Glasfenster nach den Gefechten

  • Moin,
    ich weiß nicht, ob wir diese Diskussion schon hatten und ich kann mich gerade nicht dran erinnern, darüber gelesen zu haben. Die Glasscheiben der Heckgalerie, wurden die vor dem Gefecht ausgehängt und verstaut oder hat man die drin gelassen?
    Ich hab gerade ein Gemälde von Thomas Whitcombe gesehen und auch die Gemälde der anderen einschlägigen Künstler zeigt immer auch Fenster während des Gefechts.


    Ich stell es mir ziemlich anstrengend vor, dass man die drin gelassen hat und nach jedem Gefecht ersetzt. Das hieße ja auch dass man Ersatzglas mitführen muss und ich kenn keinen Plan wo eine "Glaslast" aufgezeichnet ist.
    Oder ist das einfach nur Künstlerische Freiheit und man hat sie rausgenommen in der Hoffnung sie gehen unter Deck nicht zu Bruch?

    "As a ship is undoubtedly the noblest and one of the most useful machines that ever was invented, every attempt to improve it becomes matter of importance, and merits the consideration of mankind."

    Thomas Gordon, Principles of Naval Architecture (1784)

  • spannende Frage.
    Hatten wir glaube ich noch nie drüber geredet.
    Ich halte diese Bilder für Künstlerische Freiheit.
    Scheibenglas war zu unserer Zeit immer noch ein sehr teures Vergnügen (man bedenke nur, das in Grossbrittannien die Fenster zu unserer Zeit besteuert waren).
    Genau wie alle anderen Wertsachen wird man die Fenster in die Last verbracht haben und Holzblenden eingehängt haben.
    Das mit den Blenden wird ja auch immer wieder in unseren Romanen beschrieben (sicher kein harter Beweis :D ).
    Bei einer Fregatte hatte ja nur der Kapitän Fenster, bei den Mehrdeckern auch die Offiziere, da wird man schon Wert drauf geegt haben diesen Luxusartikel zu schützen. Schliesslich wollte man nach einem Gefecht ja auch wieder Tageslicht in der Kajüte haben, und nicht Monatelang hinter Holzläden im Dustern sitzen.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Tatsächlich wurde in Wracks einiges an Ersatzscheiben gefunden. Etwas dicker als das heutige und auch nicht immer glasklar, teilweise auch mit Farbeinschlag. Und alle mit dem Broad Arrow gekennzeichnet.


    In früheren Zeiten wurde auch oft Marienglas verwendet, das war dann noch unempfindlicher.


    Mehr hier im Segelschiffsforum:
    Verglasung der Schiffe


    XXXDAn

  • Hmm, die Frage ist gut und auch ich bin mir nicht sicher, ob wir die schon hatte. Ich weiß daher nicht, woher meine Meinung kommt, dass die Scheiben in jedem Fall ausgebaut wurden - Ergebnis einer Diskussion oder schlicht und ergreifend Überzeugung, dass man eine solche Gefahrenquelle (viel Spass den Umstehenden beim Treffer in eine Scheibe) in jedem Fall vorher ausgebaut haben wird.
    Das trotzdem Ersatzscheiben an Bord waren, ist ja kein Widerspruch - man muss ja auch Sturmschäden oder (gerade auf längeren Reisen) normale Materialermüdung reparieren können.

    George N. W. Cavendish-Bentinck (M.O.R.N.)

  • Gute Frage...


    Von denFolgen her ist würde ich sogar die These aufstellen, dass (faserige) Holzsplitter gefährlicher bzw. wesentlich schwerer zu entfernen sind als feste Glassplitter. Aber in jedem Fall auch nicht gesund.


