The Battle of the Nile

  • Momentan befasse ich mich ein wenig intensiver mit der Seeschlacht bei Abukir. Wer meine Erzählung über den Guernsey-Mann verfolgt, wird ahnen weshalb.

    Die Seeschlacht fand am 1. und 2. August 1798 in der Bucht von Abukir statt. Die Bucht erstreckt sich in weitem Bogen zwischen der gleichnamigen Halbinsel und der Rosettamündung des Nils. Daher dürfte auch die englische Bezeichnung Battle of the Nile resultieren, denn der Nil macht schon mehr her als eine unbedeutende Halbinsel mit einem heruntergekommenen Fort.


    Im Folgenden möchte ich mich weniger mit dem detaillierten Verlauf der Schlacht als vielmehr mit den Ursachen für den überragenden Sieg des britischen Geschwaders unter der Führung von Konteradmiral Sir Horatio Nelson beschäftigen.


    Nach der Landung der französischen Invasionsarmee in der Marabut-Bucht östlich von Alexandria hatte Vizeadmiral Comte de Brueys den Befehl, sich in Küstennähe zur Verfügung zu halten. Weder die Marabut-Bucht noch Alexandria erschienen dafür geeignet. So fiel die Wahl schließlich auf die Bucht von Abukir, die Brueys trotz der auch hier vorhandenen Untiefen weitläufig genug erschien, um die dreizehn Linienschiffe, vier Fregatten, sowie einige kleinere Schiffe zu beherbergen. Das kleine Fort und die kleine Abukir-Insel versprachen einen gewissen Schutz. Von der Abukir-Insel ausgehend ankerte das französische Geschwader in einer Linie. Zugleich wurde die kleine Insel befestigt. Eine Maßnahme, die beim Eintreffen der Engländer noch nicht abgeschlossen war.


    Man hätte Annehmen können, dass sich die Franzosen in einer recht komfortablen Lage befanden, doch das stimmte nicht. General Bonaparte hatte den größten Teil der Vorräte des Geschwaders für seine Armee requiriert, um frei von Nachschubproblemen schnell in Richtung Kairo vorstoßen zu können. Die Franzosen waren also gezwungen, sich an Land zu versorgen. Das war insofern schwierig, als die ansässigen Beduinenstämme ihnen feindlich gesonnen waren. So brauchte es neben den Landungstrupps jeweils noch eine angemessene Eskorte zu deren Schutz. Ein großer Teil der Besatzungsmitglieder befand sich also nicht an Bord, als das britische Geschwader aus Richtung Alexandria kommend die Masten der französischen Linienschiffe sichtete. Fortsetzung folgt.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Ich frage mich gerade, von wem der Spruch stammt: Die Spanier sind tapfere Kämpfer und man ist gut beraten, niemals ihren Mut in Zweifel zu ziehen, aber sie werden niemals rechtzeitig fertig. Ich glaube, es war Jack Aubrey vor dem Gefecht mit der Cacafuego.

    Ebenso erging es auch den Franzosen, die natürlich auch die heranstürmenden Briten sichteten. De Brueys ließ sofort die Landkommandos zurückrufen und da klar war, dass die meisten der Männer einen ziemlich langen Rückweg hatten, wurden Mannschaften von den Fregatten zur Bemannung der Batterien auf den Linienschiffen abkommandiert. Da es aber bereits Nachmittag, rechnete de Brueys erst für den folgenden Tag mit einem britischen Angriff. Zugleich befahl er, die Linienschiffe an Bug- und Heckankern zu sichern. Bisher lagen die Schiffe nur vor Bugankern und da sie sich in sicherer Entfernung zu den Untiefen vor der Küste befanden, war das bisher auch kein Problem gewesen. Zugleich sollten die Linienschiffe mit Ketten verbunden werden, um einen britischen Durchbruch zu verhindern. Beide Maßnahmen konnten nicht mehr umgesetzt werden, denn die britischen Schiffe griffen, Nelsons Befehl folgend, sofort an.


