Band 10 - Manöver um Feuerland


  • Achtung, jede Menge Spoiler! Wer das Buch nicht kennt und es noch lesen will: Raus aus diesem Posting!


    Dieser Roman wird ja gern mal als Romanvorlage für DEN Film "Master and Commander" bezeichnet. Ja, das stimmt, nein, das stimmt so nicht.


    Ja, das stimmt: Wie in keinem anderen der 21 Bände finden sich hier die meisten Dinge aus DEM Film wieder: Die Surprise mit Jack und Stephen an Bord verfolgen eine feindliche Fregatte, die den Auftrag hat, möglichst viele englischen Walfänger auf der Südhalbkugel aufzubringen. Es gibt die Trepanation des Schädels von Joe Plaice, der ewige Fähnrich Hollum wird als Jonas ausgemacht und überlebt das Buch nicht, wir runden Kap Hoorn, Warley fällt vom Schiff, Nagles wird ausgepeitscht. Wir essen einen Pudding, der die Galapagos-Inseln darstellt. Wir nehmen Walfänger an Bord, deren Schiff vom Feind versenkt wurde. Pullings bekommt eine Prise als Kommandant übergeben. Killick grantelt rum.


    Nein, das stimmt nicht: Wir verfolgen keine französische, sondern eine amerikanische Fregatte. Es kommt zu keinem einzigen Gefecht zwischen den beiden Schiffen; das Ami-Schiff erleidet Schiffbruch. Es sind einige Frauen dabei, speziell eine ist auch für die Handlung ganz wichtig. Hollum stirbt ganz anders. Blakeney verliert keinen Arm, Calamy überlebt, Higgins nicht. Pullings bekommt eine ganz andere Prise und verpasst dadurch das halbe Buch. Mr. Allen überlebt auch. Killick grantelt rum.


    Oh, ich merke grad: Killick ist eine relativ konstante Größe. :D


    Also: An sich sollte die Surprise ja schon unterwegs nach England sein, um dort endgültig aufgelegt zu werden, aber dann gibt es neue Order: Man erfährt von einer amerikanischen Fregatte, die in die südlichen Walfangregionen geschickt wird, um dort zwischen den englischen Walfängern Beute zu machen. Jack wird mit der Surprise losgeschickt, um das zu verhindern und das US-Schiff, die Fregatte Norfolk, abzufangen, zu entern oder zu versenken - das Übliche eben. Es passiert sehr viel auf dieser Fahrt - das Einzige, was nicht passiert, ist ein Gefecht auf See. Und als sie dann endlich erstmals die Norfolk zu Gesicht bekommen, liegt sie als Wrack vor einer Insel, und an Land sind die Überlebenden der Schiffskatastrophe. Ein übler Sturm, der auch die Surprise arg mitgenommen hat, war ihr Schicksal. Die Auseinandersetzungen auf der Insel zwischen Engländern und Amerikanern sind dann auch nicht ohne, zumal wegen eines erneuten Sturmes die Surprise und mit ihr die meisten der englischen Seeleute - ohne ihren Kapitän, der mit Stephen und relativ wenigen Männern an Land ist - sehr schnell die gefährliche Küste verlassen muss. Angeblich herrscht inzwischen Frieden, aber das Problem scheint zu sein, dass sich an Bord der Norfolk ehemalige englische Meuterer der Hermione befunden haben, jenes Schiffes, welches ausgerechnet durch die Surprise aus dem zu der Zeit feindlichen spanischen Hafen Puerto Cabello zurückerobert wurde. Die Lage auf der Insel droht zu eskalieren, zumal dann am Horizont auch noch ein amerikanischer Walfänger auftaucht...


    Auch wenn ganz viel anders als im Film ist, fühle ich dennoch jedesmal beim Lesen dieses Buches mittendrin in DEM Film. Es gibt nur eine Szene, mit der ich auch beim dritten Mal nicht so recht warm werde, und dass ist die, in der Stephen aus dem Fenster der Heckkabine fällt, Jack hinterher springt, sie dann ewig lange im Meer treiben und von diesen Amazonenkriegerinnen aus dem Wasser gefischt werden. Nee, das war mir dann doch ein wenig too much.


