Eine Schönheit unter die Haube bringen

  • Ahoi allerseits,


    manch eine/r mag sich schon gefragt haben, was denn mit meiner Ankündigung ist, meine Mercury in eine Vitrine zu packen?

    Ich muss zugeben, dass ich mich mit diesem Projekt lange Zeit recht schwer getan habe. Ideen schwirrten genügend in meinem Kopf herum, aber sie wollten sich einfach nicht zu einem schlüssigen Ergebnis formen. Zur Erinnerung: Ich hatte angekündigt, das Schiff auf Fahrt im Wasser zu zeigen - schließlich hatte ich mir ja so viel Mühe gegeben, mit Fön und verdünntem Weißleim die Segel ordentlich in Form zu bringen.


    Schließlich wühlte sich eine konkrete Lösungsmöglichkeit nach vorn, und ich bestellte mir im Netz eine 3 mm dicke, transparente Kunststofffolie (ok, bei 3 mm Stärke kann man nicht unbedingt mehr von Folie sprechen...). Die netten Menschen von Shipyard, die ich ja 2019 auf der Intermodellbau Dortmund persönlich kennengelernt hatte, schickten mir die Lasercut-Platten für die "Wasseroberfläche" des Werftkais, den es für die Mercury gibt. So hatte ich also nun den exakten Verlauf des Querschnitts in Höhe der KWL. Jetzt ging es ans Messen, und schließlich bekam die dicke 'Folie ein passendes großes Loch. Jetzt zersägte ich zwei dicke Holzstäbe, um Stützpfeilerdummies zu bekommen, die ich später durch dünne Acrylstäbe ersetzen wollte. Lange Rede, kurzer Sinn: Diverse Stellproben damit brachten mich an den Rand der Verzweiflung, außerdem hatte ich Mühe, mein Schiff da ohne Schäden wieder herauszubekommen. Und was noch dazu kam: Immer wieder tauchten vor meinem geistigen Auge Horrorvisionen der Szene des Aufsetzens der Haube (also der Vitrine ohne Boden) auf die Bodenplatte auf. Immerhin ist das Teil mit 90 x 45 x 88 cm recht groß und mit seiner 3 mm Wandstärke (Acryl) auch ordentlich schwer. Alles muss passen, die Ränder der Wasseroberfläche müssen sitzen, und und und... Nur einmal etwas verkanten, und die Mercury bekommt einen after-Trafalgar-Look.


    Und so gab es eine kurzzeitige Phase, die noch gar nicht so lange zurück liegt, in der ich schon wild entschlossen war, die Mercury einfach nur auf einem schönen Ständer in die ja bereits seit Sommer 2021 hier herumstehende Vitrine zu setzen. Zum Glück war das mit dem "schönen Ständer" auch nicht so einfach - den Kartonständer des Bausatzes wollte ich nicht nehmen, andere Varianten aber erfüllten aus verschiedenen Gründen auch nicht meine Ansprüche.

    Dann aber, vor wenigen Tagen, die geniale Erkenntnis: Es war beim Zusammenbau der Vitrine nicht die obere Platte, die zuletzt aufgesetzt wurde. Es war die Vorderseite! (Ok, kann auch die Hinterseite sein, aber das ist völlig egal... fr21 )


    Und plötzlich ging alles ganz schnell.

    Im Netz fand ich einen Anbieter, bei dem ich Acrylrohre kaufen konnte. 3 cm Durchmesser, wahlweise ab 10 cm in jeder gewünschten Länge. Bevor ich da bestellte, baute ich mir viele 3 cm-Röhrchen aus Karton, in 10, 11 und 12 cm Länge. Kippelige Stellprobe mit der recht schweren Folie für die Wasseroberfläche. Ja, sieht gut aus, auch ohne Schiff - darauf hatte ich an der Stelle verzichtet. Ich war jetzt wild entschlossen, das Ding durchzuziehen.

    Ich muss dazu noch berichten, dass bei der Lieferung der Teile für die Vitrine ein Teil angebrochen war. Reklamiert, anstandslos ein neues bekommen. Und das an einer Ecke angeschlagene Teil diente mir nun als Probe-Bodenplatte.