    Die Schlacht begann gegen 18.00 Uhr in der einsetzenden Dämmerung. Captain Foley von der Goliath hatte die Führung. Er besaß einen alten Atlas mit einer Karte der Bucht, die ihn davon überzeugte, dass zwischen der französischen Linie und den Untiefen noch immer genügend Platz für einen erfolgreichen Angriff war. Vier weitere Linienschiffe folgten ihm und nahmen die Vorhut der Franzosen unter Feuer. Der Rest stieß auf der anderen Seite vor, so dass die französischen Schiffe in die Zange genommen wurden. Die Schlacht tobte die ganze Nacht. Als das französische Flaggschiff, die mächtige L'Orient mit 120 Kanonen zunächst Feuer fing und schließlich explodierte, war die Schlacht entschieden.

    Die französische Nachhut unter Decres und Villeneuve ergriff mit zwei Linienschiffen und zwei Fregatten die Flucht, während die beiden 74er Tonnant und Timoleon noch bis in den Nachmittag des 2. Augusts weiter kämpften.

    Zwei französische Linienschiffe und zwei Fregatten waren versenkt worden, neun Linienschiffe wurden von den Briten erobert. Fortsetzung mit meinen Gedanken zum Ausgang der Schlacht folgen morgen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Wenn man sich die Gründe für den Ausgang der Seeschlacht bei Abukir anschaut, sollte man zunächst einen kurzen Blick auf das Kräfteverhältnis werfen. Für die Geschichtsschreibung verfügte Comte de Brueys über dreizehn Linienschiffe und vier Fregatten, Nelson über vierzehn Linienschiffe und eine Brigg-Sloop. Man könnte von einem halbwegs ausgeglichenen Verhältnis ausgehen, auch wenn unterschwellig immer von einer leichten Überlegenheit Nelsons ausgegangen wird, da er ja ein Linienschiff hatte. Allerdings war dieses eine Linienschiff mehr die kleine Leander mit 50 Kanonen, die man eigentlich nicht mehr als Linienschiff ansah und die Culloden traf erst mit großer Verspätung in der Bucht ein. Alle anderen britischen Linienschiffe waren 74er. Die französische Linie bestand aus neun 74ern, drei 80ern und der großen L'Orient mit 120 Kanonen. Gemessen an der Anzahl der Kanonen an Bord der Linienschiffe konnte man also durchaus von einem Gleichgewicht ausgehen, denn die Fregatten und Sloops hielten sich ja traditionell aus dem eigentlichen Kampfgeschehen heraus. Die ebenfalls anwesenden französischen Kanonenboote und Mörserschiffe, sowie die Landbatterien sollen zwar gefeuert haben, aber über wirkliche Treffer ihrerseits ist nichts bekannt (mancherorts ist von einem Beschuss der vor der Bucht aufgelaufenen Culloden durch das Fort Abukir zu lesen, doch da es auf der Culloden keine daraus resultierende Schäden gab, lagen die Schüsse wohl zu kurz).


    Da hiermit zunächst einmal geklärt ist, dass man von einem recht ausgeglichenen Kräfteverhältnis ausgehen kann, komme ich nun zu den Gründen für den überragenden Sieg der Briten.


    1. Vorbereitung


    Die französische Flotte traf am 28. Juni vor Alexandria ein. Man kann also davon ausgehen, dass sie gut einen Monat Zeit hatte, sich auf ein Eintreffen des britischen Geschwaders vorzubereiten. Und man wusste, dass Nelson in der Nähe war und hatte eigentlich viel früher mit ihm zu rechnen, denn man konnte ja nicht davon ausgehen, dass er sich faktisch blind und ohne Aufklärungskräfte durch das Mittelmeer tastete.

    Tatsächlich gab es ja so etwas wie ein Verteidigungskonzept. Die Linienschiffe lagen in einer lang gestreckten Linie, die sich über mehr als 2 1/2 km hinzog mehr oder weniger parallel zu den Untiefen vor der Küste der Abukir-Halbinsel. Dahinter lagen die Fregatten noch dichter an den Untiefen. Fort Abukir und die Abukir-Insel waren befestigt, Fort Abukir sogar mit zwei schweren Mörsern. Zwischen den Untiefen vor Fort Abukir lagen Kanonenboote und Mörserschiffe. Theoretisch befand er sich also in einer guten Position. Aber offensichtlich hatte das Verteidigungssystem zwei entscheidende Schwächen. Die Schlachtlinie befand sich viel zu weit vor den Untiefen, so das noch genügend Raum für die britischen Angreifer vorhanden war, die französische Linie in die Zange zu nehmen. Man hatte doch eigentlich genügend Zeit, die Gewässer zu erkunden und sich an die Verhältnisse anzupassen. Und die Landbatterien spielten überhaupt keine Rolle in der Schlacht. Waren sie falsch aufgestellt oder noch nicht einsatzbereit? Nach einem Monat!


