Band 2 - Feindliche Segel


  • Jack Aubrey und Stephen Maturin werden auf ihrer Heimreise von Gibraltar nach England vom Frieden von Amiens überrascht.
    Dank der Prisengelder aus ihren Fahrten mit der Sophie sind ihre Kassen gut gefüllt und Sie mieten sich ein kleines Anwesen auf dem Lande, wo sie das typische Landleben des englischen Adels genießen und zugleich die Frauen, die ihr zukünftiges Leben bestimmen werden, kennenlernen.
    Als Jack Aubrey in eine finanzielle Schieflage gerät, machen die Freunde eine Reise nach Frankreich, wo sie der erneute Kriegsausbruch überrascht.


    Das Buch enthält naturgemäß einen sehr hohen Landanteil, überzeugt aber wie sein Vorgänger durch sehr gute Beschreibungen von Land und Leuten in der Zeit der Handlung. Sehr gelungen finde ich die beiden Frauengestalten, die unseren Helden an die Seite gestellt werden, die biedere Sophie und die selbstbewusste Diana.


    Stephens plötzliche Agententätigkeit ist zwar eine Bereicherung für die gesamte Reihe, spätere Entwicklungen lassen sich dadurch auch hervorragend erklären, doch in diesem Band stellt das für mich einen Bruch in die Kontinuität der Serie dar. Man darf schließlich nicht vergessen, dass Stephen Maturin noch im letzten Band gemeinsam mit James Dillon äußerst besorgt war, dass ihre Vergangenheit als United Irishmen ans Licht kommen könnte. Und nun genießt Stephen plötzlich das uneingeschränkte Vertrauen höchster Kreise in der Admiralität? Das ist für mich äußerst unbefriedigend und eigentlich nur dadurch zu erklären, dass POB selbst keine schlüssige Erklärung für diesen Schnitt hatte, ihn aber im Interesse der weiteren Entwicklungen als notwendig erachtete und mögliche Erklärungen dem geneigten Leser überließ.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

    Einmal editiert, zuletzt von Speedy ()

  • Dieser Roman gehört ja zu der relativ kleinen Anzahl an Büchern der Aubrey-Maturin-Reihe, die sich zeitlich ziemlich gut einordnen lassen. Während Band 1 Ende Juli 1801 (markiert durch das Nachtgefecht vor Cadiz und die anschließende Kriegsgerichtsverhandlung) endet, setzt die Handlung hier Ende März 1802 ein, denn das Schiff, auf dem sich Jack und Stephen befinden, gehört zu den ersten, die über den Frieden von Amiens informiert werden.
    Und damit komme ich auf eines meiner Lieblingsthemen zurück, Stephens plötzliche Agententätigkeit, von der wir ja in diesem Buch so nach und nach erfahren. Beim diesmaligen Anhören des Buchs ist mir aufgefallen, wie behutsam uns POB mit diesem neuen Aspekt konfrontiert, es kommt nach und nach immer mehr ans Licht. Erst steht Stephen mit einem Mann an der Reling, dem das Wort Geheimagent bzw. Spion (wegen des schmalen Gesichts) förmlich auf der Stirn geschrieben steht, dann ist er in der Admiralität wegen seiner Kenntnis der Verhältnisse in Katalonien gefragt und schließlich spioniert er die französische Flotte im Hafen von Toulon aus und trifft sich dabei auch mit seinem alten Bekannten, dem französischen Schiffsarzt Ramilles. Spätestens an dieser Stelle ist dann jedem von uns klar, dass Stephen tatsächlich ein Spion ist, bei Jack dauert es noch etwas länger, dessen Groschen fällt erst, als er Stephens befristete Ernennung zum Vollkapitän in den Händen hält (Oktober 1804).
    Trotzdem empfand ich diesen Bruch in Stephens Persönlichkeit bisher immer als sehr unbefriedigend, obwohl er für den Fortgang der Reihe natürlich ein Segen war. Doch bei mir fiel der Groschen erst gestern, als ich endlich mal auf die Idee kam, mir die Zeitspanne zwischen Band 1 und Band 2 anzuschauen. Da klaffen immerhin 9 Monate, also ausreichend Zeit, in der Stephen Kontakt zum Geheimdienst aufnehmen und sich zum wertvollen Agenten wandeln konnte.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

    Einmal editiert, zuletzt von Speedy () aus folgendem Grund: falsche Jahreszahl korrigiert.