    Schauen wir uns aber mal meine Lesezeichen an.


    Es beginnt diesmal bereits beim Vorwort. In diesem erklärt POB ja seine bereits an anderer Stelle in diesem Unterforum diskutierten Jahre 1812a und 1812b... Und in dem Zusammenhang definiert er klar seine eigenen Grenzen dichterischer Freiheit, und ich musste unwillkürlich an einen nicht genannt sein wollenden Autor denken, der da mal eine maritim-historische Romanfigur kreiert hat, die ... Aber lest selbst und streicht die Bramstenge später :P :
    Der Leser wird keinen Fabeltieren mit tödlichem Blick begegnen, keinen stammelnden Wilden ohne Religion oder Gemeinwesen, keinen überfeinerten, in allen wissenschaften glänzend bewanderten Chinesen, keinen gänzlich unbescholtenen, unbesiegbaren oder notgedrungen unsterblichen Helden; und sollten jemals Krokodile auftauchen, gelobt er, daß sie ihre Beute nicht unter Tränen verschlingen werden.


    :thumbsup:

    Hinein ins Buch! Und gleich können wir etwas lernen, nämlich, was so ein Schiff alles an Proviant benötigt. Hochinteressant!

    Selbst ein Kriegsschiff sechster Klasse benötigte eine unglaubliche Menge an Marineausrüstung, und jeder
    Soldat an Bord hatte pro Woche Anspruch auf sieben Pfund Schiffszwieback, sieben Gallonen bier, vier Pfund Rindfleisch und zwei Pfund Schweinefleisch, ein Quart Erbsen, anderthalb Pint Hafermehl, sechs Unzen Zucker und dieselbe Menge Butter, zwölf Unzen Käse und ein halbes Pint Essig, ganz zu schweigen von Limonensaft, den ungeheuren, zum Wässern des Pökelfleischs benötigten Süßwassermengen und den zwei Pfund Tabak pro Mondmonat, für die allerdings ein Preis von einem Shilling sieben Pence pro Pfund bezahlt werden mußte - alles in allem eine gewaltige Menge, wenn man sie mit zweihundert multiplizierte.
    Wer jetzt mal rechnen möchte: Eine Unze sind 28,35 Gramm, ein Pint 0,5683 Liter, ein Quart ca. 1 Liter/Kilo.


    Das nächste Lesezeichen zeigt wieder eine kleine Szene aus DEM Film - in ähnlicher Form:
    Und auf der Backbordleiter saß Hollum und zeigte einem anderen Frischling, wie man am besten eine Tasche annähte, wobei er leise vor sich hin sang.
    "Was für eine herrliche Stimme dieser junge Mann hat", sagte Martin bewundernd.
    "Da haben Sie recht", meinte Stephen und lauschte aufmerksamer.


    So, ich habe noch jede Menge weiterer Lesezeichen, aber die folgen dann morgen - jetzt ruft die Koje. ;)


    Ach, und das noch: Ich habe ja heute meine Lesezeichen der Bände 4 bis 6 abgearbeitet. Warum denn jetzt dieser Band und nicht weiter in der numerischen Reihenfolge? Ganz einfach: Das Buch hab ich heute ausgelesen, da ist noch alles ganz frisch. Ich hab bei den Bänden, die ich vor etlichen Wochen gelesen habe, bei einigen Lesezeichen nicht mehr rausbekommen, warum ich sie gesetzt habe. ?( Sicher waren das auch manchmal welche, die ich nur zur Sicherheit eingetippt habe, weil der Reader mal wieder geladen werden musste und ich es schon erlebt habe, dass er sich danach nicht die Stelle gemerkt hat, an der ich eben war... Aber es gab auch andere Lesezeichen - na egal, hier ist jetzt noch alles frisch, und weil es eben - zumindest in gewisser Hinsicht - DER Roman zu DEM Film ist, bekommt er von mir DIE Behandlung. :D