    Beim britischen Geschwader gehörte es zum Alltag, dass sich die Kommandanten fast täglich bei Nelson trafen und die sie erwartenden Verhältnisse, soweit man sie antizipieren konnte, besprachen. Jeder Kommandant wusste im Grunde ziemlich genau, wie er sich im Ernstfall zu verhalten hatte, worauf es ankam und was man von ihm und seinem Schiff erwartete. Und offenbar hatte man sich durchaus auch im Voraus Gedanken über die Verhältnisse an der ägyptischen Küste gemacht, sobald man wusste, wo die Franzosen zu finden waren, auch wenn der konkrete Ort erst beim Erreichen der Küste klar wurde.


    Vorbereitung ist nun einmal alles. Drei Euros für das Phrasenschwein.

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  • 2. Geschwindigkeit


    Angeblich gehörte es zu Nelsons ständigen Befehlen, dass ein vor Anker liegender Fein sofort anzugreifen war. Der Comte de Brueys konnte sich nicht vorstellen, als die britischen Schiffe am Nachmittag des 1. August in Sicht kamen, dass es vor dem nächsten Tag zum Gefecht kommen würde. Er rief zwar die Landkommandos zurück, angeblich bis zu einem Drittel der Besatzungsstärke und ließ die Besatzungen der Linienschiffe aus den kleineren Einheiten verstärken, doch das geschah mit Blick auf den nächsten Tag und wahrscheinlich recht halbherzig.

    Die Briten verloren jedoch keine Zeit. Sie lieferten sich an der Spitze förmlich ein Rennen, als erster ins Gefecht zu kommen und ließen so den Franzosen keine Zeit, sich auf die Schlacht vorzubereiten.


    3. Selbstständiges Denken und Risikobereitschaft


    Die Männer an der Spitze der britischen Schlachtordnung warteten nicht auf konkrete Anweisungen. Sie erreichten die französische Schlachtlinie, sahen den Fehler und entschlossen sich, ihn sofort auszunutzen. Damit bestimmten sie den gesamten weiteren Verlauf der Schlacht. Eigentlich eiferten sie hier ihrem Befehlshaber nach, der bei Kap St. Vincent auch die Chance erkannte, nutzte und so die Schlacht entschied. Hier zahlte sich ihre Vorbereitung aus, denn Vorbereitung ist...

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Kommen wir zu einem abschließenden Fazit:


    Die Franzosen haben ihren Zeitvorsprung nicht genutzt und bereiteten sich zu halbherzig auf die Schlacht vor.

    Sie trafen auf einen Gegner, der eine fast schon modern zu nennende Menschenführung, zumindest soweit es die Kommandanten betraf, praktizierte. Nelson förderte und forderte Eigeninitiative und befähigte seine Kommandanten durch intensive Vorbereitung dazu, selbst im Chaos einer Schlacht eigene Entscheidungen zu treffen.

    Die Franzosen hätten trotzdem einen britischen Sieg verhindern können, wenn sie sich konsequent auf den erwarteten Kampf vorbereitet hätten. Als das britische Geschwader in Sicht kam, war alles zu spät und der Sieg der Briten hätte nur noch durch deren eigene Fehler verhindert werden können.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Bruey hat einfach zu viele falsche Annahmen getroffen, anstatt sich auf die Gegebenheiten vor Ort und der daraus resultierenden Konsequenzen einzustellen. Gerade Nelson ein statisches, starres, Handeln zu unterstellen war ein schwerwiegender Fehler.