    Bei den Fenstern selbst stellt sich mir die Frage, ob die überhaupt so einfach ausgebaut/ausgehängt werden konnten? Waren die wie an Land üblich teilweise hochschiebbar (s. Dafis Post im anderen Forum) oder eher herunterlassbar?
    Schaut man sich Bilder von der Victory von heute an (wie authentisch sind die?), dann gibt es mehrere Varianten: (Teil-) Schiebefenster im Wardroom, Captain's und Admiral's Cabin mit ganzen Fenstern, versenkbar: Wardroom (außen), Great Cabin (1), Great Cabin mit versenkbaren Fenstern und Captain's Cabin (versenkbare Fenster).
    Auf einer Zeichnung Interior of a Ship's Cabin sieht man auch sehr schön die hochgeklappten Blenden.


    Also für das Gefechte einfach nur die Blenden vorsetzten oder, wenn möglich, die Fenster herablassen und dann die Blenden davorsetzen? Hängt wahrscheinlich auch stark von der Konstruktion des Heckspiegels ab, welche Art Fenster verwendet wurden.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Ihr seid wirklich klasse. Pklötzlich zermartert man sich den Kopf über Probleme, die man noch nie als solche erkannte, obwohl sie doch so naheliegend waren.


    Wahrscheinlich stellte diese Frage auch in der damaligen Zeit nie wirklich. Es kam sicherlich darauf an, ob und wie sich die Fenster öffnen ließen und wie leicht man die Schreiben entfernen konnte.
    Dort wo das nicht möglich war, stellte es vermutlich auch kein großes Problem dar, denn die meisten Schiffen dürften doch nur sehr selten in die Lage gekommen sein, vom Heck her beswchossen zu werden, so wie die wenigsten Offiziere je eine wirklich große Seeschlacht erlebten. Wichtiger dürfte der Schutz vor Sturm und Wellen gewesen sein.

    Glück hat meistens der Mann, der weiß, wieviel er dem Zufall überlassen darf. (C.S. Forester)

  • Danke für die Bilder @Richard Howe.
    Im Lichte dieser Bilder wird ganz sicher von der Art und Weise der Montage der Fenster abgehangen haben.
    Spannend finde ich ja auch das bei Deinem letzten Bild die Blenden innen sind.
    Hätte gedacht das die wenigstens zum Teil auch von aussen montiert wurden.
    Über die Splitterwirkung machen sicher nur wieder wir als moderne Menschen uns einen Kopf.
    Der damalige Jan-Maat wird da sehr wenig Hirnschmalz drauf verwendet haben.
    Eine Verletzung war im weitesten Sinne Gott gewollt. Da war es egal ob die Splitter aus Eiche Glas oder Eisen waren...
    Mediszinisch war beides eine katastrophe zu beheben.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Aus der Zeichnung geht leider nicht hervor, ob es sich nur um "normale" Wetter- bzw. Fensterläden oder auch Gefechtsblenden handelt. Vermutlich hing es auch vom Wetter ab, wie man die Fenster verschlossen hat. Durchaus möglich, dass sie sowohl von innen als auch von außen verschlossen wurden. Es blieb ja trotzdem die absolute Schwachstelle, wenn man bedenkt, wie gefährlich der Beschuss durch den Heckspiegel war, wenn die Kugel durch die Decks "fegten" und reihenweise Seeleute verletzten.
    Auf einem Zweidecker hätte ich die Fenster versenkt und Blenden angebracht. Da es sich um Sprossenfenster handelte, waren die Gläser relativ klein und damit Ersatz auch recht gut zu transportieren.
    Nach einem so heftigen Gefecht dürfte die Reparatur der Fenster allerdings wirklich das geringste Problem gewesen sein...

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Ob die Fenster nach unten oder oben geschoben wurden hängt von der Gillung ab - dem Bereich oberhalb des Ruders und unterhalb des Fensters. Dieser ist bei den Schiffen meist stark einwärts geneigt, so dass die Fenster nicht nach unten gefahren werden konnten, sondern nur nach oben, und dadurch auch nur die Hälfte öffenbar war, da oben durch das obere Deck begrenzt wurde.


