Herman Melville – Moby Dick oder der weiße Wal 11/18

Literatur-Vorstellung November 2018:

Herman Melville – Moby Dick oder der weiße Wal

„Call me Ishmael“, so stellt sich der Ich-Erzähler gleich im ersten Satz des Werkes vor. Er ist ein einfacher Seemann, der hier seine Geschichte als einziger Überlebender des Walfängers Pequod erzählt. Doch eigentlich erzählt er weniger seine eigene Geschichte, sondern vielmehr die Geschichte einer besessenen Jagd. Die eigentliche Hauptperson ist der einbeinige Kapitän Ahab, der bei der Jagd auf dem weißen Wal sein Bein verlor und nur noch von Rache besessen ist.

Ishmael, den es wieder einmal hinaus auf See treibt, begibt sich nach New Bedford, um dort auf einem Walfänger anzuheuern. In der überfüllten Herberge muss er sich das Zimmer mit dem Polynesier Queegqueg teilen. Sie werden Freunde und reisen gemeinsam weiter nach Nantucket, wo die Pequod gerade für eine Walfangreise ausgerüstet wird. Merkwürdigerweise bekommen sie den Kapitän Ahab erst nach mehreren Tagen auf See zu Gesicht. Vorher war nachts nur das Klacken seines Holzbeins zu hören, wenn er ruhelos umherlief. Kapitän Ahab verkündet der überraschten Mannschaft den wahren Zweck seiner Reise: Er will den weißen Wal jagen und erlegen. Um die Männer entsprechend zu motivieren, nagelt er eine Golddublone an den Großmast. Wer den Wal als erster sichtet, soll sie erhalten.

Zunächst nimmt die Reise jedoch den normalen Verlauf einer Walfangfahrt. Wale werden gesichtet, erlegt und verarbeitet. Doch bei jedem Kontakt mit anderen Schiffen erkundigt sich Ahab nach dem weißen Wal. Wurde er gesichtet, lässt Ahab die Pequod sofort in das betreffende Gebiet aufbrechen. Ahabs Besessenheit tritt immer mehr zutage, so dass der erste Steuermann Starbuck sogar darüber nachdenkt, Ahab zu töten. Als Moby Dick endlich gesichtet wird, entbrennt ein erbitterter Kampf der sich über drei Tage hinzieht. Ein Boot nach dem anderen geht verloren, schließlich wird die Pequod selbst gerammt und versenkt. Kapitän Ahab wird an einer Harpunenleine hängend von Moby Dick in die Tiefe gerissen. Nur Ishmael überlebt in Queegquegs Sarg.

Eigentlich hört sich das nach einer tollen Geschichte an und man fragt sich, warum der Roman bei seinem Erscheinen solch ein Flopp war. Wer eine vollständige Ausgabe des Romans liest, kann es aber sehr gut verstehen. Die Handlung, so sie stattfindet, zieht sich ziemlich zäh dahin. Dafür erhält man endlose Vorträge über Wale oder über den Walfang und andere Themen, die wie Berichte oder Essays wirken, die sich in das Buch verirrt haben, obwohl sie natürlich thematisch zum Buch passen.

Moby Dick wird als ein bedeutendes Werk des Symbolismus gefeiert und tatsächlich kann selbst der unbedarfte Leser etliche Bezüge zum Alten Testament entdecken, sei es die Geschichte Ishmaels, der nach langer Irrfahrt gerettet wird oder Ahab, der vom Propheten (im Buch ist es ein Verrückter) Elias verflucht wird. Stellenweise fühlt man sich dabei an das Spätwerk Karl Mays erinnert, der in seinen symbolistischen Romanen ebenso dazu neigte, die Handlung aus den Augen zu verlieren.

Was ist nun mein Fazit? Man kann das Buch gelesen haben, aber eigentlich genügt eine der verkürzten Übersetzungen voll und ganz. Nun weiß ich, dass sich hier eine Menge Puristen tummeln, für die jegliche Kürzung, sei sie noch so sinnvoll, eine Sünde ist. Denen kann ich nur die modernen Übersetzungen ans Herz legen, denn was die alten Übersetzer dem Roman angetan haben, gleicht eher einer Verstümmelung.

Wenn ich aber absolut ehrlich sein soll, dann empfehle ich an dieser Stelle die Verfilmung mit Gregory Peck als Ahab. Der Film mag etwas Patina angesetzt haben und die Tricks wirken vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß, aber er enthält die volle Urgewalt des Kampfes zwischen Mensch und Natur.

Speedy