    In der Aboukirbucht summierten sich dann die taktischen Missgriffe, z.B. sich auf den Schutz der Küstenbatterie zu verlassen, die Schiffe nach Schlagkraft falsch zu positionieren, einen zu großen Abstand zu lassen, keine Springleinen für die (Heck-) Anker anzubringen,... Ebenso, dass die Briten immer nach derselben Taktik angreifen würden. Zudem hatte man auf ablandingen Wind gehofft, Nelson nutzte bei Ankunft aber sogleich den seewärtigen Wind aus und machte den Franzosen einen weiteren taktischen Strich durch die Rechnung.

    Fatal war es natürlich auch, dass Bruey seine Mannschaften nur ungenügend an den Geschützen trainieren ließ.


    Bruey konnte auch nicht ahnen, dass Nelson die Pläne Bonapartes durchschaut hatte: "wenn sie ihren Plan [...] abgestimmt haben, so dass in Suez Fahrzeuge bereit stehen; da die Passage zur Malabarküste in dieser Jahreszeit gewöhnlich drei Wochen dauert, wären unsere indischen Besitzungen in großer Gefahr." (zitiert nach Witt, Jann: Horatio Nelson, Hamburg 2005, S. 195)


    Bruey mag vielleicht auch zögerlich gehandelt haben, da er ja auf Meldungen von Bonaparte wartete... Am 21. Juli 1798 gelang diesem ein Sieg über die Mamelucken in der Schlacht bei den Pyramiden, am 24. Juli besetzten die Franzosen schließlich Kairo.

    Und dann hatten sie einfach Pech. Bonaparte gab nämlich den Befehl, dass sich die Kriegsflotte nach Korfu zurückziehen sollte. Der Kurier wurde aber auf dem Weg nach Aboukir ermordet und so erreichte Bruey diese entscheidende Nachricht nicht.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Bonaparte gab nämlich den Befehl, dass sich die Kriegsflotte nach Korfu zurückziehen sollte. Der Kurier wurde aber auf dem Weg nach Aboukir ermordet und so erreichte Bruey diese entscheidende Nachricht nicht.

    Er hatte aber Brueys bereits nach der Landung freigestellt, eventuell nach Korfu zu segeln und von dort die Aktivitäten der osmanischen Flotte zu kontrollieren.



    Bruey konnte auch nicht ahnen, dass Nelson die Pläne Bonapartes durchschaut hatte

    Da gab es doch nicht viel zu durchschauen. Es gab doch ohnehin nur eine begrenzte Anzahl möglicher Ziele im östlichen Mittelmeer und sobald klar war, dass es Ägypten ist, lagen die Pläne eigentlich auf der Hand.

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  • Mir scheinen die Analysen in diesem Thread als recht plausibel. Obwohl es in der RN etliche Jahrzehnte lang auch dieses statische Denken, das sich in den Gefechtsorders festmachte gab (siehe Byng ) griffen solche Kommandeure wie St.Vincent und vor allem Nelson auf sehr alte und bewährte Handlungsweisen der RN zurück, die sie dann an die Waffentechnische Entwicklung und die Eigenschaften ihrer Schiffe anpaßten.

    Bestes historisches Beispiel für diese sehr englische Denk- und Handlungsweise waren die taktischen auch strategischen Überlegungen in der Schlacht gegen die Armada. So war der vorhergehende Angriff auf Cadiz ein brillanter taktischer Schachzug der der Flotte Elizabeth eine deutlich Verlängerung der Zeit bis zum Angriff brachte. Ganz gegen die damals üblichen Verfahrensweisen. Es war unüblich den Gegner in seinem Stützpunkt zu schlagen, daß gehörte auf See, zumal es bei solchen Kommandos durchaus möglich war, daß ein Großteil der Angreifer vernichtet werden konnte.


    Die sich ständig ändernden Maßnahmen der englischen Flotte während der Armadacampaine fußten nicht nur auf der numerischen Unterlegenheit der Engländer, sondern ergaben sich aus dem, unter welchen Umständen auch immer, Festhalten Medina Sidonias an seiner "Überlegenheitsformation" des Halbmondes, die schon gescheitert war, als es gleich zu Anfang der Gefechte nicht gelang die Engländer einzuschließen und sich diese sofort hinter die Armada setzten.