  • Ich glaube du irrst mit den 9 Monaten.
    Im Vorwort zum ersten Band schreibt O'Brian doch das er das Gefecht in die Zeit nach der Traubenlese verlegt hat.

    "We all came from the sea and it is an interesting biological fact that all of us have in our veins the exact same percentage of salt in our blood that exists in the ocean, and, therefore, we have salt in our blood, in our sweat, in our tears. We are tied to the ocean. And when we go back to the sea - whether it is to sail or to watch it - we are going back from whence we came."

    John F. Kennedy

  • Das ist meiner Meinung nach nicht so sehr relevant, da sich die Handlung der beiden Bände ja ohnehin nicht unmittelbar aneinander fügt, obwohl man als unbefangener Leser ja durchaus den Eindruck gewinnen könnte. Aber selbst wenn man sich diese Verschiebung zu Herzen nimmt, bleibt immer noch mindestens ein halbes Jahr.

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    Einmal editiert, zuletzt von Speedy () aus folgendem Grund: Tippfehler

  • Und wieder einmal läuft das Hörbuch in meiner kleinen Sloop. Soeben hat Pullings an Bord der Lord Nelson berichtet, wie es ihn in den Dienst der Ostindien Kompanie verschlagen hat.
    Dabei spielt die Erzählung über den in der Admiralität vom Earl St. Vincent persönlich als einfachen Seemann gepressten Leutnant Salt eine gewichtige Rolle. Früher hatten wir ja mal dazu eine Diskussion dazu und eigentlich waren wir uns damals einig, dass hier die Phantasie mit POB durchgegangen ist. Als ich jedoch kürzlich in alten Zeitungen stöberte, kam mir ein ganz ähnlich gelagerter Fall unter die Augen, der es am Ende sogar bis ins Parlament schaffte. Dabei brachte es der Betreffende sogar fertig, sich zweimal pressen zu lassen.


    David Ewen Bartholomew war Seemann auf Handelsschiff und Walfängern als er 1794 gepresst wurde. Bereits nach relativ kurzer Zeit würde er zum Midshipman befördert, was dafür spricht, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits einige Erfahrungen als Seemann hatte und offenbar auch über eine gewisse Ausbildung verfügte. Er diente unter Home Riggs Popham auf der Romney u.a. in der Schlacht von Kopenhagen. Nach dem Frieden von Amiens wurde er ebenso viele viele andere Angehörige der Navy entlassen. Er schrieb insgesamt 8 Briefe an den Earl St. Vincent und sprach wiederholt bei ihm vor. Da St. Vincent jedoch ein Gegner Captain Pophams war und dessen Signalcode ablehnte, hatte er natürlich keine Absicht, Bartholomew irgendetwas zu geben. Als es zum Streit kam, ließ er ihn verhaften und als einfachen Seemann auf die Inlexible pressen, wo er jedoch ganz schnell wieder in seinen alten Rang eingesetzt wurde. Später fuhr er wieder unter Popham und wurde 1805, eventuell im Ergebnis der 1804 erfolgten parlamentarischen Untersuchungen zum Leutnant ernannt. Er war ein sehr fähiger Kartograph, was ihm bei seiner weiteren Karriere zugute kam. Als die Royal Navy nach den Napoleonischen Kriegen wieder stark abgerüstet wurde, erhielt er das Kommando über die Fregatte Leven. Mit ihr unternahm er Forschungsreisen an der Küste Afrikas, wo er 1821 starb.


