel. Keine Ahnung, wie weit der Kapitän diese Vorgabe nach eigenen Ermessen übergehen konnte/durfte.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Die Aufzeichnungen des Board of Ordnance sind leider nicht online verfügbar, Recherchen und Kopien müssen bezahlt werden, sofern man sich nicht selber auf den Weg nach Kew in die National Archives begibt.


    Die Sache mit den 100 Kugeln scheint bzw. könnte bis in die Zeit von Henry VIII. (1491-1547) zurückreichen. Nach dem Verlust der Regent ließ Henry VIII. die Henry Grace-à-Dieu bauen. Angeblich eines der besten Schiffe seiner Zeit. In einem Manuskript, welches in der Pepysian Library (Magdalene College / University of Cambridge) erhalten ist, wird die Ausrüstung mit Geschützen aufgelistet. Unter "Shotte of Yron" (es dürfte sich wohl um Shot of Iron = Eisenkugeln handeln) heißt es für "Cannon" je 100, für "Demi-Cannon" (Halbkanone <42 Pfünder) je 60, für "Culverins" ("Feldschlange", 14-20 Pfünder) je 120 und für "Demi-Culveryns" (ca. 8 Pfünder) je 70 Stück.

    Bei William Monson (Naval Tracts) finden sich ähnliche Angaben zwischen 85-200 Stück je nach Geschützart.


    Es scheint sich also um einen "Es war schon immer Brauch in der Marine, ..."-Brauch zu handeln.


    Quelle:

    Garbett, H.: Naval Gunnery, London 1897, S. 5f.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Ich denke, daß Munition zu allen Zeiten ein Kostenfaktor war. Auch heute werden möglichst sparsame Übungsschüsse abgegeben. So kostet z.B. jeder Schuss mit dem Leopard2 9000€.

    To the optimist, the glass is half full.
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    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.