Im Juni 1800 verließ Lord Nelson im Gefolge der Königin Carolina mit den Hamiltons Neapel. Zunächst reiste man wohl auf Nelsons Flaggschiff, der Foudroyant (80), denn erst am 13.7.1800 holte Nelson dort seine Flagge ein.
Das Reiseziel der Königin, einer Tochter Maria Theresias, war Wien. Lord Nelson und die Hamiltons verabschiedeten sich dort von ihr und reisten nach Prag weiter, wo er am 29. September seinen 42. Geburtstag feierte. Am Folgetag wurde die Reise in Richtung Dresden fortgesetzt, allerdings folgte man nicht dem üblichen Weg über das Gebirge bei Peterswalde, sondern reiste entlang der Moldau und der Elbe bis Leitmeritz (Litomerice) und von dort auf der Elbe weiter nach Dresden. Dort muss man am 1. Oktober eingetroffen sein.
Der Aufenthalt dauerte acht Tage. In dieser Zeit fertigte der sächsische Hofmaler Johann Schmidt Portraits von Lord Nelson und Lady Hamilton an. Das Bild Nelsons wurde für Hugh Elliot angefertigt, der zu dieser Zeit britischer Botschafter in Sachsen war. Er war der Bruder von Lord Minto, einem alten Freund Nelsons. Das Bild der Lady Hamilton begleitete Nelson bis zu seinem Tod als Schutzengel. Es hing jeweils in seiner Kajüte. Heutzutage sind beide Bilder im Besitz des NMM und somit wieder vereint.
Es hat mich immer interessiert, wo Nelson und die Hamiltons während ihrer Dresdner Zeit gewohnt haben könnten (man sollte dort vielleicht eine Gedenktafel anbringen). Irgendwie hielt ich es für logisch, dass es die britische Botschaft gewesen sein müsste, doch wo sich diese befand, war einfach nicht zu ermitteln.
Nun ist es so, dass sich die Sächsische Landesbibliothek - Universitäts und Staatsbilbliothek (SLUB) seit geraumer Zeit intensiv damit beschäftigt, ihre Bestände zu digitalisieren und somit der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Viele dieser Dokumente würde man als normal Sterblicher nicht einmal vor Ort sehen oder gar ausleihen dürfen, weil sie einfach zu wertvoll und empfindlich sind. Man ist zwar bereits einige Jahre damit beschäftigt, doch noch immer liegt vor den Mitarbeitern der SLUB ein gewaltiger Berg an Arbeit. Seit ich von dem Projekt weiß, schau ich immer mal wieder rein und stöbere in der digitalisierten Sammlung, die neben alten Büchern und Dokumenten auch alte Zeitungsausgaben umfasst. Für jeden Historiker eine wahre Fundgrube und das Paradies. Genau so stelle ich mir eine sinnvolle Verwendung meiner Steuergelder vor und dafür zahle ich sie von Herzen gern.
Aber ich schweife ab. Teil der digitalisierten Sammlung sind auch alte sächsische Adressbücher. Also kam ich auf die Idee, darin nach den britischen Gesandten zu suchen. Ich wurde auch fündig, musste allerdings feststellen, dass es damals keine Botschaftsgebäude im heutigen Sinne gab. Vielmehr suchten sich die Botschafter ein standesgemäßes Quartier, so dass jeder britische Botschafter in Sachsen unter einer anderen Adresse residierte. Zu der Zeit, als sich Nelson mit den Hamiltons in Dresden aufhielt, war, wie bereits erwähnt, Hugh Elliot der britische Botschafter. Laut dem Adressbuch von 1799 wohnte er in der Seegasse. Dabei handelt es sich um die heutige Seestrasse, die vom Dresdner Altmarkt in Richtung Prager Strasse verläuft. Es läge also nahe, dass die Reisegesellschaft dort Quartier genommen haben könnte.
Hat sie aber nicht, denn beim Stöbern stieß ich gestern auf einen Extrakt des Buches "Meine Freuden in Sachsen" von Christian Kosegarten. Der deutsche Lyriker hielt sich zur selben Zeit wie Lord Nelson in der Stadt auf und sah ihn dort. Nun ist ja vom Aufenthalt Nelsons in Dresden vor allem bekannt, dass man ihm Zutritt zur Kunstsammlung gewährte. Besonders Sir William Hamilton war ja bekanntermaßen sehr kunstinteressiert. Und man weiß natürlich auch, dass die sächsische Kurfürstin sich weigerte, Lady Hamilton zu empfangen, da sie ihr offen zur Schau gestellte Verhältnis mit Lord Nelson missbilligte. Neu war mir jedoch, dass es zur damaligen Zeit in Dresden ein Lesemuseum gab und es als ausgesprochen chic galt, sich dort vormittags aufzuhalten. Das Lesemuseum war kein Museum im heutigen Sinne, sondern eher eine sehr vornehme Form von Leihbücherei, dass auch eine Musikzimmer beinhaltete, wo sich Musikinstrumente befanden und Partituren auslagen. Es handelte sich dabei um eine Gründung des Verlegers Johann Christoph Arnold und es befand sich im Blockhausgässchen. Diese Strasse und das Gebäude existieren nicht mehr, sie befanden sich auf der Neustädter Seite, nicht weit vom berühmten Goldenen Reiter.
Kosegarten schildert auch, wie sich Nelson und seine Begleitung nach dem Besuch zurück in Gasthaus Polonois begaben, das ständig von einer dichten Traube von Gaffern belagert wurde. Ein Gasthaus dieses Namens ist unauffindbar, sehr wohl gab es jedoch das Hotel de Pologne und das war damals das erste Haus am Platze. Was läge also näher, als davon auszugehen, dass Nelson und Co genau dort Quartier genommen haben? Leider existiert das Gebäude heute nicht mehr. Mitte des 19. jahrhunderts wurde das Hotel für die Sächsische Staatsbank umgebaut und in den Schrecken der Bombennacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 fiel es vielleicht sogar britischen Bomben zum Opfer. Das Hotel de Pologne lag in der Schloßstraße Ecke Große Brüderstraße. Die Schloßstraße verläuft vom Altmarkt bis zum Georgentor des Dresdner Stadtschloßes. Die Große Brüderstraße ist durch die Umgestaltung nach dem Krieg verschwunden. Sie war die erste Querstraße nach der heutigen Wilsdruffer Straße nach links und befand sich ungefähr auf Höhe des heutigen Kulturpalastes. Die dort befindlichen Gebäude stehen also vermutlich auf den alten Fundamenten des Hotel de Pologne.