    POB hat also Namen und Rang geändert, aber die Geschichte an sich hat sich tatsächlich zugetragen.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Das Leben selbst schreibt eben die besten Geschichten... Gerade in Kriegszeiten dürfte es ähnliche Schicksale häufiger gegeben haben (aber immer gut, wenn es glaubhafte Quellen als Bestätigung gibt). Solche (wahren) Geschichten in der Geschichte machen auch immer das Leseerlebnis aus, wenn es so kleine Details gibt, die mit dem Handlungsstrang nicht zwingend etwas zu tun haben, aber das Geschehen "anreichern" bzw. intensiver und lebensnäher gestalten. Das gelingt POB meiner Meinung nach meistens ziemlich gut (ok, in einigen Bänden übertreibt er es auch ein wenig mit Stephens Ausflügen...). Da sind andere Autoren wesentlich sparsamer, was mich dann immer eher an Schulaufsätze erinnert...

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Seit heute halte ich auch mal wieder nach feindlichen Segeln Ausschau. Aber derzeit spielt die Handlung noch an Land. Mein erstes Lesezeichen will ich euch gleich mal zeigen - auch hier habe ich wieder schallend gelacht:


    Der noch sehr junge Babbington holt Diana mit der Kutsche ab und ist dabei etwas übermütig, auch durch den hastigen Genuss eines vollen Bechers Rum begünstigt. Sein Fahrstil ist mehr als waghalsig, und für Diana, sicher keine ängstliche Frau, steht fest:
    Das geht niemals gut. Dieser junge Mann muss gebremst werden.
    Die Landstraße führte mit stetig zunehmender Steigung schnurgerade bergauf, und Gott mochte wissen, welch halsbrecherische Gefällstrecke sie auf der anderen Seite erwartete. Das Pferd fiel in Schritt - ein mit Bohnen gefüttertes Pferd, was es mit einem langgezogenen, donnernden Furz demonstrierte.
    "Bitte um Entschuldigung", sagte der Kadett in die darauf folgende Stille hinein.
    "Ach, das macht doch nichts", antwortet Diana kühl. "Ich dachte, es war Ihr Pferd." Ein Seitenblick bewies ihr, dass Babbington damit fürs erste außer Gefecht gesetzt war. "Lassen sie mich Ihnen zeigen, wie wir das in Indien machen", sagte sie, griff die Zügel und nahm ihm die Peitsche weg.


    :lol

  • Einfach köstlich, wie POB es immer wieder gelingt, solche Knaller ohne Vorwarnung in seinen Geschichten unterzubringen. Obwohl man beim doch ziemlich angeheiterten Babbington mit sowas eigentlich rechnet. Aber es kommt dann doch irgendwie aus den Handgelenk. Ganz großes Kino.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Oh je, ich hab bereits den dritten Band fast aus und habe hier ja noch einiges nachzuarbeiten. Dann will ich mal anfangen.


    Und wie immer gilt für Leute, die das Buch noch nicht gelesen haben, dies aber vorhaben, jetzt sofort dieses Posting zu verlassen, ansonsten wird in höchstem Maße gespoilert. :D


    Diese Szene spielt ebenfalls noch an Land. Jack wird auf einem spätabendlichen Fußmarsch von einem recht glücklosen Straßenräuber überfallen - wobei es zum eigentlichen Überfall gar nicht kommt, denn Jack überwältigt ihn sofort und ohne Schwierigkeiten. Da er ihn dabei bewusstlos schlägt, nimmt er ihn mit in seine Unterkunft, wo auch Stephen wohnt, denn er will ihn da draußen in der Kälte auch nicht sterben lassen. Die gesamte Szene, nachdem endlich auch Stephen eintrifft, ist derartig skurril, dass ich ständig am Grinsen war. Der unglückliche, spindeldürre und unterernährte Straßenräuber entpuppt sich als ein recht intelligenter Typ, der Stephen dann freimütig und in wohlgesetzten Worten über sein erfolgloses Räuberleben erzählt. Stephen daraufhin:
    "Mir scheint, dass Ihre Talente Sie nicht gerade zum Straßenraub befähigen. Ihre Ernährungsweise jedenfalls taugt dazu nicht."
    "Und doch war es die Ernährung, oder vielmehr der Mangel an Nahrung, der mich dazu trieb."