    Von den Kartonröhrchen schnitt ich mir nun einige Ringe zu 1 und 2 cm ab. (Ich hoffe, ihr könnt mir noch folgen? search ) Die von mir angedachte Höhe der KWL sollte bei 10 cm liegen, und 10 cm waren die kürzesten Acrylröhrchen, die ich bekommen würde. Also war das meine Nullinie; mit den 1 cm und 2 cm formte ich nun die Wasserfolie. Und dann kleisterte ich da Acryl Water for Dioramas Clear Water A-MIG-2205 drauf. Mit Pinsel und alter, zerschnittener Bahncard formte ich dies und das. Nach dem Durchtrocknen kam auch noch farbloser Latex zum Einsatz. So, und nun endlich kommt die Antwort auf die Frage, die ich da so gestöhnt aus der hinteren Ecke höre: "Wovon spricht der Kerl da?" So sah das dann aus:


    Heute kamen dann endlich die bestellten Acrylröhrchen. Und so habe ich die Bodenplatte genommen und die Setzpunkte meiner Papierringe auf diese übertragen. Da, wo die Folie auf der Übungsplatte auflag, hab ich die 10 cm-Röhrchen hingesetzt. Folie drauf, korrigierende Hin- und Herschiebereien und schließlich mit Sekundenleim die Röhrchen festgeklebt. Dann wurde die von ihrer Vorderplatte befreite Haube draufgesetzt. Ja, es passt - und das probeweise Andrücken der Vorderfront hat gezeigt, dass es da auch passt.



    Ok, passt also, nun die Haube wieder runter, denn: Jetzt kam ein spannender Moment: Stellprobe mit Dame. In dem Fall nicht mit Jessica, sondern mit der Mercury:


    Das schaut schon mal gut aus, notwendige Korrekturpunkte habe ich erkannt und notiert.


    Nun zum finalen Hafen: In der Verwandtschaft gibt es einen pensionierten Schreiner, der mir nach meinen Vorgaben ein passendes Board gefertigt hat. Ich hab das dann noch leicht gebeizt und matt lackiert. Wer uns von euch schon mal hier in Köpenick besucht hat, kennt meine uralte Truhe. Auch wenn sie vermutlich nie die See gesehen hat, geht dieses geschätzte 150 Jahre alte Stück auch gut und gern als alte Seekiste durch. Auf jeden Fall passt sie wunderbar unter das Board.


    Und nun schon mal die Bodenplatte mit der Wasseroberfläche draufgestellt.


    Wie geht es weiter? Meine DHL-App sagt mir, dass morgen die bestellte Spezialfarbe kommt. Dann werde ich aus der welligen Plastefolie eine hoffentlich überzeugende Wasseroberfläche zaubern. Ebenfalls auf dem Lieferweg ist ein weiteres Glas Acryl Water, um damit unter anderem das zu formen, was unser alter Master Quincy in einem seiner Bücher so beschrieben hat: "Das Schiff hatte einen Knochen aus Schaum im Maul."


    Nach monatelangen Zweifeln und Unsicherheiten habe ich jetzt endlich ein richtig, richtig gutes Gefühl, dass in wenigen Tagen meine Mercury endlich ihre endgültigen Zielkoordinaten erreicht. :sun:


    aufgeregte Grüße :huzzah:


    Bonden

  • OK, ich gebe zu, stellenweise konnte ich Dir nicht mehr folgen und musste nochmal von vorn lesen. Wenn ich mich recht erinnere, stand beim letzten BKT die leere Vitrine bereits in der Wohnung, wenn auch noch nicht an ihrem Platz. Damals hast Du uns Deine Pläne erläutert und ich dachte so für mich, oh jeh, das wird nicht leicht. Also ich wäre dem ganzen Ärger aus dem Wege gegangen und hätte einen Ständer gewählt. Aber wir kennen Dich ja als master of desaster. Du gehst keinem Ärger aus dem Weg, auch keiner Vitrine und ich habe jetzt den leisen Eindruck, dass es wirklich gut wird. :hold

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Denn man tau...

    Ja, das könnte gut werden. Wasser malen ist nicht einfach.

    Aber das wird bei Dir.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Sehr schönes Projekt, Bonden.


    Du hast an anderer Stelle überlegt ob Du zwecks Detailbau mal größer baust, und ich habe gerade überlegt, ob ich auch mal kleiner baue, da ich meine Schiffe nicht „ einhause“, da die Vitrinen dann ziemlich groß sein müssen, und ich die nicht mehr gut im Haus unterbringen würde. Gestern habe ich den Großteil der „Flotte“ mit Staubsauger und Pinsel entstaubt, was eine immerhin dreistündige Tätigkeit war. Aber wie heißt es doch: wat mutt, dat mutt.