    Nelson ist in allen seinen Schlachten wohl so verfahren: sehr schnell und sehr hart bei jeder Gelegenheit und jeder Möglichkeit den Gegner zu schlagen, und dabei den Gegner an der Entwicklung seiner Strategie schnellstens zu hindern. Siehe auch Abukir.

    Nach dem Motto: ich kam, sah ( die Situation) und siegte. Hm, das war ja Caesar. Aber Nelson machte das samt seinen Kommandeuren genau so: Die Lage des Gegners wurde gesehen, und der Admiral erkannte die Situation richtig.

    Also: draufhauen. Und das wars dann für die Franzosen.

    Brachial aber eben militärisch genau richtig und damit ein voller Erfolg.

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • Die Lage des Gegners wurde gesehen, und der Admiral erkannte die Situation richtig.

    Bei Abukir habe ich, wenn ich mir die zeitliche Abfolge anschaue, eher den Eindruck, dass der Plan schon vor dem Gefecht mehr oder weniger feststand, bzw. verschiedene Varianten vorher durchgesprochen wurden. Ansonsten sieht es so aus, als hätte Nelson hier die Dinge einfach laufen lassen. An der Spitze gab es ja ein förmliches Wettrennen um die Führungsposition und als die Bucht erreicht war, sahen und erkannten die führenden Kommandanten die Situation und führten dann den entsprechenden Plan aus.

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  • Ja sicher, das ist bei einer Kampfhandlung in Auftragstaktik so. Nelson war einer der ersten die ihre Flotten resp. deren Kommandanten in der Auftragstaktik führten. Dazu gehörte eben auch, daß der Auftrag an die Kommandanten klar war, als der Angriffsbefehl gegeben wurde. Das setzte selbstverständlich voraus, daß die Varianten der Auftragserfüllung im Stab durchgearbeitet wurden.


    Interessant wäre es zu wissen, ob die Teilung der Flotte, nach dem Foley mit weiteren vier Schiffen in die "Binnenlage" einlief,

    eine selbständige Entscheidung der nachfolgenden Kommandanten war oder von Nelson kommandiert wurde.

    Das war m.E. nach die für die Engländer beste taktische Entscheidung und das absolute Desaster für die Franzosen.

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  • Hood mit der Zealous war so dicht hinter Foleys Goliath, dass er diesem einfach folgte. Theseus (Miller), Orion (Saumarez) und Audacious folgten den beiden. Nelson ging dann mit der Vanguard wie geplant seewärts an den Franzosen vorbei, um sie so in Kreuzfeuer nehmen zu können.


    Flaggkapitän Edward Berry berichtete später dem Naval Chronicle, dass Nelson auf den informellen Treffen mit seinen Kapitänen alle möglichen Gefechtssituationen diskutierte und seine "Ideen über verschiedene und am besten geeignete Arten des Angriffs und solche Pläne, die er, sollte er auf den Fein treffen, wie auch immer dessen Position oder Situation sei, sei es Tag oder Nacht, anzuwenden gedachte."


    Die Entscheidung von Foley, die schwoienden Schiffe auf deren nicht vorbereiteter Backbordseite anzugreifen, war genial.

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  • Bonaparte gab nämlich den Befehl, dass sich die Kriegsflotte nach Korfu zurückziehen sollte. Der Kurier wurde aber auf dem Weg nach Aboukir ermordet und so erreichte Bruey diese entscheidende Nachricht nicht.

    Er hatte aber Brueys bereits nach der Landung freigestellt, eventuell nach Korfu zu segeln und von dort die Aktivitäten der osmanischen Flotte zu kontrollieren.

    Das ist korrekt, der Hafen von Alexandria war für die Linienschiffe ungeeignet. Zu diesem Zeitpunkt erschien Korfu als passende Alternative, aber zu weit entfernt, um die Transportschiffe bei einem britischen Angriff schützen zu können. Napoleon landete in der Nacht zum 1. Juli 1798 an der Küste nahe Alexandria.