    Und auf Stephens Frage, ob er denn überhaupt jemals Erfolg hatte, verneit der Mann.
    "Trotzdem, wenn mich jemand im Dunkeln mit dem Knüppel bedrohte und meine Geldbörse verlangte, würde ich sie ihm auf der Stelle aushändigen. Aber nicht meine Opfer. Entweder schlagen sie mich zusammen, oder sie behaupten, keine Börse dabei zu haben; manche hören auch gar nicht hin und gehen weiter, während ich neben ihnen herlaufe und >Geld oder Leben!< schreie, oder sie beschimpfen mich. ..."



    Ich hab das beim Lesen direkt vor mir gesehen. :lol Und weiter geht die wunderbare Unterhaltung zwischen den beiden - da sitzt also ein spillriger, dreckiger, von Jack vor einer Weile blutig zusammengeschlagener Straßenräuber und unser Doktor zusammen und fragt:
    "Wäre es angebracht, wenn ich aus meinem Leben erzählte, Sir?"
    "Ein kurzer Bericht über Ihren Niedergang wäre sehr angebracht."



    Sprache ist etwas Wundervolles - und immer wenn das äußere Erscheinungsbild mit der Wortwahl und dem Satzbau so gar nicht übereinstimmen will, finde ich das höchst amüsant! :thumbsup:
    Ich glaube, unser alter Master Quincy hatte an dieser Geschichte auch seine helle Freude - entpuppt sich doch unser Räuber-Azubi als Übersetzer, den böse Machenschaften eines Buchhändlers, für den er arbeitete, um den Lohn seiner Arbeit brachte und so ins Elend stürzte.


    Tja, und irgendwann steht die Frage im Raum, was denn nun mit dem Kerl passieren soll:
    "Was hast du mit deiner Prise vor?" erkundigte sich Stephen.
    "Hä? Ach so, mit dem. Vermutlich sollten wir ihn dem Konstabler übergeben."
    "Man wird ihn hängen."
    "Ja, sicher. Zum Teufel damit - man kann die Kerls doch nicht herumlaufen und die Leute berauben lassen; trotzdem sieht man's nicht gerne, wenn sie aufgehängt werden. Vielleicht wird er in die Kolonien deportiert."
    "Ich zahle dir zwölf Shilling und Sixpence für ihn."
    "Willst du ihn etwa jetzt schon sezieren?" (Stephen kaufte die armen Sünder oft noch warm unter dem Galgen auf.)


    :lt:



  • Und weiter geht's. Und deshalb noch einmal die Warnung:


    Und wie immer gilt für Leute, die das Buch noch nicht gelesen haben, dies aber vorhaben, jetzt sofort dieses Posting zu verlassen, ansonsten wird in höchstem Maße gespoilert.


    Ich habe mir ja bei diesem Durchlauf vorgenommen, auf besonders prägnante Szenen zu achten, die "mich" sebst betreffen. ^^ Das folgende Lesezeichen betrifft eine solche.
    Jack hat nun das Kommando über die Polychrest. Und sofort werden Kenner der Romanreihe eine Gänsehaut bekommen, ein ungutes Gefühl in der Magengegend spüren, nur schwerlich dem Drang, laut schreiend den Raum zu verlassen, zu widerstehen und an akuter Appetitlosigkeit leiden. Ich sage nur "Zimmermanns Fluch". :cursing:


