Eine Reifeprüfung
Mit Verwunderung und Kritik mussten die treuen Ramage-Leser im bisher letztem Band (Bd.14, Ramage unter Anklage) miterleben, dass der ja sehr einfühlsame und dennoch so coole Held einen abgekateten, hahnebüchenen Prozess unbeschädigt übersteht, weil die Schwester seines besten Freundes temperamentvollen Widerstand leistet. Der Autor mutete seinen Lesern zu, nachzuvollziehen, dass sein Held der Trauerarbeit um seine junge, wunder-schöne Frau, Lady Sarah, unfähig zu sein scheint. Noch kritischer und unmöglicher einzuschätzen wäre es gewesen, hätte das zarte Werben von WunderWunderSchön Alexis Yorke Erfolg gehabt hätte. Insgesamt wusste der 14. Band nur allzu treuen Fans zu gefallen.
Im 15. Band, Ramages großer Coup, Ramages Challengeim Original, muss sich der Held einer neuen Herausforderung stellen, die zunächst nicht nach einer Herausforderung aussieht. Denn er soll wie schon in seinem 1. Abenteuer (Leutnant Ramage) Geiseln aus dem Gewahrsam französischer Gefangenschaft retten und befreien und zwar an einer Küste, die ihm wohlvertraut ist, der italienischen Toscana.
Die Story lässt sich relativ kurz zusammenfassen: Mit der Calypso und dem bekannten Personal hinein ins Mittelmeer, Geheimbefehle lesen, an die toskanische Küste, Fußmarsch nach Pitigliano, keine Geiseln dort, Rückmarsch, Combinatore!, aber im Santo Stefano sind die Geiseln auch nicht. Combinatore! Äh – vielleicht ein festes Castello auf Giglia? Jaaaa. Mit seinem x-ten Kostümierungs-Trick befreit Ramage Geiseln: 3 Admiräle, höfliche und kauzige, Earls und einen dummen General. Die Gruppe der Frauen und weiteren Gefangenen fehlt und muss daher woanders aufgespürt werden. Das klappt natürlich auch mit einer finalen Überraschung...
Wir können diesen Roman von 351 Seiten lesen unter der Fragestellung: Sind die Frauen, die Ramage liebte oder liebt, tot? Auf diese Frage lässt sich ein großer Teil der Story reduzieren. Der Autor beantwortet diese Fragen.
Der Auftrag in der Toskana wiederholt leider 2 Komponenten aus Bd. 1.
Dem Leser sind die Beschreibungen der Natur (Olivenhaine, Beifuß und Wacholdersträucher, ein schreiender Ziegenmelker (Vogel)) u.a. schon recht vertraut, Vorstellungen werden aufgefrischt, Langeweile durch Wiederholungen möglich. Der Auftrag ist ebenfalls keine neue Aufgabe, aber Befreiungen an sich beinhalten auch immer ein Momentum der Spannung. Auch die Maskerade als Methode ist den treuen Lesern hinlänglich bekannt. Bis auf Leutnant Hill aus Bd. 14 sind die Hauptakteure ebenfalls bekannt. Würze bringen ein paar skurile Nebendarsteller (Bauern, General, Admiral).
So viel Bekanntes und so wenig Neues? Ja – schon – aber!
Pope gelingt es endlich wieder in dieser Fortsetzung in einen luftig-ironischen Erzählstil zu gelangen. Auch die Handlungsabfolgen sind wahrscheinlich und nachvollziehbar konstruiert.
Dann lohnt sich immer ein genauer Blick auf das, was Pope dem Leser an Neuem anbietet.
Zum Beispiel eine Darstellung der gefährlichen 4 Winde im Mittelmeer aus den entsprechenden Windrichtungen samt ihrer Besonderheiten (Mistral, Levanter, Shirocco, Tramontana, Caruse, Ponet, Labe, S. 35) Auch die Erklärungen um den Begriff / die Gegebenheiten des RUBICON sind absolut wissens- und lesenswert (S. 59/60).
Und immerhin schreibt hier eine fast echte Teerjacke. Nach seinen persön-lichen Erfahrungen bei der Royal Navy im WWII entsteht seine marinehistorische Reihe um diesen Ramage auf Segeltörns auf seiner Yacht 'Ramage' im Mittelmeer und in der Karibik. Wie angenehm ist es, dass hier der Autor Pope versteht, wovon er schreibt., liebt, woran er seine Leser teilhaben lässt; dies verdeutlichen die folgenden Zeilen: „Wenn, man gegen einen starken Westwind den Kanal hinunter kreuzt, die Gischt auf eine einpeitscht, als schütte jemand Eimer eiskalten Wassers mit aller Kraft überall dorthin, wo man ungeschützt ist (den Nacken, die Lücke im Ölzeug, wo der Knopf verloren ging), sich die Nässe sammelt und die gräßliche Kälte einem das Rückgrat hinunter kriecht, der Himmel nur eine turbulente graue Masse ist, die mit den Regenschauern verschmilzt, die Marssegel zweimal gerefft sind und das Wasser durch die Decksnähte auf Hängematten, Seesäcke und die letzten trockenen Kleider tropft, dann denkt man sehnsuchtsvoll an das Mittelmeer.“
Unbedingt anzumerken ist weiterhin, dass der Erzähler Pope in diesem Roman wieder zurückkehrt zu dem schon gezeigten schriftstellerischem Können.
Wunderbar möchte man meinen, wenn in Betracht gezogen wird, dass es einigen Kollegen eben nicht gelingen konnte, nach dem ca. 12. Roman noch substantielle Sequels zu schreiben. Als Beleg für diese Wiederkehr zu alten Tugenden ist die Szene zu würdigen, in der sich ein stetig zusammenbrauender Scirocco mit einem erzwungenen Ankeraufgehen, denn es nähert sich eine geschwind heraneilende französische Fregatte, deren Verfolgungsjagd mit abnehmender oder gleichbleibender Entfernung zur Calypso, verquickt wird. Den formalen Rahmen hierzu und quasi als Konterkarikatur angelegt, fungieren einzelne Verse eines Lieblingsshantys beim Einholen des Ankers an den Spaken des Spillkopfes bis die Dramatik ihrem Höhepunkt entgegeneilt.
„The storm winds did blow,
an the raging seas did roar...“