David Winter - Band 3 - Segel in Flammen

  • Wenn das Leben für Sie so lustig ist, Mr. Allen, dann können Sie ja nachher im Unterdeck beim Zählen der Gewürzballen helfen.“


    (Ich habe zum 5-ten Mal die Männer mit guter Nachtsicht herausgefunden und 3 Mal die Bramstengen gefiert. Ich denke, das ist eine sehr gute Voraussetzung, um Frank Adams 3. Roman zu rezensieren!)


    Dieser dritte Band der marinehistorischen Reihe verfolgt die Entwicklung des noch jungen David Winter vom Oktober 1779 bis zum Mai 1782. David feiert drei Geburtstage, die aber von den überbordenden Ereignissen und Abenteuern verschlungen werden.

    1995 erschien dieser Roman von Frank Adam in der deutschen Originalausgabe im Bastei Lübbe Verlag. Damit haben wir es mit Karlheinz Ingenkamp (1925 – 2015) als Autor zu tun, einem emeritierten Professor für Erziehungswissenschaft, der nach seiner Emeritierung seinem marinehistorischen Faible mit wissenschaftlicher Genauigkeit nachging und 4 halbwissenschaftliche Bücher zum Thema Seefahrt zur Zeit der Napoleonischen Kriege veröffentlichte. Diese Bücher sind auch heute noch lesens- und empfehlenswert. Die 14-bändige Reihe um den 'jungen Seewolf' David Winter ist Adams (Ingenkamps) erzählerischer Versuch, die Zeit um 1800 authentisch und spannend vorstellbar zu machen. Seine zweite Serie über die Figur Sven Larssons Abenteuer im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg blieb nach dem 4. Band unabgeschlossen.

    In 10 übersichtlichen Kapitel mit 40-50 Seiten, den exakten Daten und Orte der Geschehnisse, einer vorgeschalteten Übersicht über die 3 Schiffe, auf denen David Winter dient, einem Hinweis auf fachliche Sekundärliteratur, einem freundlichen Vorwort und Nachwort des Autors, einem fachlichen Glossar im Anhang und Zeichnungen mit Begriffsbestimmung der Masten, Segel und des Tauwerks ermöglicht der Autor auch dem absolut ahnungslosen Leser / der absolut ahnungslosen Leserin einen erkenntnisgewinnenden Einblick in rekonstruierte Zeit um 1800. Das ist gewinnbringend und nicht belehrend zu verstehen.


    Zunächst erleben wir den Midshipmen David Winter vor der nordamerikanischen Station auf der Anson, einem 64er. Wir starten mit einer nächtlichen Beschießung von zwei französischen 74ern. Dann schnell weg. Prisen werden gesammelt. David rettet seinem Kapitän Grant das Leben mit einem gezielten Messerwurf in den Hals eines Spaniers, der seinen Kapitän bedroht. Gut gemacht! Auf einer Prise bedroht eine rothaarige Frau David mit einer Pistole, sie erschießt eine Matrosen, er überwältigt die Frau. Wieder Held.

    In Savannah erobert Mrs Richmond David als Prise. „Ihre Schreie waren wie perlendes Lachen, und ihre Gier, David an sich zu pressen, unersättlich.“ (S.59).

    Im zweiten Kapitel erleben wir 'Segel in Flammen'. David ist mit seinem vorgesetztem Freund Matthew Palmer auf einer im Sturm schwer beschädigten amerikanischen Brigg und weit von der Anson entfernt, da erscheint eine spanische Fregatte, die ebenfalls im Sturm beschädigt wurde. Die Fregatte beschießt die Brigg, Palmer stirbt, Winter ist wutentbrannt und sinnt auf Rache. Er befehligt einen Brander, der erfolgreich die Fregatte zerstört und verkohlt. Diese Überforderung und heldenhafte Leistung würdigen seine Vorgesetzten mit einer außergewöhnlichen Belohnung, einer Heldenbeförderung zum Leutnant, ohne dass er eine Prüfung vor einer Kommission ablegen muss. Das Heldenpathos belegt der Kommentar zum Tod von Palmer: „Wie wahr, Mr. Winter, und unsere Freunde werden auf unseren Schultern stehen. Mögen wir ihnen stets Halt bieten.“

    Wieder in England: David ist Teilnehmer einer Überführung einer Hochstaplerin in Bath, für die er selbst als Jüngling geschwärmt hatte. Irische Hochverräterin. Seine Jugendliebe Susan rettet er im Gordon Aufstand. Sie ist unglücklich verheiratet mit einem homosexuellen Lord Bentrow. David erlebt eine leidenschaftliche Nacht.