    Wir liegen noch im Hafen, sind knapp an Leuten. Jack und Stephen stehen an Deck, warten darauf, dass sie ein Boot an Land bringt.
    Da tauchte plötzlich eine Jolle aus dem Nebel auf und kam längsseits. Die beiden Männer darin trugen kurze blaue Jacken mit glänzenden Messingknöpfen, weiße Hosen und geteerte Hüte; das wies sie im Verein mit ihren langen Zöpfen, goldenen Ohrringen und schwarzen Halstüchern als Vollmatrosen von einem Kriegsschiff aus. Scharf musterte Jack sie von der Reling herab und stellte verblüfft fest, dass er genau ins Gesicht von Barret Bonden blickte, seinem früheren Bootsführer. Und auch den anderen kannte er von der alten Sophie her, obwohl ihm der Name nicht einfiel.
    "Lasst sie an Bord", befahl er. "Bonden, komm rauf. Freut mich sehr, dich wiederzusehen", fuhr er fort, als Bonden vor ihm auf dem Achterdeck stand und ihn anstrahlte. "Wie geht's, wie steht's? Immer munter, möchte ich wetten. Bringst du eine Nachricht?"
    Dies schien ihm die einzige Erklärung dafür, dass ein Vollmatrose auf Spithead-Reede so unbeschwert herumpaddelte, als seien nicht die schärfsten Pressgangs seit Jahren unterwegs. Doch auf dem Band, das an dem Hut in Bondens Hand flatterte, stand kein Schiffsname, und irgend etwas in dem verschmitzten Gesicht ließ bei Jack eine kleine Hoffnung aufkeimen.
    "Keine Nachricht nich', Euer Gnaden", sagte Bonden. "Aber unser Joe hier", sein Daumen wies auf den zweiten, älteren Mann (richtig, dachte Jack, das war Joseph Plaice, Bondens Vetter, aus der Ankergang der Steuerbordwache und hoffnungslos beschränkt, aber in nüchternem Zustand verläßlich; konnte unglaublich flink alle Varianten des Matthew-Walker-Knotens knüpfen, und das sogar sinnlos betrunken), "unser Joe sagt, dass Sie wieder 'n Schiff haben, also ha'm wir von Priddy's Hard hergemacht. Woll'n uns freiwillig melden, Sir, könnt' ja sein, dass hier noch Platz für uns is'."
    Letzteres kam mit so viel unverhohlener Belustigung heraus, wie der Anstand gerade noch zuließ.

    :D
    Herrliche Szene - auch hier wieder mein persönliches Kopfkino, ich seh das direkt vor mir, wie die beiden da angerudert kommen... Und Joe Plaice ist also der Vetter von Bonden - darum sitzt Bonden in DEM Film bei ihm am Krankenbett und füttert ihn brav, nachdem der Doc ihm den Schädel aufgebohrt hat. ^^


    Und für den unwahrscheinlichen Fall, dass es hier an Bo(a)rd jemanden geben sollte, der nicht weiß, was der Matthew-Walker-Knoten ist: Killick!


    Weitere Lesezeichen arbeite ich demnächst ab. ;)

  • Und weiter geht's. Und deshalb noch einmal die Warnung:


    Und wie immer gilt für Leute, die das Buch noch nicht gelesen haben, dies aber vorhaben, jetzt sofort dieses Posting zu verlassen, ansonsten wird in höchstem Maße gespoilert.


    Auf Seite 209 erleben wir einen feucht-fröhlichen Abend an Land, an dem u.a. auch Pullings Vater zugegen ist, und dabei treffen wir auf ein bekanntes Lied:
    "... sie schafften den bewußtlosen Vater Pullings ins Bett, sangen We'll rant and we roar like true British sailors..."