  • Ich wollte schon rumgranteln, warum die anderen Bände übersprungen wurden, aber dann kam ja am Ende doch noch die Erklärung. Merkwürdig, dass ich diesen Band noch nicht rezensiert habe.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • In letzter Zeit bin ich auch ziemlich faul geworden, was das Lesen betrifft. Ich werkel lieber in meinem Garten rum.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • So, weiter geht's mit den Lesezeichen.


    Der aus DEM Film berühmte Spruch "Kalauern kommt kurz vor klauen." liest sich hier so - allerdings in einer anderen Situation:
    "Wer Wortspiele macht, ist ein Strolch", maulte Stephen.

    Wieder mal eine Szene, in dem einen plötzlich ein breites Grinsen anfällt:
    ...entschuldigte er sich mit der Begründung, daß er früh an die Arbeit müsse, wünschte ihnen eine gute Nacht und ließ sie auf der breiten Veranda zurück, umgeben von unzähligen gezähmten Tieren: drei verschiedenen Arten von Krallenaffen, einem alten, kahlen Tukan, einer Reihe schläfriger Papageien, einem haarigen Etwas, das ein Faultier oder Ameisenbär oder, wenn es nicht von Zeit zu Zeit gefurzt und bei jeder Gelegenheit prüfend umhergespäht hätte, auch die Fußmatte hätte sein können, sowie einem auffallend anmutigen Blaureiher.

    Dann die bekannte Trepanation bei Joe Plaice:
    Wie die meisten Seeleute waren die Surprises im großen und ganzen ein hypochondrischer Haufen von Leichenschändern, und eine Operation bedeutete ihnen fast ebensoviel wie eine Prise. Während jedoch die Amputation eines Armes oder Beins unübersehbare Nachteile mit sich brachte, war der Patient nach einer Trepanation, vorausgesetzt, er überlebte den Eingriff, wieder im Vollbesitz seiner Kräfte - gewissermaßen so gut wie neu -, sonnte sich im Glanz seiner silbernen Schädelplatte und war Held einer Anekdote, die ihn und seine Freunde bis ins Grab begleitete.
    ...
    Es war ein höchst unterhaltsames Erlebnis - der Kapitän war sichtlich blaß geworden, ebenso Barret Bonden, der Vetter des Patienten; das Blut strömte Joe nur so das Genick hinunter, das Gehirn war deutlich zu sehen -, ein Erlebnis, das sie sich auch für einen Haufen Geld nicht hätten entgehen lassen; obendrein war es lehrreich, und sie genossen es in vollen Zügen.


    Später im Bordlazarett geht es Jack aber wieder besser:

    ...und in seiner Erleichterung meinte er scherzhaft zu Plaice: "Na, Plaice, immerhin einen Vorteil hat die Sache ja. Jetzt wird wenigstens niemand mehr sagen können: >Der arme alte Plaice ist bis auf den letzten Penny abgebrannt.<"
    "Wie kommen Sie denn darauf, Sir?" fragte Plaice, ein Auge zukneifend, mit erwartungsvollem Lächeln.
    "Na, weil drei auf deinen Schädel geschraubt sind, hahaha!" lachte der Kapitän.

    Stephen fand es offenbar nicht so witzig:
    "Du erinnerst mich an Shakespeare", stellte Stephen auf dem Rückweg zur Achterkajüte fest.
    "Das höre ich von den Lesern meiner Brief und Depeschen auch öfters", meinte Jack. "Aber wieso kommst du ausgerechnet jetzt darauf?"
    "Weil die
    Spitzfindigkeiten seiner Hanswürste auch dieser Holzhackermethode entsprechen. Du bräuchtest nur: Lauf nicht, tritt das Laufen mit Füßen, oder: Wer die ganze Nacht trinkt und früh am morgen gehängt wird, schläft am nächsten Tag um so tiefer, hinzufügen, und schon hätte man den reinsten Gobbo oder Pompejus oder wen immer du auch willst."
    "Du bist doch nur neidisch", entgegnete Jack. "Was hältst du davon, wenn wir heute abend ein wenig musizieren?"

