Eine Reihe aus der Rubrik Alternativwelt SiFi
Angeregt durch den Beitrag von @Capt.Guy Nelson vom 26.Juni 2016 in der Rubrik "Was lest Ihr gerade?", bin ich mit van den Boom in den vergangenen Sommerwochen erst durch das Mittelmeer und dann durch Mittelamerika gereist. Von dieser Reise möchte ich Euch gern erzählen.
Kaiserkrieger, Die Ankunft
Deutschland, Wilhelmshaven 1914. Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges. Der kleine Kreuzer Saarbrücken (8. fiktives Schiff der Bremen-Klasse) hat den Auftrag, neben Ausrüstung, Munition und Gold auch eine Infanteriekompanie in das deutsche Schutzgebiet Kamerun zu bringen.
Gleich zu Beginn arbeitet der Autor die Gegensätze zwischen dem die weitere Handlung bestimmenden 1. und dem im Dienstgrad gleichrangigen 2. Offizier heraus. Rheinberg, der 1., ein bürgerlicher, überlegter Realist auf der einen, Johann Freiherr von Klasewitz der adelige, egozentrische, überhebliche, rücksichtslose 2. Offizier auf der anderen Seite. (Hier irrt van den Boom. Im Jahre 1914, als die Bezeichnung Freiherr noch Titel und nicht Namensbestandteil war, hätte es Freiherr Johann von Klasewitz heissen müssen.)
Leider ein wenig zu eindeutige Schwarz-Weiss Zeichnung der Charaktere. Rheinberg wird als Gesprächspartner und späterer Freund der, natürlich ebenfalls bürgerliche, Marine-Oberingenieur Dahms an die Seite gestellt. Als Ingenieur erst seit kurzem überhaupt den Seeoffizieren gleichgestellt, wird dieser vom 2. Offizier natürlich nicht als gleichwertig betrachtet. Bereichert wird das Personal durch den vertrauenswürdigen und kompetenten Oberbootsmann Köhler und sowie den Marineoberstabsarzt Neumann beide versehen mit den ganz speziellen Eigenheiten und Fertigkeiten ihres Standes.
Wie schon der Nimitz unter Kirk Douglas (The final Countdown, 1980), ergeht es auch der Saarbrücken. Auf der Höhe Portugals in einen plötzlich auftauchenden Nebel geraten, werden alle Besatzungsmitglieder ohnmächtig um, nach ihrem Wiedererwachen, zunächst auf ein kleines Fischerboot und sodann auf eine römische Trireme zu stoßen. Wir schreiben das Jahr 378 n.Chr.
Der Kapitän der Sarbrücken, der, wenn auch adelige, Mentor Rheinbergs, wird gleich bei der ersten Begegnung mit der römischen Marine getötet. Rheinberg übernimmt das Kommando, worauf sich die Spannungen an Bord deutlich verschärfen. Obwohl die geeigneten Mittel zur Hand, wird aus Rheinberg jetzt nicht der Terminator, der unter Ausnutzung der militärisch-technologischen Überlegenheit von Schiff und Infanterie, als Racheengel durch das Mittelmeer pflügt, sondern ein Suchender in jeder Hinsicht.
Die Zeitenwanderer, wie sie bald genannt werden, geraten in die Endphase des weströmischen Reiches. Ein Reich, geprägt von innerer Zerrissenheit und äusserer Bedrohung durch die, vor den nachdrängenden Hunnen fliehenden Goten, als Vorboten der beginnenden Völkerwanderung, religiöse Konflikte bei der Etablierung des Christentums als Staatsreligion, das römische Reich vor seiner endgültigen Trennung in Ost- und Westrom.
Ohne Aussicht auf Rückkehr in ihre Zeit, beschliessen die Offiziere der Saarbrücken, sich in ihrem neuen Umfeld zu etablieren zu engagieren und zu integrieren. Die damit verbundene Veränderung der ihnen bekannten Geschichte nehmen sie dabei, ein wenig von der Mentalität ihres Herkunftsjahres 1914 geprägt, in Kauf. Als Soldaten des Kaisers Wilhelm II, ist es für sie nur natürlich, sich dem in ihrer neuen Zeit regierenden Cäsar zu unterstellen.
Ihre Kenntnis der Geschichte, auch wenn sich diese durch ihr Eingreifen immer mehr zu verändern beginnt, ihr technisches Wissen, und natürlich das Schiff und die mit Maschienengewehren ausgerüstete Infanteriekompanie, stellten einen ernst zu nehmenden Machtfaktor dar.
Zwischen einem schwachen Caesar, einem machtgierigen Kirchenfürsten und späteren Heiligen und einen künftigen Usurpator geraten, brechen die Gegensätze unter den Offizieren und Unteroffizieren auf, die Charaktere des 1. und 2. Offiziers entscheiden sich für unterschiedliche Seiten. Ein verliebter Fähnrich desertiert, ein gotischer Adeliger gewinnt tiefere Einsichten und ein neues Weltbild. Unteroffizieren eröffnen mit römischen Geschäftspartner ein Joint-Venture in Sachen Schnapsbrennerei.
Der Plot bietet van den Boom die Möglichkeit, sowohl die Geschichte des west- wie des oströmischen Reiches, als auch das Alltagsleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft und Stellung des Jahres 378 n.Chr. zu schildern.
So legt van den Boom in diesem 1. Band die einzelnen Handlungsstränge, seiner in allen geschichtlichen Details glaubwürdigen Schilderung, an, die er in den folgenden Bänden weiterführen wird.
Die Zeitenwanderer müssen sich auch in Kenntnis der kommenden geschichtlichen Entwicklungen für eine Seite entscheiden. Überlegungen gesellschafts- uns sozialpolitischer Art gehen mit solchen technischer Art einher. Wie kann ein Schiff des 20. Jahrhunderts mit den Mitteln des Jahres 378 n.Chr. funktionstüchtig gehalten werden, wie können unweigerlich zur Neige gehende Munition und Waffen durch mit Mitteln des römischen Reiches geschaffene ersetzt werden. Wie kann ein Status der Überlegenheit bei gleichzeitigem Wunsch nach Integration, erhalten werden. Zwingt der notwendige Ausgleich von Verlusten, zur Integration römischer Soldaten und damit zu einer Veränderung des Microkosmos Schiff. Es zeichnet sich die Notwendigkeit ab, auf der Technologieleiter einige Stufen herabzusteigen um überleben zu können.
Über den weiteren Verlauf der Geschichte gewinnen die Figuren an Charakter, die zunächst etwas zu deutliche schwarz-weisszeichnung beginnt sich zu verlieren. Insgesamt bietet Van den Boom uns sechs Bände seiner Zeitreise an. Dachte ich zumindest. Doch dazu an anderer Stelle.
Nicht nur für Geschichtsinteressierte mit einem Faible für das römische Reich und die Kaiserliche Marine.
Die von van den Boom angewandte Technik des Cliffhangers mag dem einen oder anderen Leser O'Brians unter uns vertraut erscheinen. Sie hat zumindest bei mir, zu dem gewünschten Ergebnis geführt.