John Boyne – Der Schiffsjunge: Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty 04/16

Literatur-Vorstellung April 2016:

John Boyne – Der Schiffsjunge: Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty

Die Geschichte der Bounty und der berühmten Meuterei kennt wohl jeder, selbst wenn er sich sonst kaum mit der Seefahrt im Age of Sail beschäftigt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass es sich dabei um einen der meistverfilmten Stoffe der Marinegeschichte handelt. Besonders die berühmten Verfilmungen mit dem diabolisch agierenden Charles Laughton (1935) oder der eiskalten Darstellung durch Trevor Howard (1962) haben unser Bild von Kapitän William Bligh als menschenschindenden Tyrannen nachhaltig geprägt.
Wer sich etwas näher mit der Materie befasst, merkt sehr schnell, dass man dem wahren William Bligh damit unrecht tut. Er war nicht nur ein ausgezeichneter Seemann, er gehörte auch zu der neuen Generation von Offizieren in der Royal Navy am Ende des 18. Jahrhunderts, denen das Wohl ihrer Männer am Herzen lag und die wenig von körperlicher Züchtigung hielten.

Im vorliegenden Roman: Der Schiffsjunge – Die wahre Geschichte der Meuterei aufder Bounty – versucht John Boyne (Der Junge im gestreiften Pyjama, Das Haus zur besonderen Verwendung), dem zu Unrecht verdammten Kapitän Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
John Jacob Turnstile, der Held des Romans, ist ein vierzehnjähriger Taschendieb auf den Straßen Portsmouths, der als Schiffsjunge im Dezember 1787 auf der Bounty anheuern muss, um so dem Gefängnis zu entgehen. Aus seiner Perspektive nehmen wir an der berühmten Fahrt der Bounty Richtung Kap Hoorn, über das Kap der Guten Hoffnung bis hin nach Tahiti teil, erleben die Verlockungen der südpazifischen Insel, die den Seeleuten wie ein Paradies vorkommen musste und werden letztlich Zeugen der Meuterei. Als es darauf ankommt, entscheidet sich John gegen die Meuterer und für den Kapitän, der für ihn eine Art Vaterfigur geworden ist.
Auch wenn ein Junge der Held und Erzähler der Geschichte ist, vermeide ich hier ausdrücklich die Bezeichnung Jugendbuch, denn dieser Begriff wirkt oftmals abwertend und wird diesem Buch einfach nicht gerecht. John Boyne ist mit „Der Schiffsjunge – Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty“ ein richtig guter Roman gelungen, der Leser/innen jeden Alters in seinen Bann ziehen wird.

Erzählt er nun die wahre Geschichte der Meuterei? Hier muss die Antwort eindeutig nein lauten; denn es handelt sich letztendlich ja „nur“ um einen Roman, der naturgemäß voll von Fiktion ist – an Bord der Bounty bleibt der Held der Geschichte, John Jacob Turnstile, allerdings die einzige fiktive Person, die aus der Feder des Autors stammt. Trotzdem scheint es John Boyne sehr gut gelungen zu sein, sich der Wahrheit um die tragischen Umstände der Meuterei auf der Bounty atmosphärisch stärker als jeder vor ihm anzunähern.

Speedy

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