Michael Palin - Erebus: Ein Schiff, zwei Fahrten und das weltweit größte Rätsel auf See


  • Sir Michael Palin kennen sehr viele - als ehemaliges Mitglied der britischen Kultkomikertruppe Monty Python. Was vermutlich viel weniger Leute wissen, ist die Tatsache, dass er ein durchaus erfolgreicher Buchautor ist und als solcher mehrere Reiseberichte, Romane und Tagebuchbände veröffentlicht hat. Außerdem gibt es von ihm auch ein paar vielbeachtete Reisedokumentationen.


    Erebus erzählt die Geschichte eines Schiffes und der Männer, die auf ihr gefahren sind. Die Erebus war bekanntlich das Flaggschiff bei der ebenso berühmten wie tragischen Franklin-Expedition auf der Suche nach der Nordwestpassage. Dass sie davor genau am anderen Ende der Welt war, in der Antarktis, ist eher weniger bekannt. Und dies trifft auch auf die Terror zu, das "Schwesterschiff", welches sie auf beiden großen Reisen begleitete.

    Palin lässt uns teilhaben an beiden Expeditionen. Er beschreibt, wie in England nach dem endgültigen Sieg über Napoleon und der dadurch beginnenden langen Phase eines wohltuenden Friedens ein Schwerpunkt auf die weitere Erforschung und Vermessung der Ozeane gelegt wird. Wir erfahren, wie eine Reise in die Antarktis vorbereitet wird, die insbesondere zum Ziel hat, mehr über den Erdmagnetismus zu erfahren und den magnetischen Südpol zu finden. Unter James Clark Ross, einem polarerfahrenen Mann, der 1831 als Erster schon den magnetischen Nordpol erreichte, startet im Oktober 1839 eine Expedition, die fast vier Jahre dauern sollte, ehe die beiden Schiffe und die allermeisten Männer wieder die englische Küste erreichten.

    Da von dieser Reise umfangreiche Dokumentationen in Form von Logbüchern, Tagebüchern, persönlichen Briefen und auch Reisebeschreibungen der Teilnehmer vorliegen, konnte Palin auf eine Fülle von Material zurückgreifen. Aber nicht nur das - er besuchte so ziemlich alle Orte und Gegenden, die auch Erebus und Terror seinerzeit anfuhren, schildert, was heute noch an Zeugnissen von damals zu sehen ist und nutzt jeweils vor Ort jede Möglichkeit, sich zusätzliche Informationen zu beschaffen.

    Die 1845 unter dem Kommando von John Franklin gestartete Arktisreise der beiden Schiffe lässt sich bestenfalls bis zum letzten bekannten Halt auf Beechey Island bei den Walfischinseln genau nachvollziehen; von dort wurden letztmalig Briefe in die Heimat geschickt. Ich war gespannt, wie der Autor dieses Dilemma lösen würde. Nun, sehr geschickt, wie ich finde. Er beschreibt die mit der Zeit anwachsende Unruhe und Sorge in England über das Ausbleiben jeglicher Nachrichten, beschreibt dann die (im Nachgang viel zu spät) gestarteten und erfolglosen Suchaktionen und berichtet davon, wie sich im Laufe vieler Jahre, bis in die heutige Zeit hinein, Puzzleteil für Puzzleteil zusammenfügt und so allmählich ein umfangreiches, wenn auch noch immer nicht vollständiges Bild vom tragischen Scheitern dieser Expedition entsteht. Dabei verliert sich Palin nie in eigene Spekulationen, er bleibt der "Berichterstatter von außen", macht aber dabei stets deutlich, welche Hochachtung und Bewunderung er dem Pioniergeist dieser Männer entgegenbringt. Und genau das ist für mich die große Stärke des Buches: Nie reißerisch, aber immer dicht dran, warmherzig, einfühlsam und stets spannend lässt uns Michael Palin zwei außergewöhnliche Entdeckerfahrten miterleben.

    Zeitgenössische und aktuelle Fotos, Zeichnungen und Gemälde sowie einige Karten vervollständigen das Buch.


    Für mich ganz klar fünf von fünf Eisbergen! :5*:


    P.S.: Die Erebus wurde 2014, die Terror 2016 gefunden.

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    Gruß Christian


    Auf dem Zeichenbrett und in der Werft: Naval Cutter Alert, 1777
    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • Ahoi Bonden


    Danke für Deine tolle Rezi! Das trifft meine Empfindungen biem Lesen dieses Buches zu 100%, nur hätte ich es nicht so gut formulieren können wie Du! Ich hatte das Buch für meine Verhältnisse sehr schnell gelesen, was schon für sich spricht.

    Was mich besonders beeindruckte ist, wie er quasi ein Fachbuch zu einem spannenden Roman macht und damit nicht mit maritimen Fachausdrücken um sich wirft. Er beschreibt viele Szenen derart real, dass man das Gefühl bekommt, selber dabei zu sein.

    Deine fünf Eisberge bestätige ich ganz klar! :5*:


    Beste Grüsse

    Peter

  • Hallo und Ahoi,


    ich bin auch gerade dabei das Buch zu lesen und kann die Begeisterung von Bonden bestätigen.

    Mich umtreibt dieses Thema seit dem Hörbuch von Dan Simmons eh.

    Ich lese fast alles was ich dazu zwischen die Finger bekomme. Ich fand es sehr kurzweilig und sehr informativ.

    Zumal von einem Engländer darüber sehr objektiv berichtet wird.

    Im Gegensatz zu einigen hochgestellten englischen Mitbürgern, leugnet er nicht das es bei diesem dramatischen Überlebenskampf zu Kannibalismus gekommen ist. Um nur ein Beispiel zu nennen


    Von daher, beide Daumen hoch. fr18


    Gruß

    Oeli

  • Im Gegensatz zu einigen hochgestellten englischen Mitbürgern, leugnet er nicht das es bei diesem dramatischen Überlebenskampf zu Kannibalismus gekommen ist.

    Sie leugnen es sicherlich nicht, sie finden es nur nicht weiter erwähnenswert, weil einige der beliebtesten britischen Gerichte so entstanden sein müssen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)