    Wieder auf See, wird mal wieder Schabernack getrieben, und ich bin auch mit von der Partie. Es kommt ein ganz neuer Fähnrich zu Jack, um ihm etwas zu melden. Jack fragt ihn unter anderem:
    "...Warum tragen Sie Ihre beste Unifrom, sir?"
    "Sie sagten... Ich dachte, ich sollte den Leuten ein gutes Beispiel geben, Sir, gleich an meinem ersten Tag auf See."
    "Sehr proper. Aber an Ihrer Stelle würde ich jetzt mein Schlechtwetterzeug anziehen. Sagen Sie mir, hat man Sie auch nach unten geschickt, das Kielschwein zu füttern?"
    "Jawohl, Sir. Und ich hab's überall gesucht. Bonden meinte, es hätte sich vielleicht im Krähennest versteckt, aber Mr. Rolfe sagte, Schweine können nicht klettern."


    Und dann mal wieder eine Szene, die wir so ähnlich aus DEM Film kennen. Stephen zu Jack:
    "Wir hätten nicht mal ein Viertel des üblichen Krankenstandes, wenn dein vermaledeiter Rum nicht wäre. Man bringt sie mir mit zerschmetterten Gliedern, gebrochenen Rippen und Schlüsselbeinen ins Lazarett, weil sie betrunken aus der Takelage gefallen sind - gescheite, kräftige, hellwache Männer, die nüchtern niemals verunglückt wären. Komm, lass es den Rum heimlich über Bord schütten."
    "Damit wir sofort eine Meuterei am Hals haben? Kommt nicht in Frage. Mir ist's lieber, sie sind ab und zu sternhagelvoll, aber die übrige Zeit willig und pflichtbewusst."
    ...
    "Was Meutereien im allgemeinen angeht", sagte Stephen, "so bin ich durchaus dafür. Ihr reißt die Männer aus ihrem Zuhause, von ihren Familien, ihrer Arbeit weg, sperrt sie bei ungesunder Verpflegung in menschenunwürdige Löcher, setzt sie der Tyrannei brutaler Bootsmannsgehilfen und der höchsten Lebensgefahr aus... Und was noch schlimmer ist, ihr betrügt sie um ihren jämmerlichen Proviant, um ihren Sold und ihr Prisengeld - um alles, außer um deinen geheiligten Rum. Wäre ich damals auf Spithead-Reede gewesen, hätte ich mich ganz gewiss den Meuterern angeschlossen. Genaugenommen bin ich erstaunt, dass sie noch so maßvoll blieben."
    "Ich bitte dich, Stephen, sprich nicht so. Nörgle nicht an der Marine herum, du deprimierst mich damit entsetzlich. ..."

    Hier geht ja Stephen noch ein Stück weiter als in DEM Film, bekundet offene seine Symphatie mit Meutereien - bei einem anderen Kommandanten bestimmt mehr als nur dünnes Eis.


    Wir sind noch beim Ausrüsten der Polychrest, und nachdem, wie bereits geschildert, meiner einer an Bord gekommen ist, erscheint nun auch Killick auf der Bildfläche. Er bringt reichlich Verpflegung mit ("Fresskörbe, Sir"), und Jack fragt mit Blick in das Boot, welches Killick gebracht hat:
    "Was ist in diesem Bündel da unten?"
    "Noch ein Rehbock, Sir."
    "Woher?"
    "Er ist mir auf der Landstraße vor den Wagen gelaufen und hat sich dabei ein Bein gebrochen." Killicks Blick wanderte wie bewundernd zum fernen Flaggschiff. "Es war wohl eine halbe Meile hinter der Provender-Brücke. Oder nein, ich will nicht lügen, vielleicht war's doch schon näher bei Newton Priors. Jedenfalls hab ich ihn erschießen müssen."
    "Aha", sagte Jack.