    Ich liebe es, wie die beiden oftmals miteinander reden! ^^


    Das Drama um Warley wird hier anders und wesentlich kürzer als in DEM Film abgehandelt, aber bei der Schilderung dieses Sturmes hatte ich wieder Gänsehaut:
    Am selben Abend gab Jack in einer Flaute zwischen zwei Hagelstürmen, die mit einer Durchschlagskraft von feinem Schrot waagerecht auf sie zurasten, den Befehl, Fock- und Großmarssegel zu beschlagen. Beide Wachen waren an Deck und bemannten Geitaue, Halsen und Schoten beider Segel. Und fast im selben Moment rissen bei beiden die Geitaue und Halsen. Da die Schoten nicht durchgesetzt waren, flogen sofort die Segel aus den Lieken, wobei das Großmarssegel so wild hin und her schlug, daß es um ein Haar den Masttop gekostet hätte, wären nicht Mowett, der Bootsmann, Bonden, Warley, der Master des Masttops, und drei seiner Männer aufgeentert, über die vereiste Rah gerobbt und hätten das Segel dicht unter den Reffs abgeschnitten. Warley lag über der Lee-Rahnock, als plötzlich das Fußliek unter ihm nachgab und er hinabstürzte, glatt an der Bordwand vorbei ins Wasser eintauchte und augenblicklich in der eisigen See verschwand. Im selben Moment zerfetzte das Fockmarssegel, während sich das Großsegel mit gewaltiger Wucht blähte und, eine Schneise der Verwüstung hinterlassend, davonwehte.


    Der Streit der beiden wegen des gebrochenen Versprechens von Jack, er könne nach Herzenslust an Land umherstreunen und Flora und Fauna erfoschen, ist hier ein einigen Stellen nahezu wortgleich mit DEM Film. (Nur die "dämlichen Hobbys" fehlen.), geht dann aber doch mehr in die Tiefe. Jack versucht dann noch, ein wenig zu kitten, indem er Stephen anbietet:
    "Aber weißt du was, Stephen, ich werde mich so dicht wie möglich am Ufer halten, und du kannst dir die Tiere durch mein bestes achromatisches Glas ansehen", er griff nach einem prächtigen Fünf-Linsen-Dollond, einem Glas, das Stephen wegen seiner Angewohnheit, Teleskope ins Meer fallen zu lassen, sonst nie benutzen durfte.
    "Sie können sich Ihr achromatisches Glas...", begann Stephen, biß sich aber auf die Zunge und fügte nach unmerklichem Stocken hinzu: "Sehr freundlich von Ihnen, aber ich habe mein eigenes. Ich will sie nicht länger aufhalten."
    Er war erbost. Sein vorschlag - die kurze Seite eines Dreiecks gegen zwei enorm lange - erschien ihm unwiderlegbar vernünftig. Und noch mehr erzürnte ihn, daß plötzlich praktisch jeder an Bord, nicht nur alte Freunde wie Bonden und Killick und der privilegierte Joe Plaice (der den Mann, der seinen Schädel geöffnet hatte, gewissermaßen als persönliches Eigentum betrachtete und in ständiger Fehde mit Rogers lebte, dem nur einen Arm amputiert worden war), sondern auch Padeen, ehemalige Defenders, ja sogar die Jungen aus dem Kadettenlogis, reine Kinder, mit Freundlichkeit und aufmerksamkeit geradezu überschüttete. Er lebte nach der Devise volto sciolto, pensieri stretti und hatte sich stets gerühmt, Gelassenheit und Beherrschung besser als die meisten anderen zu wahren, und jetzt mußte er sich von ungebildeten Teerjacken wegen eines Kummers trösten lassen, den man ihm, so hätte er schwören können, auf gar keinen Fall anmerken konnte.
    Mit grimmiger Genugtuung stellte er fest, daß die Surprise trotz des Gezeitenwechsels mit ihren zwei Schlägen nur langsam vorankam, denn zweimal erwischte sie Gegenwind. Im Schneckentempo krochen sie an zwei Stränden vorbei, an denen sie ein Boot hervorragend hätte absetzen und wieder abholen können, der erste davon in einer kleinen Bucht jenseits des Riffs, auf dem das verkohlte Skelett des Walfängers lag; und er war felsenfest überzeugt, daß er und Martin, selbst wenn sie auf allen vieren über die Insel gekrabbelt wären, die andere Seite noch rechtzeitig erreicht hätten. »Ach was, in der Hälfte der Zeit«, murrte er und schlug in einem Ausbruch von Enttäuschung auf die Reling.