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • Wir sind gespannt! Sieht und hört sich nach einem tollen Projekt im Projekt an!

    Weiterhin viel Erfolg! fr18

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • HOLYMOLY...... pillepallepillepalle Pillepalle..muß man schon ein wenig sein, um auf solch eine außergewöhnliche Dioramaart zu kommen. search


    Auch ich wußte anfangs nicht wirklich, was Du da mit deinen 1-2-10-12mm Röhrchen so vorhattest....bis ich es dann gesehen habe..wie gesagt, darauf kommt man nur, wenn man ein wenig pillepallepillepalle ist... :D


    In der Draufsicht schaut es für mich so aus, als wäre da bereits ein leichter Wellengang mit dementsprechenden kleinen Wellen und Schaumkrönchen zu erkennen. Sieht gut aus!!


    Weiterhin viel Freude mit der Umsetzung und da bleibe ich mal gaaanz dicht dabei. Für den Fall, das Du das Teil mal schräg stellst und Hilfe brauchst beim geraderücken.... pleasantry


    Übrigens...die Mercury ist ein TRÄUMCHEN!!!! fr18fr18


    Es grüßt

    Cpt. Baltimore

    Werftbetrieb gestartet für 2-Mast Schoner "Flying Fisch" M1:50. Baumaterial und tüchtige Handwerker für den Start des Projektes nun in ausreichender Menge/Anzahl vorhanden. 3 Fässer Rum haben sich bereits eingefunden, um die Arbeitsmoral in die richtigen Bahnen zu lenken. Nach Schichtende versteht sich!beer

  • Ahoi allerseits,


    danke für eure netten Kommentare und die Likes. Ja, etwas verrückt mag das schon erscheinen - und im Folgenden wird es nicht besser.

    Die dicke Folie wird immer dicker - Schicht um Schicht kleistere ich da drauf. Für außenstehende Beobachter mag das irgendwie planlos und chaotisch wirken, aber ich kann euch versichern: Genau das ist es auch. fr21

    Oben sprach ich von Spezialfarbe. Nun, dabei handelt es sich um Windows Color Clear der Firma Kreul, in verschiedenen Farben. Die online bestellte war schnell alle, aber zum Glück gibt es in Berlin und dann auch nur 15 S-Bahn-Minuten entfernt das "Kreativkaufhaus Edelhoff", die u.a. auch genau diese Farben haben.

    Ich habe dann immer Türkis, Blau und Schwarz in einem genau bestimmten Verhältnis gemischt: Türkis reichlich, blau etwas weniger, Schwarz so ungefähr... ja, das könnte reichen. :D Dann mit einem Schwamm aufgetupft, damit keine Pinselstreifen zu sehen sind. Diese Farbe ist nach dem Austrocknen sehr transparent. Zwischendurch dann immer mal wieder eine Schicht vom leicht verdünnten Wassergel drauf, dann wieder Farbe.


    Sieht doch alles toll aus, oder? :D


    Inzwischen ist ein toller Effekt zu beobachten: Man hat wirklich das Gefühl, in bewegtes Wasser zu schauen. Die Unterseite der Folie habe ich auch gestrichen, mit normaler Acrylfarbe, auch etwas verdünnt und auch gemischt, weil mir doch von unten viel zu viel Licht durchschimmerte. Die Mercury ist schließlich nicht in der Südsee in Landnähe und bei nur leichtem Wind unterwegs. :pf:


    Und jetzt freut euch auf morgen... :sun:

  • Und jetzt freut euch auf morgen...

    Alles Quatsch - zumindest für die, die jetzt noch wach sind. Freut euch jetzt! :sun:


    Die HMS Mercury habe ich am 11.Februar 2014 begonnen. Heute, nach 8 Jahren (und 6 Tagen) ist das Gesamtprojekt wirklich und wahrhaftig fertig fertig! :huzzah:


    Schaut selbst. Ich werde morgen bei Tageslicht noch jede Menge Bilder machen, aber hier erstmal die Ausbeute des heutigen Abends:






    Und auch der strenge Blick von Jack ist gar nicht mehr so streng angesichts dieser Schönheit.