    :lt:


    Nun sind wir bei einem Dinner an Bord der Polychrest, noch im Hafen. Ein Gast erzählt von einem Opernbesuch (Figaro), und an seiner Bemerkung "wie ich Ihnen vor zehn oder zwanzig Gängen erzählte" merkt man, dass der Abend schon reichlich fortgeschritten ist.
    "Ottoboni gibt die Contessa, und ihr Duett würde Ihnen das Wasser in die augen treiben. Den Text hab ich vergessen, aber Sie kennen ihn natürlich." Er begann zu summen, und sein Bass ließ die Gläser vibrieren.
    Jack schlug mit seinem Löffel den Takt und stimmte ein: "Sotto i pini..."
    Sie sangen das Duett zu ende und dann noch einmal von vorn. Die Tischrunde lauschte ihnen wohlwollend und mit besinnlicher Genugtuung. In diesem Stadium schien es allen nur natürlich, dass ihr Kommandant die Zofe einer spanischen Gräfin verkörperte und etwas später sogar drei blinde Mäuse.


    Hier mal wieder ein kleiner Schwank aus meinem Leben. Jack hat einen aus der Takelage ins Meer gestürzten Mann gerettet, in dem er kurz entschlossen hinterher sprang und den Nichtschwimmer vor dem Ertrinken bewahrte. Später unterhalten sich er und Stephen darüber und in welchem Maße die vielen von Jack bereits geretteten Nichtschwimmer ihre Dankbarkeit zeigen - oder eben auch nicht. Und dabei berichtet Jack:
    "Manche waren mir schon sehr dankbar, Bonden zum Beispiel. Den hab ich mal aus dem Mittelmeer gefischt, wie du dich erinnern wirst, und niemand hätte mir das höher anrechnen können als er."
    Und da haben wir übrigens eine sehr interessante Stelle. Diese Rettung Bondens aus dem Mittelmeer findet sich nicht im Band 1. Dennoch sagt Jack "wie du dich erinnerst". Aber vielleicht hat er das Stephen schon einmal erzählt, als wir nicht dabei waren...


    In diesem Band erfährt Jack ja so einiges über seinen Freund, was er bisher nicht wusste. Da wäre die Geheimdiensttätigkeit, aber auch der Umstand, dass Stephen ein exzellenter Fechter und begnadeter Schütze ist.
    "Gott steh mir bei", sagte Jack, "ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie solch ein Haudegen sind, Doktor."
    ...
    Jack ... hatte ja nicht geahnt, dass Stephen überhaupt einen Degen halten konnte und eine Pistole zu laden verstand, geschweige denn, dass er auf zwanzig Schritt die Eicheln aus einer Spielkarte schießen konnte.

    Nun, zumindest als ich das Buch zum ersten Mal gelesen habe, habe ich mit ihm gestaunt.


    Nun wird das Schiff gefechtsklar gemacht, und hier taucht ein Begriff auf, mit dem ich erstmal nichts anfangen kann:
    Zischend und stinkend erloschen die Kombüsenfeuer, und die Fürchtenichts-Blenden wurden an den Luken bereitgestellt.
    Was bitte sehr ist eine Fürchtenichts-Blende?


    Dann geht es ins Gefecht gegen einen französischen Freibeuter, mit dem sie schon einmal zu tun hatten. Stephen fragt:
    "Willst du gegen sie kämpfen?"
    "Ich will sie versenken, erobern, verbrennen oder in die Luft jagen", sagte Jack, übers ganze Gesicht grinsend.
    "Das glaube ich dir gern. Viel Glück. Darf ich an die Uhr erinnern, die sie mir gestohlen haben? Eine Repetieruhr von Breguet, Seriennummer 365, mit langem Sekundenzeiger. Und drei paar Unterhosen, die ich jederzeit wiedererkennen würde."