    Nun, auch da ist irgendwann wieder der Frieden zwischen beiden hergestellt. Aber das dauert immerhin bis zum nächsten Tag, an dem Jack als Gast zum Dinner in der Offiziersmesse geladen ist. Davor grummelt Stephen noch immer innerlich:
    Und als er auf der Leegangway stand und die Surprise über die unermeßliche Weite der Südsee glitt, die jetzt von Kimm zu Kimm, unvorstellbar ferner Kimm, in tiefem, reinem Blau leuchtete, dachte er mit einem Blick auf Jack: Ich weiß noch, wie dieser Kerl im Hafen herumtrödeln konnte. Selbst erlebt habe ich es, wie schamlos er herumgetrödelt hat, wenn es um eine Frau ging, nicht anders als Nelson und so mancher Vollkapitän, so mancher Admiral, wenn es darum ging, Ehebruch zu begehen. Nicht mehr die geringsten Skrupel gab es dann plötzlich, nicht den leisesten Zweifel, Kriegsschiff hin oder her. Nein, nein, Zweifel sind allein der Naturforschung oder anderen sinnvollen Forschungen vorbehalten. Zum Teufel mit diesem falschen, scheinheiligen Hund. Allerdings ist er sich seiner Falschheit vermutlich nicht einmal bewußt – pravum est cor Omnium, das Herz ist das absonderlichste und unergründlichste aller Dinge. Wer soll sich damit schon auskennen?
    Doch auch wenn Stephen von Natur aus schwermütig und rachsüchtig war, hatte man ihn doch dazu erzogen, Gastfreundschaft großzuschreiben. Der Kapitän war Gast der Offiziersmesse, und da hatte der Schiffsarzt nicht stumm und verstockt dabeizusitzen. Mit sichtlicher Mühe rang sich Stephen vier höfliche Bemerkungen ab, und nach einer gebührenden Pause sagte er mit einer leichten Verbeugung: »Auf Ihr Wohl, Sir.«
    ... (Das Dinner nimmt seinen Lauf...)...
    Und Stephen registrierte zu seinem Verdruß, daß seine Höflichkeit mit jedem Bissen und jedem Schluck ungezwungener wurde, seine bewußt verbindliche Miene immer öfter einem spontanen Lächeln wich und daß er Gefahr lief, sich zu amüsieren.