    So lange er aber keine (gesicherte) Basis in Ägypten hatte, konnte er die Flotte aber auch keinesfalls fortschicken! Diese musste den Truppen im wahrsten Sinne des Wortes den Rücken freihalten und ggf. einen Rückzug absichern. - Anderenfalls hätte es ihm wie Cornwallis in Yorktown ergehen können... "Daher entschloss sich Brueys nach einigem Zögern, in der Bucht von Aboukir vor Anker zu gehen. Bonaparte erhob keine Einwände gegen die Entscheidung seines Admirals." (Witt, Jann: Horatio Nelson, Hamburg 2005, S. 200.)


    Bruey konnte auch nicht ahnen, dass Nelson die Pläne Bonapartes durchschaut hatte

    Da gab es doch nicht viel zu durchschauen. Es gab doch ohnehin nur eine begrenzte Anzahl möglicher Ziele im östlichen Mittelmeer und sobald klar war, dass es Ägypten ist, lagen die Pläne eigentlich auf der Hand.

    Auch das ist korrekt, aber woher hätten die Briten das wahre Ziel kennen sollen? Nelson beklagte sich über mangelnde Informationen: "Die letzte Kunde, die ich über die Franzosen erhielt, stammt von einem tunesischen Kaperschiff, das sie am 4. [Juni] vor Trapani in Sizilien mit Kurs nach Osten gesichtet hatten. Wenn sie Sizilien passieren, denke ich, dass sie ihren Plan verfolgen, Alexandria einzunehmen und Truppen nach Indien zu führen - in einem mit Tipu Sahib abgestimmten Plan, der keinesfalls so schwierig ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag; aber mögen ihr Ziel auch die Antipoden sein, [...] dass ich nicht einen Moment verlieren werde, um sie zur Schlacht zu stellen, [...]." (Brief an Lord Spencer, 15. Juni 1798, zitiert nach Witt, Jann: Horation Nelson, Hamburg 2005, S. 192)

    Am 21. Juni vor der sizilianischen Küste: "Ich erhielt nicht die geringste Information oder Nachricht [...]." (Witt, a.a.O., S. 194)

    An St. Vincent: "[...] Diese Streitmacht wäre nicht notwendig gewesen, um Malta einzunehmen. [...] In Anbetracht ihrer Vorgehensweise, [...] schien es mir klar zu sein, dass sie entweder beabsichtigen [...] die gegenwärtige Regierung der Türkei zu stürzen oder eine Kolonie in Ägypten zu errichten und einen Handelsweg durch das Rote Meer nach Indien zu eröffnen." (Witt, a.a.O., S. 195)


    Das war also ein reines Vabanquespiel, welches auch anders hätte ausgehen können..

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  • Ein toller Thread.

    Die Suche nach der Französischen Flotte war auch ein wenig Glück. Hätte man sie nicht vor abukir gefunden, hätte es auch ganz anders ausgehen können.

    Nelsons Erfolg lag sicher zu großen Teilen an seinem Führungsstil. Alle Kapitäne kannten die große Strategie hinter den Plänen, alle waren an der Ausarbeitung beteiligt und hatten alle möglichen Stenarien in einem Brainstorming zusammengetragen.

    Da gab ihn im Gefecht die größtmögliche Flexibilität.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Die Suche nach der Französischen Flotte war auch ein wenig Glück.

    Ich sehe da eigentlich in erster Linie eine Menge Pech. Ein Sturm gab den Franzosen die Gelegenheit, aus Toulon zu schlüpfen. Dieser Sturm sorgte für Schäden an Nelsons Flaggschiff, was die Fregatten seines Geschwaders zu der irrigen Annahme veranlasste, er würde deshalb nach Gibraltar zurückkehren.

    Dann überholte Nelson die große französische Flotte in der Nacht, ohne es zu bemerken und war deshalb ein paar Stunden zu früh vor Alexandria. Fast einen Monat nach der französischen Landung in Ägypten erfuhr Nelson schließlich davon und griff die Franzosen an.

    Da ist nicht viel Glück zu erkennen. ;)

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  • Hmmm... wahrscheinlich wäre es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis man sich "gefunden" hätte.

    Dann hätte man aber gewiss nicht diese Schießbuden- bzw. Silbertablettpräsentation der fr. Flotte wie an der Perlenschnur mit halben Mannschaften vorgefunden.

    Glück im Unglück bzw. glückliche Umstände. ;)

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