C. N. Parkinson - Das Kaperschiff

  • Ich pflege einen paradoxen Schreibstil. Wenn ich etwas schreibe, dann am liebsten das, was die Leute von mir nicht erwarten“.

    (Cyril Northcote Parkinson.; in: Stock, W.: Der Vater von Parkinsons Gesetz; https://stockpress.de/2011/01/12)


    Folgender spöttischer Satz hat diesen Wissenschaftler mit einem Schlag weltberühmt gemacht. Work expands so as to fill the time available for its completion. Please translate: Arbeit wird so in die Länge gezogen, wie Zeit für sie zur Verfügung steht.

    Das ist Parkinsons Gesetz und hat nichts mit Schüttellähmung zu tun! Weltruhm! In Parkinsons Gesetz und andere Studien über die Verwaltung beschreibt der englische Historiker, was er bei der britischen Kolonialbürokratie in Asien beobachtet hatte. An Hand von Beispielen weist C. N. Parkinson nach, warum Verwaltungen wachsen, obwohl die Arbeit gleich bleibt oder sogar abnimmt. Das ist auch im 21 Jhd. aktuell, hoch aktuell!


    Hier jedoch soll der 2. Band einer marinehistorischen Mini-Romanserie um einen der eher seltenen, besonderen Seehelden Richard Delancey vorgestellt werden.

    F. Adam (alias K.H. Ingenkamp) führt in seinem Anschauungsband 'Herrscherin der Meere' aus: „Seine Seeromane um seinen Helden Richard Delancey sind historische Kabinettstückchen. 1973 erschien sein erster Roman 'Devil to pay', der bereits 1975 im (...)Schröder Verlag unter dem Titel 'Das Kaperschiff' veröffentlicht wurde. Nur noch sein zweiter Band wurde übersetzt, diesmal bei Heyne unter dem Titel 'Der Branderkapitän'“.


    Zur Vollständigkeit sind hier die Titel der Kurzserie angeführt:


    1. The Guernseyman
    2. Das Kaperschiff
    3. Der Branderkapitän
    4. Touch and go
    5. So near, so far
    6. Dead reckoning


    Der Kapitän Delancey ist ein Mann von den Kanalinseln, also ein Guernsey-Man. (Bei diesem Titel, bei dieser Bezeichnung dürfen wir in diesem Forum schon mit der Zunge schnalzen...Woran erinnert es bloß?.... )


    Zur Story: 1795. Richard Delancey ist Leutnant, kalt gestellt auf einem unbedeutenden Stationsschiff. Er hatte eine Aussage vor Gericht gegen seinen Kapitän vorgebracht. Nun bekommt er ein Himmelfahrtskommando, einen Auftrag, den er kaum erfüllen kann. Er kann! Und wie! Duell! Zollkutter! Schlagabtausch mit Schmugglern. Kaperkapitän. Husar! Havarie! Spion hinter den feindlichen Linien! Letztendlich erfolgreich! Wieder aufgenommen im wirklich aktiven Dienst der Royal Navy! Happy End – vorläufig.


    Es ist leider der 2. Band der Serie. Zu Beginn springen wir Leser ins kalte Wasser. Da fehlt doch etwas? Ja, wohl der erste Band!

    Aber endlich einmal wieder ein Kapitän mit Charakter, der uns an Hornblower und Drinkwater und Aubrey erinnert. Das ist so wertvoll in dieser besonderen, speziellen Literatur! Das ist so wichtig, damit es nicht wieder eine von so vielen etwas trivialen Abenteuer-Schmonzetten ist!

    Delancey ist auch ein Denker, ein Zweifler, ein Planer, einer, der dabei ist, der gestaltet. Seine Karriere, sein Leben, der verantwortlich an seine Kameraden denkt, aber auch Anführer und Leitwolf sein kann. Seine vielen Selbstzweifel machen ihn menschlich und sympathisch. Zudem ist er ein Lesender, der zeitgenössische Romane, aber auch fachwissenschaftliche Literatur kauft und liest. Sehr sympathisch! „Eigentlich hätte er gerne etwas über Kaperei gelesen, aber soweit er wusste, war darüber noch kein Buch veröffentlicht worden“ (S.158).