    David wir auf die Surprise kommandiert. Hier herrscht ein Adeligen-Regiment. Arrogante Offiziere. Es endet in einem Desaster. Der 2. Offizier lässt das Schiff auf eine Sandbank auflaufen und will es mit seinem adeligen Kapitän vertuschen. David spinnt eine moralisch korrekte Intrige, es kommt zur Gerichtsverhandlung und die Guten werden alle freigesprochen und die Bösen werden abgestraft. Über die Machenschaften im Hintergrund wird der Leser in Ansätzen informiert, aber der bestmöglichste Ausgang ist erwartungsgemäß eingetroffen.

    David wird Kutterkommandant. Bravo, damit ist er erst einmal heraus aus der Schusslinie von Vorgesetzten. Er bewährt sich vor Master Blane und Mr. Duff, die ihn schätzen lernen. Mr. Blane hat einen Nilpferdmagen! Sie segeln nach Gibraltar und Menorca, David erlangt die Anerkennung der Besatzung.

    Es geht dann mit seinem Freund Kapitän Haddington zum Cap der guten Hoffnung, dann nach Argentinien mit einem Auftrag für revoltierende Einheimische, das läuft nicht so richtig gut, dann geht es wieder in die Karibik.

    An den Küsten Südamerikas erlebt David vor allem Dilettantismus.

    Im Finale, der Schlacht bei den Saints wird David von Bord geschossen, kann sich mit einem Midshipmen an einem Seil festhalten, welches von einen abgegriffenen Franzosen im Wasser liegt. David ergreift es, Bill Young greift Davids Beine, Bill wird vom Hai gerissen, David rettet sich auf das französische Schiff durch ein Einschussloch, befreit englische Gefangene und erobert das Schiff. Was für ein Superheld! Seine Vorgesetzten wollen ihn zum Commander befördern – er will es nicht – er fühlt sich moralisch angefasst, weil er sich den Tod von Bill verantwortlich zuschreibt.

    Die Schlacht bei den Saints ist für England erfolgreich, es hätte aber auch noch erfolgreicher sein können.


    Was ist das für ein praller Handlungsverlauf! Du kannst das Buch kaum aus der Hand legen, du bist bei David, es ist ein Lesesog. Es klappt meistens alles, Davids Verletzungen verlaufen immer positiv. Und dann heldet er weiter. Ein so junger erfolgreicher, besonderer, ausgewählter Teufelskerl, Feuerfresser, wie seine Freunde sagen.


    Als LeserIn denkst du, das ist ja ein abenteuerliches Leben. Toll, aber auch gefährlich. Mein Leben ist langweilig und unaufgeregt. Ich will mehr von den immer positiv endenden Abenteuern von Leutnant Winter! Wird er vielleicht noch weiter in der Karriereleiter der Navy aufsteigen? Na klar, bestimmt.


    Frank Adam hat die historischen Eckpunkte immer berücksichtigt. Dafür sei ihm gedankt.

    Als Professor für Pädagogik ist es ihm aber leider nur wenig geglückt, seinem Helden Winter reflexive Gedanken zu schenken, die ihn menschlich nicht nur als Superhelden charakterisieren. Seine Zweifel an seinem Handeln beschränken sich in diesem Band nur darauf, dass er mit abenteuerlichen Frauen intim wird, obwohl er seine Susan geschwängert hat.

    Zweifel an seinem dienstlichem Tun gibt es nicht.