    :D


    Dann der berühmte Galapagos-Pudding. Im Buch gibt es keine Acheron für Jack zum Verspeisen:
    Das Erscheinen des Puddings, einem wahren Prachtstück von Pudding, der voller Stolz hereingetragen und mit Applaus begrüßt wurde, schnitt ihm das Wort ab.
    »Ja, was ist das denn?« rief Jack verblüfft aus.
    »Wir haben uns gedacht, daß Sie überrascht wären«, sagte Mowett. »Es ist eine schwimmende Insel, vielmehr ein schwimmender Archipel.«
    »Das sind ja die Galápagosinseln!« staunte Jack. »Hier ist Albemarle, hier Narborough, und hier sind Chatham und Hood … Ich hätte nie gedacht, daß irgend jemand an Bord zu so was in der Lage wäre – ein Meisterwerk, bei meinem Wort und meiner Ehre, eines Flaggschiffs würdig.«
    »Einer der Walfänger hat es gemacht, Sir. Er war Konditor in Danzig, bevor er zur See ging.«
    »Die Längen- und Breitengrade stammen von mir«, sagte der Master. »Sie sind aus Zuckerfäden; genau wie der Äquator, der ist allerdings doppelt so dick und mit Portwein gefärbt.«
    »Die Galápagosinseln.« Jack starrte noch immer ehrfürchtig auf das Kunstwerk. »Die ganze Chose – sogar der Redondo-Felsen und Cowlys Verzauberte Insel –, alles genau nachgebildet. Wenn man bedenkt, daß wir nie auch nur eine davon betreten haben … Manchmal haben wir es wirklich nicht leicht in unserem Beruf …«
    »Strenge Tochter der Stimme Gottes! 0 Pflicht!« deklamierte Mowett, aber Jack, über den Archipel sinnend, der sich mit der Schiffsbewegung wiegte, hatte nicht zugehört und fuhr fort: »Wissen Sie, meine Herren, falls wir auf diesem Weg zurückkommen und unseren Auftrag erfüllt haben, ankern wir ein paar Tage in Mr. Allens Bucht auf James Island, und dann kann jeder nach Herzenslust über die Insel wandern.«
    »Möchten Sie sich nicht etwas von den Galápagosinseln nehmen, bevor sie davonschwimmen, Sir?« schlug Mowett vor.
    »Eigentlich widerstrebt es mir, ein solches Kunstwerk zu zerstören«, meinte Jack. »Aber wenn wir nicht auf unseren Pudding verzichten wollen«, mit verschmitztem Blick ließ er seinen Löffel einen Moment über dem Äquator des Konditors schweben, »dann muß ich jetzt wohl den Äquator durchtrennen.«


