Die Farbe des Horizonts

  • Die Farbe des Horizonts


    Gestern Abend, Sommer, Wind, Weserterrasse, - Kino – Segelfilm!


    Die Farbe des Horizonts


    Um es gleich vorweg zu nehmen, der Titel bezieht sich auf das Herumalbern der verliebten Protagonisten, die sich bei Sonnenuntergang an Deck ihres Bootes, über eben dessen Farbe streiten.


    Der Film wirbt damit, keine Aufnahmen im Tank gemacht, sondern „Draussen“ beim richtigen Segeln im richtigen Pazifik, gefilmt zu haben, was man auch sieht (bis auf die Sturmszenen).



    Aber der Reihe nach. 1983, Tahiti. Tami, Amerikanerin aus San Diego, Stubsnase, Typ „Mädchen von nebenan“, 23 und seit 6 Jahren unterwegs trifft ein, um was zu erleben. Kaum einen Job im Hafen gefunden, läuft „er“ ein. Richard, 33, Engländer, leicht asketisch, mit dunklen Locken und Vollbart, auf seinem, wie er später lakonisch feststellen wird, selbst gebautem Boot.


    Um es kurz zu machen, sie finden einander „klasse“. Es wird zusammen gegessen, gefreizeitelt, gesegelt, geliebt. Er macht ihr (mit einem selbstgeschnitzten Ring) den Antrag für immer zusammen zu Segeln.


    Schöne Bilder, schöne Farben, schöne Atmosphäre, schöne Darstellung der undigitalisierten 80er.


    Es könnte und soll nach dem Willen unserer Protagonisten auch ewig so weitergehen, wäre da nicht Mephistopheles in Gestalt eines gut betuchten Ehepaares. Das bietet an, ihre Yacht nach San Diego zu überführen. Im Gegenzug wollen sie 10.000 $ und 2 Rückflugtickets 1. Klasse springen lassen.


    Liebe hin. Geld her!



    Also losgesegelt. Kaum unterwegs, im Luxus des grossen Bootes geschwelgt, schon ziehen dunkle Wolken auf. Jetzt nicht im übertragenen Sinne, sondern ganz greifbar, in Form einer Unwetterfront. Man bereitet sich vor, indem an Deck „alles festgemacht“ wird. Dazu wird zum Beispiel ein Holz-Dinghi mit so etwas wie Marlleine festgezurrt, aber egal, man müht sich.


    Jetzt folgen ein paar Sturmszenen, die neben mir als eindrucksvoll empfunden wurden. Ich hab mich natürlich mal wieder um den Genuss gebracht, indem ich die ganze Zeit auf das Ausbringen eines zumindest provisorischen Schleppankers und das Wegnehmen der Segel, Setzen von Sturmbesegelung, zumindest weiteres Reffen, gewartet habe. Ja, ich werde wohl nie hollywoodtauglich erwachsen werden.


    Tami erwacht unter Deck, Wasser, Schäden. An Deck, Masten und Richard weg. Sie baut Notrigg. Fixiert Spi-Baum im Ankerkasten und schlägt Sturmfock an. Die war nämlich – natürlich – noch unter Deck im Segelsack.


    So manövrierfähig geworden, gelingt es ihr, Richard zu retten, den sie vorher schon hat ausmachen können. Der liegt von nun an mit offenem Unterschenkelbruch in der Plicht und dämmert vor sich hin. Von jetzt an wird also gelitten. Wenig Wasser und Vorräte zwingen die überzeugte Vegetarierin sogar zu Tötung und Verzehr anderer Lebewesen (keine Angst, nicht Richard) um am Leben zu bleiben. So vergehen 41 Tage in denen sie, auch motiviert durch Richard, über sich hinauswächst.



    41 Tage, denen zuzusehen wirklich nicht langweilig war.


    Natürlich wollen wir uns nicht daran stören, dass unsere Heldin erst am 5. Tag mal um das Schiff schwimmt, nachdem sie schon am ersten Tag Rumpfschäden mit Tape abgedichtet hat. Auch betrachten wir es als normal, dass sie am 10. Tag noch nicht über den Lebensmittelbestand an Bord Bescheid weiss. Aber lustig fand ich die Sturmszene, in der versucht wurde, zu zweit und ohne angelegten Safety Belt, die angeschlagene Rollfock zu bergen. Überhaupt macht so ein Boot natürlich auch im Hurricane mit gesetzten Segeln, 2.Reff, mehr für den Betrachter her.


    Die Maskenbildner waren wirklich gut. Am Ende sieht die arme Thami, zu Beginn der Reise noch mit so etwas was wie „Babyspeck“ gesegnet (wie sagt man das nur im politisch korrektem Sprachgebrauch?), wirklich erschreckend abgemagert aus.


    Das Wichtigste aber, all das vorstehend Geschilderte wird in immer wieder eingespielten Rückblenden erzählt. So beginnt der Film zum Beispiel mit dem Erwachen Thamis unter Deck.


    Und nicht zuletzt. Die eigentliche Überraschung habe ich für die Interessierten unter Euch einfach mal weggelassen.


    Viel Spass beim anschauen.

    "Certainement qui est en droit de vous rendre absurde, est en droit de vous rendre injuste."
    Voltaire in "Ouveres komplettes de Voltaire" 1784, S. 447

    Wer dich veranlassen kann, Absurditäten zu glauben, kann dich auch veranlassen, Unrecht zu begehen.

  • Ach ja, ergänzen muss ich noch, dass die Handlung des Films auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahre 1983 beruht. Seinerzeit geriet Tami Oldman Ashcraft zusammen mit ihrem Begleiter Richard Sharp in einen Hurrikan, in dem ihr Boot schwer beschädigt wurde. Während Sharp über Bord ging segelte Sie 41 Tage allein, mithilfe einer Notbesegelung, bis nach Hawaii.
    Sie segelt heute immer noch gern.

    "Certainement qui est en droit de vous rendre absurde, est en droit de vous rendre injuste."
    Voltaire in "Ouveres komplettes de Voltaire" 1784, S. 447

    Wer dich veranlassen kann, Absurditäten zu glauben, kann dich auch veranlassen, Unrecht zu begehen.