Not a moment to lose - Wir haben keine Minute zu verlieren

  • Not a moment to lose


    Als eifriger Leser von Patrick O‘Brian kennt man Kapitän Jack Aubreys Ausruf: „There‘s not a moment to lose“ bzw. „Wir haben keine Minute zu verlieren“ nur zu gut. Seinem Freund Stephen Maturin ist dieser Satz ein Graus im Ohr, bleibt doch kaum Zeit für ornithologische Erkundungen auf ihren Reisen.

    Was auf den ersten Blick wie ein gut inszenierter zeitgenössischer Runnig-Gag aussieht, hat aber durchaus historische Relevanz. Bei Recherchen für ein anderes Thema bin ich zufällig über diesen Ausdruck in einer Quellensammlung gestoßen. Und siehe da: es handelte sich nicht nur um einen Zufallsfund. Hier ein paar Beispiele:


    21.04.1778

    LORDS COMMISSIONERS OF THE ADMIRALTY TO CAPTAIN ROBERT PALLISER COOPER, R.N.

    „Whereas we have received Intelligence [...]. You are hereby required & directed, notwithstanding former Orders, to proceed in the Ship you command without a moments loss of time into the Irish Channel calling off Dublin for a Pilot for the said Channel & for Intelligence, and if you get any that can be depended upon of a later date than that herewith sent relative to the Cruizers therein mention’d, or any others belonging to the Rebellious Colonies of No. America being in those Seas, you are to proceed in pursuit of them according to such Intelligence & use your best endeavours to take or destroy them or drive them away but if you meet with no later intelligence you are to proceed to Ramsey Bay in the Isle of Man & sending on shore for intelligence there, [...].“ (1)


    22.04.1178

    LORDS COMMISSIONERS OF THE ADMIRALTY TO CAPTAIN JOHN MACBRIDE, R.N.

    „You are hereby required and directed to proceed without a moments loss of time, off Brest and take the first opportunity of wind & weather to look into that Port and to endeavour to discover what Fleet is in Brest Water and to speak with some Vessels coming out of the said Port in order to gain the best intelligence you can respecting the Fleet there or whether any Ships of War have sailed from thence or arrived there from other Ports. [...]“ (2)


    Nicht nur die Lords der Admiralität (Sandwich, Palliser, Buller, etc. ...) benutzten diese Redewendung, sondern auch Ihre Majestät, George III., bemächtigte sich ihrer:


    29.04.1778

    GEORGE III TO EARL OF SANDWICH

    „Lord Sandwich— By some intercepted letters which have just been communicated unto me by the secretaries’ office, I have not the smallest doubt that d’Estaing’s fleet is gone with Deane and Gérard to attack either Philadelphia or New York. I think this so very material that without loss of time I transmit this intelligence unto you. [...]“ (3)


    Wunderbare Beispiele für die Akkuratesse, mit der Patrick O‘Brian zu Werke gegangen ist und es sich dabei nicht um schriftstellerische Freiheit/Kreativität gehandelt hat.


    (1), (2), (3): Crawford, Michael J. (Hrsg.)/Conrad, Dennis M. (Hrsg.): Naval Documents of the American Revolution, Volume 12, Washington D.C. 2013, S. 587, 588, 617f.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Eigentlich merkwürdig, wenn man bedenkt, um wie vieles entschleunigter sich das Leben damals abspielte und wie viel vom unbeinflussbaren Wind abhing, wenn man keine Minute zu verlieren hatte. Oder war gerade diese entschlossene Zielstrebigkeit der Schlüssel zum Erfolg der Royal Navy?

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Möglicherweise auch die Maxime, zu agieren anstatt (nur) zu reagieren. Das berühmte "Heft des Handelns".

    Mir fällt dazu immer ein Zitat von Goethe ein, der seinerzeit schon über die Hektik und Unruhe des Alltags beschwert haben soll.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Eher umgekehrt... in JA steckt offensichtlich viel mehr 18./19. Jahrhundert als man denkt.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Klasse.

    Ich glaube auch das dies einfach ein Ausdruck war,die Dringlichkeit der nötigen Schritte zu verdeutlichen.

    Dies wurde dann von allen in der Kette umgesetzt und man legte los. Auf die entschleunigte ruhige Art der damaligen Zeit.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Auch heute hält man es auf See so, dass Hektik und Gerenne nicht geduldet werden. Auch in ernsten Situationen gilt es, das jedermann seine Aufgabe gelassen und ruhig erledigt.


    Das Gegenteil, das so gern ständig praktiziert wird, hat Helmut Schmidt mal spöttisch beschrieben: operative Hektik ersetzt geistige Windstille.


    Das kann man sich auf See, und nicht nur da, wenn es nicht um Spielereien geht, nicht leisten.


    Daher: wir haben keine Minute zu verlieren. An Sonsten kommt man, wenn man dann wach wird, ins Gerenne, verliert den Überblick und baut Mist.


    Da fällt mir noch ein Zitat meines ersten Kapiäns ein bezogen auf die Hektik an Land: bist Du in Gefahr und Zweifel, Renn im Kreis, schrei wie der Teufel.😁😁😁😁

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • Und erst gestern wieder durften wir zum Berliner Forumstreff bei DEM Film diese berühmten Worte - wenn auch in leicht abgewandelter Form - ein paar mal hören. Zum Beispiel bei der Szene, in der Mr. Calamys erstes Kommando zu Wasser gelassen wird: "Jede Minute zählt! Denkt an die Worte des Käpt'n!" :D