    Wir erinnern uns alle, dass dann in DEM Film ein Boot mit Walfängern aufgenommen wurde. Im Buch sind diese Männer dann ein ständiger Quell der Freude für die Matrosen:
    ...und den mit Abstand beliebtesten, von allen genüßlich ausgekosteten Spaß bescherte ihnen das Benehmen der Walfänger, insbesondere das ihres Anführers, des Oberharpuniers Hogg, der nie in der Royal Navy gedient hatte. Obwohl der Krieg, mit wenigen Unterbrechungen, schon seit seiner Kindheit dauerte, war er nie gepreßt worden; als Südmeer-Walfänger und Harpunier war er freigestellt, doch er hatte seinen Schutzbrief nie vorzeigen müssen. Weder die Preßgangs noch die Preßoffiziere hatten ihn je behelligt, und vor der Surprise hatte er tatsächlich noch nie ein Kriegsschiff betreten. Sein ganzes Leben hatte er auf Walfängern verbracht, einer ausgesprochen demokratisch geführten Sorte von Schiffen, auf denen die Matrosen für ihre Arbeit keinen Lohn, sondern einen Anteil an der Beute des Schiffs erhielten, und auf denen, trotz eines gewissen Minimums an Disziplin, von Hierarchie unter den über dreißig Leuten wenig zu spüren war, jedenfalls nicht annähernd vergleichbar mit jener auf den Schiffen der Navy, mit ihren weitaus größeren Besatzungen, ihren getrennten Welten vor und achtern des Masts und ihrer unterschiedlichen Vorstellung von Humanität. Er war ein intelligenter Mann – er konnte navigieren –, aber gleichzeitig war er von einer gewissen Einfachheit, und da er seine Kindheit in den barbarischen Slums von Wapping und den Rest seines Lebens unter Walfängern verbracht hatte, war er mit der Zivilisation bisher kaum in Berührung gekommen. Dem wachhabenden Offizier etwa rief er an seinem ersten Morgen zur Begrüßung zu: »Na, wie geht’s, Kumpel? Bestens, hoff ich doch.« Und als zum Gottesdienst klargemacht wurde, ließ er sich nur mit Mühe dazu bewegen, sich auf den ihm zugewiesenen Platz zu setzen. »Na, das ist ja ’n Ding«, sagte er mit lauter Stimme, als er schließlich auf einem umgedrehten Topf saß; und er staunte nicht schlecht, als die Kirchenlieder gesungen wurden, und klatschte jedesmal am Schluß. Als Mr. Martin seinen Talar anzog, erklärte ihm sein Nachbar im Flüsterton, oder vielmehr dem, was Seeleute für Flüstern halten: »Der Pfarrer hält jetzt ’ne Predigt.« – »Wirklich?« brüllte Hogg, stützte die Hände auf die Knie und starrte den Kaplan gespannt an. »Ich hab’ noch nie ’ne Predigt gehört.« Und zwei Minuten später: »Sie ha’m zwei Seiten umgeblättert. He, Sie! Sie ha’m grad zwei Seiten umgeblättert.« Es stimmte: Martin, einem eher mittelmäßigen Prediger, der im allgemeinen aus den Schriften begnadeterer Männer, wie South oder Barrow, vorlas, war vor lauter Nervosität wegen seiner neuen Gemeindemitglieder tatsächlich ein grober, unübersehbarer Schnitzer unterlaufen.
    »Ruhe vorn und achtern!« brüllte Mowett.
    »Aber er hat zwei Seiten umgeblättert«, beharrte Hogg.
    »Bonden«, Jack nahm seinen Ersten Offizier zur Seite, »führen Sie Hogg zum Vorschiff, und klären Sie ihn über das Benehmen in der Navy auf.«
    So geschah es, aber offenbar war es Bonden doch nicht ganz gelungen, Hogg die Regeln eines Kriegsschiffs klarzumachen, denn als am nächsten Tag Nesbitt, der kleinste Refer, ein paar Männern im Vortopp Befehle zubrüllte und ihm dabei ein unflätiger Ausdruck entfuhr, drehte sich Hogg abrupt um, hob ihn mit einer Hand hoch und versohlte ihm mit der anderen den Hintern, wobei er ihm einschärfte, er solle sich etwas schämen, in dieser Weise mit Männern zu reden, die vom Alter her sein Vater sein könnten. Jedes Kriegsgericht hätte Hoggs Vergehen mit der Todesstrafe ahnden müssen, denn keine geringere Strafe sah der zweiundzwanzigste Artikel des Kriegsrechts für dieses Delikt vor. Jack veranlaßte Mowett und Allen, Hogg ins Gebet zu nehmen, und sie brachten ihn immerhin zu einer gewissen Einsicht in die Ungeheuerlichkeit seiner Tat. Trotzdem bestand für den Rest der Mannschaft kein Grund zur Verzweiflung, denn sie erlebten auch weiterhin, wie die Walfänger dem Zahlmeister erklärten, was sie etwa von seiner Pfennigfuchserei hielten, oder den Kapitän um ein Gläschen seines besten Brandys baten; und nicht selten wurden sie von den Surprises sogar dazu gedrängt. »Nur zu, Kumpel«, sagten sie, »nur keine Hemmungen. Der Skipper liebt seine Vorschiffsleute und gibt ihnen immer ein Glas, wenn sie ihn nett darum bitten.« Nicht, daß die Surprises ihre neuen Bordgenossen nicht gemocht hätten, ganz im Gegenteil, waren doch die Walfänger nicht nur liebenswerte Gesellen, sondern auch gestandene Seeleute; aber ihre Naivität war nun einmal eine ständige Versuchung, und Versuchungen konnten die Surprises grundsätzlich nicht widerstehen.