    Für die Darstellung einer Entwicklung eines jungen Menschen in der britischen Marine fehlen leider immer wieder Gedanken, Zweifel oder Unsicherheiten im Handeln des Helden. Immer weißt du als LeserIn, es wird alle gut. Dann sind ja auch Verletzungen nicht so schlimm.

    Die Darstellungen seiner ersten erotischen Erfahrungen sind eher Altherren-Erotik. Was sich der Professor da hat in die Tinte spritzen lassen...wissen wir nicht.

    Humor ist an ganz wenigen Stellen dar, leider zu wenig. Hier schreibt eher ein empirisch geerdeter Autor. Weise – nicht eruptiv!

    Eine Analyse der erzähltechnischen Fertigkeiten des Autors fällt (wie bei einigen anderen Autoren auch) sehr dürftig aus. Immer nur auktoriales Erzählen, wenig Perspektivenwechsel, keine erzählerischen Überraschungen wie Gedankenstrom oder innerer Monolog, von Montagetechniken will man gar nicht denken. Hier schreibt ein Pädagoge, kein Künstler oder Literat.

    Darum seien wir gewarnt, wann und wenn der Autor die gutmenschelnde Keule in den nächsten Bänden auspackt. Hier hält es sich noch in Grenzen.

    Der personale Background des Hannoveraners Winter in England ist eine so einflussreiche Lobby, dass er sich für 11 weitere Bände lebenssicher sein kann. Auch wir als Rezipienten und Leser können uns immer mal einen Band von Adam ziehen und sicher sein, die gute Welt in schwierigen Zeiten ist möglich, wenn nicht, dann können wir davon träumen.

    Für diese Rezension habe ich den Roman zum 5. Mal gelesen. Er ist gut. Ein sechstes Mal in paar Jahren nicht ausgeschlossen.


    "Wie die Luft gehört die See als Geburtsrecht allen Menschen.“
    (Thomas Jefferson 1743 - 1826)

  • Das ist doch wieder einmal eine tolle Rezenzion. Vielen Dank dafür. Bei mir sind inzwischen schon einige Jahre seit dem letzten Lesen des Romans vergangen, aber auch ich habe ihn mehrfach gelesen. Für mich gehört er wie seine beiden Vorgänger zu den guten Romanen der Reihe.

    Allerdings hat Frank Adam doch sehr deutliche erzählerische Grenzen. Sein Held agiert historisch durchaus korrekt in einem gut recherchierten historischen Umfeld. Nur leider erfährt man sehr wenig darüber, was den Helden eigentlich antreibt. Es wird ja kaum sein Wissen sein, dass er Held einer Romanreihe ist und somit schon nicht im dritten Band sterben wird.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Danke, 1.Lord ! Das ist eine der besten, gelungensten, zutreffendsten und witzigsten Rezensionen, die wir hier an Bo(a)rd bisher lesen durften. Und danke für deine Selbstopferung, gegen die selbst der härteste Masochismus wie ein Kindergeburtstag wirkt - sich 5 (FÜNF!) mal ein David-Winter-Heldenepos zu geben, nötigt höchsten Respekt ab. "Was immer der Dienst erfordert" - diese Aubrey'sche Weisheit hast du tief verinnerlicht. :th:

  • Für diese Rezension habe ich den Roman zum 5. Mal gelesen. Er ist gut. Ein sechstes Mal in paar Jahren nicht ausgeschlossen.

    Ich glaube, hier muss man schon ganz genau unterscheiden, was 1.Lord gelesen hat, denn die Bände 1-3 sind ja wirklich nicht schlecht, 4 und 5 sind aufgrund der ungewöhnlichen Schauplätze interessant und erst dann nimmt das Unheil seinen Lauf.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Eigentlich brauche ich gerade etwas ERBAULICHES. Vielleicht schnappe ich mir mal wieder den 4. Band. Genau, Speedy, die Bände 4 & 5 sind nämlich auch recht gelungen - es geht zur Bombay-Marine und Super-David heiratet und wird nicht glücklich... Da war doch was?

    "Wie die Luft gehört die See als Geburtsrecht allen Menschen.“
    (Thomas Jefferson 1743 - 1826)