    Jack schreibt nach einem Gefecht an die Eltern eines seiner Kadetten, der verwundet wurde. Und am Ende heißt es da:
    "P.S. Dr. Maturin sendet beste Grüße und lässt Ihnen durch mich mitteilen, dass der Arm wahrscheinlich gerettet werden kann. Andererseits ist er, wie ich hinzufügen darf, ein Künstler mit der Knochensäge, der beste in der Flotte, falls es doch noch dazu komme sollte; was Ihnen und Mrs. B. gewiss ein Trost sein wird."
    Trösten kann er, unser Jack! :D


    Jack hat ein neues Schiff und schickt Killick u.a. zu Stephen, mit diesen Instruktionen:
    "...Falls sich der Doktor entschließt, uns auf der Lively zu begleiten, schaffst du auch seine Seekiste an Bord, dazu alles, was er dir sonst noch auflädt - einen ausgestopften Wal oder einen vom Bootsmann geschwängerten zweiköpfigen Affen, ganz egal."


    So, das war sie, meine kleine Auswahl an netten, bemerkenswerten oder auch für mich äußerst amüsanten Zitaten.


    Dann kann ich mich also dem dritten Band widmen. ^^

  • Was bitte sehr ist eine Fürchtenichts-Blende?

    Über diesen Begriff bin ich auch schon gestolpert und ich war mir ziemlich sicher, ihn hier irgendwo bereits diskutiert zu haben.
    Wichtig wäre es, zu wissen, wie das Wort im Original heißt. Dreadnought wäre nahe liegend, doch ich habe den englischen Text durchsucht und das Wort taucht dort nicht auf.
    Rein aus dem Zusammenhang könnte man vermuten, es handelt sich um Blenden, mit denen alle unter Deck führenden Luken verschlossen werden, um so Funkenflug zu vermeiden.
    Das ist aber nur geraten und befriedigt mich selbst in keinster Weise.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Wie lautet den der Satz genau im Original ?

    "We all came from the sea and it is an interesting biological fact that all of us have in our veins the exact same percentage of salt in our blood that exists in the ocean, and, therefore, we have salt in our blood, in our sweat, in our tears. We are tied to the ocean. And when we go back to the sea - whether it is to sail or to watch it - we are going back from whence we came."

    John F. Kennedy

  • Zitat von Partick O

    Now the galley fires were dowsed in stench and hissing: the fearnought screens appeared at the hatchways: Jack´s cabin vanished, Killick hurrying his belongings to the depths and the carpenter taking away the bulkheads: the gun-room poultry went cluking below in their coops: and all this wile Jack stared out over the sea.


    Und was ein Fearnought Screen ist, weiss Dudley Pope:


    Zitat von Dudley Pope - Life in Nelson´s Navy

    in action, 'fearnought' screens of thick flannel were unrolled across the passage to the magazine and soaked with water. Anyone going along the passage had to wriggle round the screens, which were intended to stop the flash from an explosion passing along the passage and reaching the powder.

    Es handelt sich also um die feuchten Vorhänge, mit denen der Weg zum Pulvermagazin gegen Funkenflug gesichert wurde. Pope schreibt von Flanell, doch ich habe auch schon von Leder gelesen, wobei natürlich Flanell die Feuchtigkeit viel besser hält, trocken jedoch leichter entfla,mmbar ist.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Das wäre dann aber eine sehr kreative Übersetzung , die einen auf die falsche Fährte lockt. Ok, "feuchte Vorhänge" klingt auch nicht berauschend; mit dem Zusatz "zum Schutz vor Funkenflug" wäre es aber erklärend gewesen.


    Da wird mal wieder die Schwäche einer eher fachfremden Übersetzung deutlich.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Zur Entschuldigung des Übersetzers muss man aber auch sagen, dass es sich bei Fearnought Screens schon um einen sehr speziellen Fachbegriff handelt, der bestimmt weit über 100 Jahre keine Rolle mehr spielt und somit auch aus den Wörterbüchern verschwunden sein dürfte. Und man bedenke, das Buch wurde im Vorinternetzeitalter übersetzt.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Ja, dafür ist das Gebiet einfach zu speziell, als dass man entsprechendes Fachwissen bei einem/r Übersetzer/in erwarten dürfte. Ein extra Lexikon oder Nachschlagewerk kostet Geld und Zeit; scheidet also aus.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.