    An der Stelle habe ich spontan laut lachen müssen, was mir wieder amüsierte Blicke der im IC mitreisenden Menschen einbrachte. :D


    Ja, und dann diese Stelle, als Maturin durch aus der Heckkabine fällt, Jack ihm hinterher springt und sie dann von diesen wilden Amazonen aus dem Meer gefischt werden. Später kommt ja dann die Rettung durch die Surprises, wobei es auch hart hergeht; auch der arme Mr. Martin bekommt dabei was ab, was er dann Stephen erzählt, als der ihn verarztet:
    "...Nein, immer wenn ich an Frauen denke. Meine Güte, ich werde nie wieder den Hut vor einer Dame ziehen können, ohne an den heutigen Tag zu denken. Denn wissen Sie, Maturin, als ich dieses schwimmende Ding, dieses pahi, betrat und mich zur Begrüßung mit entblößtem Kopf vor der Frau mir gegenüber verbeugte, nutzte sie diese Situation sogleich aus, um mich niederzuschlagen.«
    »Andere Länder, andere Sitten«, meinte Stephen.

    :lol


    So, das war es dann auch schon.


    Das Buch bekommt von mir fünf dicke, fette, flugunfähige Kormorane! :5*:

  • Dann solltest du vielleicht mal ein Gartenbuch rezensieren? ^^

    Vielleicht das hier @Speedy: Jack Aubrey,“Kohlanbau leicht gemacht“....


    Danke @Bonden für deine Lesezeichen.


    Es ist ein Fest!


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Ich muss mal was beichten: Ich habe vorhin entdeckt, um wieviel leichter es ist, wenn man sich sein eBook am PC öffnet, anhand der Seitenzahl im Reader die markierte Stelle sucht und dann mit copy and past die bewussten Textstellen hier rüber holt - geht doch ein bissel schneller als das langwierige Abtippen. rofl

  • Na ob das DGSVO konform ist.... ^^


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Wer diesen Roman lesen möchte, sollte vorher den Film nach Möglichkeit nicht gesehen haben. Das Buch bietet zwar das Grundgerüst für die Handlung des Films, doch wurde dieser was die Action betrifft deutlich aufgemotzt. Man muss den Kinozuschauern halt Krachbumm bieten, damit sie sich nicht langweilen.
    Damit möchte ich jetzt natürlich nicht die Behauptung aufstellen, Manöver um Feuerland wäre langweilig, Das ganze Gegenteil ist der Fall, denn POB´s Schilderung des Mikrokosmos auf der Surprise ist für Hardcorefans wie mich Lesegenuss pur. Und es ist ja auch nicht so, dass nichts an Bord der Surprise passiert. Immerhin hat man einen Jonas an Bord. Das ist im Film schon recht dramatisch geschildert, doch ich finde, die Dramatik des Romans ist da noch eine Nuance besser. Schließlich rankt sich um den Jonas-Plot ja noch eine an Dramatik kaum zu überbietende Liebesgeschichte, die kein unerwartetes Ende nimmt, denn schließlich sind wir hier ja nicht auf dem Traumschiff unterwegs.
    Der Plot des Romans unterscheidet sich nicht grundlegend vom Film. Die hier nicht mehr in den besten Jahren befindliche Surprise erhält vor dem Abwracken noch eine letzte Gnadenfrist und wird zum Schutz der britischen Walfänger von Gibraltar aus in den Pazifik entsandt, um die amerikanische Fregatte Norfolk abzufangen. Wie bereits erwähnt, bleibt die große Seeschlacht aus und manch Leser wird sich darum betrogen fühlen wie Stephen Maturin um die Erforschung der Galapagos Inseln.
    Doch der Krieg ist ja noch lang und zukünftige Bücher werden dann auch wieder mit spannenden Gefechten aufwarten. Aber auch ohne Gefecht lese ich dieses Buch immer wieder gern und gebe ihm die volle Punktzahl. :5*:

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)