    Bei der Flucht durch das südliche Spanien gibt es feinsinnige Verweise auf den spanischen National-Roman Don Quichotte von M.d. Cervantes. Das gefällt dem literarisch ambitionierten Leser sehr.


    Die Fluchtstory kennen wir schon ein wenig, da sind wir vergleichend schnell bei Hornblower in Frankreich ('Unter wehender Flagge'), aber das macht gar nichts. Herrlich wie es durch Frankreich und Spanien zum Mittelmeer geht und reitet. Kostümwechsel inklusive! Das gefällt schon – auch im direkten Vergleich.


    Es gibt einen gewissen Bruch mit den heroischen Erzählungen so mancher literaturhistorischen Serien, die die Royal Navy grundsätzlich feiern und wenig kritisch auf die menschenverachtenden Zustände eingehen. Was sind die glorreichen Matrosen? Oft dumme, zum Dienst vergewaltigte Männer, die sich mit ihrem Schicksal abfinden mussten.


    Wie wird uns Lesern diese Story vom Historiker, Soziologen, Publizisten präsentiert?

    Wir verfolgen die Wahrnehmungen eines auktorialen Erzählers. Wir erleben die Gespräche der Figuren als personales Erzählen. Der Autor lässt zu, dass wir nachvollziehen, wie der Kapitän tickt, denkt, zweifelt, fühlt, zweifelt. Die Perspektiven bleiben kontrolliert durch den Erzähler, aber wir erleben auch die Gedanken, Ideen und Überlegungen eines sympathischen Schmuggler-Kapitäns. Selbst ein Spanischer Offizier wird plastisch, weil wir seinen Motiven folgen können, weil er kein 'feindlicher Depp' ist.

    Diese Vielschichtigkeit ist aller Ehren wert!!!


    Leider hat das Erzählen auch seine Längen. Es gibt viele Passagen, da willst du ein Fließen und du bekommst eher eine Stauung. Es gibt langweilige Passagen, leider! Und es gibt leider unsägliche Dialoge zwischen gebildetem Kapitän und einfachem Matrosen. Beide sprechen sprachlich auf identischem Niveau. Ziemlich unglaubwürdig. Wo bleibt der oft so smarte Slang? Wo der Humor für besondere Aussprache und Syntax. Wir feiern dann Pope und Auch O'Brian!


    Das Schlimmste jedoch scheint die misslungene Übersetzungsleistung zu sein. Von mangelnder Kenntnis von zeitgenössischen Schiffstypen über Übersetzungsfehlleistungen und dilettantischer Darstellung des Segelns auf dem Meer, der adäquaten Führung eines Rahseglers in allen notwendigen Feinheiten und dem Fehlen des unbeschreiblichen Spirits auf dem Meer, das ist leider sehr schade!


    Wer nicht zur See gefahren ist, kennt nicht den Sog von Wind, Weite, Salz und Sehnsucht! Wer nie aufgerissene Hände hatte vom Zupacken beim Reffen und Belegen, sollte dann doch lieber tiefgründige Axiome über wirtschaftliche Phänomene formulieren.


    Und dennoch: Das Kaperschiff von C.N. Parkinson liest du gerne. Du würdest gerne einen Zollkutter führen und in Spanien gefährliche Maskerade vollziehen, um dann das Licht reflektierende klare Mittelmeer zu erblicken und wissen, gleich wirst du auch in deinen Träumen und abenteuerlichen Fantasien gerettet.


    "Wie die Luft gehört die See als Geburtsrecht allen Menschen.“
    (Thomas Jefferson 1743 - 1826)

    Einmal editiert, zuletzt von 1.Lord ()

  • Eine wunderbare Rezension, die Lust auf das Buch macht.

    Und ja, seinen Vorgänger hatte ich im Hinterkopf, obwohl ich nur den Titel, aber leider nicht den Inhalt kenne.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Jessica Read

    Hat den Titel des Themas von „C. N. PARKINSON - Das Kaperschiff -“ zu „C. N. Parkinson - Das Kaperschiff“ geändert.