    Ach Leute, habt ihr überhaupt eine Ahnung, wie ich mich heute fühle? Ich schwebe nicht nur auf Wolke 7, ich BIN Wolke 7! fr21


    Ich befürchte ja Schlimmes. Im letzten Bild sieht man am linken Bildrand meinen Stuhl am Esstisch. Vermutlich werde ich ab sofort schrecklich viel kleckern, weil ich beim Essen ständig den Kopf nach links gedreht habe. :D


    Jessica und ich haben vorhin jedenfalls mal mit unserem besten Rum angestoßen. :trink: Und das dürft ihr jetzt auch. Also mit eurem besten Rum, nicht mit unserem. :pf:

  • Was ich total vergessen habe zu berichten: Es gab dann kurz vor der Finalisierung mit Schiff noch eine Stellprobe mit Wasseroberfläche und Haube, aber ohne Schiff. Mit einem abwischbaren Marker wurde dann der Verlauf der Wasseroberfläche von außen an die Seitenwände der Haube gemalt. Anschließend habe ich mit der Windows-Clear-undsoweiter-Farbe von innen die Bereiche unterhalb der Wasserlinie mit einem Schwamm farbig eingetupft. Daher also die Einfärbung dieses Bereiches. Schaut man sich das hier in echt an, hat man schon ein wenig das Gefühl, in Wasser zu schauen. Das Unterwasserschiff ist verschwommen zu sehen, die Kupferung schimmert leicht durch. Ach ja, und das noch: Die Mercury "schwebt" nur in der Wasserfolie; eine zusätzliche Stütze unter dem Kiel war entbehrlich, da ich mit reichlich Acrylröhrchen (hatte da nochmal welche nachbestellt) ein Absacken der Folie durch den Druck des Gewichtes des Modells kompensieren konnte.

  • Hi Bonden


    Ich bin schwer beeindruckt...mir fehlen die Worte!


    Beste Grüsse

    Peter

  • Mein lieber Bonden, ich bin schwer beeindruckt. Man sieht ja die gute Mercury förmlich die Wellen durchpflügen. Kein Wunder, dass Lucky Jack Aubrey voller Wohlgefallen auf sie schaut und denkt: "Wirklich alles sehr shipshape." Und ich höre Doktor Maturin begeistert ausrufen: "Was für ein schönes Boot!" Und während alle Seeleute um ihn herum innerlich zusammenbrechen, denken sie: "Wo er Recht hat, hat er Recht. Wirklich ein schönes Schiff."


    Aber mal Spass beiseite. Als ich im letzten Jahr die fertige Mercury bewundern durfte, stand da ja auch schon die noch unfertige Vitrine herum, ein gefühlt riesiger Kasten. Ich bilde mir auch ein, dass Du in einer Plexiglasplatte schon einen Probeschnitt versucht hattest. Und ich dachte so bei mir: "Was tust Du Dir da an Bonden , lass es lieber." Nur gut, dass ich das damals für mich behalten habe, denn ich würde jetzt doch ganz schön dämlich dastehen. So kann ich Dir jetzt einfach sagen: "Klasse gemacht, aber wir haben von Dir ja auch nichts anderes erwartet."

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Ganz ganz grosses Kino.

    Das wirkt auf Dich bestimmt besser als alle Drogen der Welt.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Aye,Bonden,


    Sehr ordentliche Sache, mit der Du da Euer Heim schmückst.


    Oder um einen gewissen Admiral zu zitieren: ganz großes Kino!


    Angarvater

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • Ahoi allerseits,


    als ich heute aufgestanden bin, musste ich erst mal schnurstracks ins Wohnzimmer eilen, um zu gucken, ob ich das nicht alles nur geträumt habe. Nein, da sind sie alle, die Mercury und die Vitrine und die bewegte See. :D


    Habt vielen Dank für eure netten Kommentare und die Likes. fr18

    Und ich dachte so bei mir: "Was tust Du Dir da an Bonden , lass es lieber."

    Nicht nur du, lieber Speedy - ich selbst auch so manches Mal. fr21 Aber letztendlich war Aufgeben keine Option für mich, so. :sun:

  • Ganz großes Kino! Eine perfekte Darstellung für ein wunderschönes Modell :bravo:

    Gruß Christian


    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • Bonden

    Hat das Label von Im Bau auf Abgeschlossen geändert.