    In den höheren Decks ist das Heck gerade und somit kann das Fenster komplett in der Fensterbank nach unten gefahren werden. Beide Varianten sieht man heute noch häufig in englischen Altbauten :-)


    Dass die Abdeckungen innen liegen erstaunt mich auch. Die Gefechtsschäden waren bestimmt nicht der Konstruktionstreiber, dazu kamen die zu selten vor und wenn war das bisschen Glas bestimmt nicht kriegsentscheidend (ich glaube, wir bewerten die Kriegseinsätze eindeutig über), sondern die Elemente Sturm und vor allem Wellen das größte Risiko des Kristalladens da hinten.


    XXXDAn

  • Okay, aber auch bei der Einwirkung von Sturm und Wellen stelle ich mir den Verschleiß dieser Fenster doch enorm groß vor. Bedenkt man dazu noch, dass die Verbände zu dieser Zeit sehr viel elastischer waren als heutzutage und man sich heute auch Gedanken macht, ab wann Sicherheitsfenster brechen.
    Also ich kann mir gut vorstellen, dass die Schäden durch Sturm und Wellen (und dadurch im Endeffekt das Arbeiten der Schiffsverbände) wesentlich größer waren als durch Gefechtseinwirkung, aber wenn Fenster wirklich so ein Luxus war... dann muss die Navy ja irgendwo nen Contract gehabt haben, dass jemand ihnen das Zeug für günstiges Geld liefert :D


    Was natürlich auch sein kann was ich jetzt nicht bedacht hab, dass durch die sehr viel kleineren Scheiben ("Butzenscheiben" nenn ich sie einfach mal) die Belastung gar nicht so groß war infolge der Schiffskörperbewegung, da man ja keine riesigen Glasflächen hat wie heute.

    "As a ship is undoubtedly the noblest and one of the most useful machines that ever was invented, every attempt to improve it becomes matter of importance, and merits the consideration of mankind."

    Thomas Gordon, Principles of Naval Architecture (1784)

  • Außerdem darf die Glasqualität nicht mit der heutigen verglichen werden!


    Die Glasscheiben der Wracks sind auch zum Teil heute noch gut erhalten, und es heißt Glas, riecht wie Glas, und sieht doch ganz anders aus und reagiert auf mechanische Einwirkung anders.


    XXXDAn

  • Kontrakte über Glaslieferungen gab es gewiss, wenn beide Seiten etwas daran verdienen konnten... Kungelei und Korruption waren wohl an der Tagesordnung; aber wie schrieb Lavery so schön dazu: "irgendwie funktionierte das System dennoch..." ;)
    Vielleicht lässt sich irgendwo mal etwas dazu finden.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.

  • Klar, die damaligen Glasscheiben waren sehr dick.
    Auch konnten die Bestandteile nicht in der Reinheit besorgt werden wie heute.
    Es ging ja auch nicht darum eine tolle verzerrungsfreie Aussicht mit gutem Wärmedämmgrad herzustellen, sondern Helligkeit hineinzulassen.


    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Euren berechtigten Einwenden entnehme ich, dass ich es vermutlich nicht gelesen habe, oder der Autor Stuss geschrieben hat. Im Übrigen, klar die Fenster (die im Übrigen auch etwas über das Heck hinausgingen, so dass es nicht unbedingt zum Äußersten kommen mussten, damit ein Fenster einen Schuss ab bekam) mögen ein kleines Problem gewesen sein aber trotzdem wäre es ein weiteres Indiz dafür, dass die Dinger ausgebaut wurden. Da Indizien aber keine Fakten sind, wäre es interessant, wer außer Howe vielleicht noch etwas Konkretes findet.

    George N. W. Cavendish-Bentinck (M.O.R.N.)

  • Abgesehen von den doch, im Verhältnis zur Einsatzdauer, recht geringen Gefechtszeiten sind die seebedingten Erosionen im Schiffsbau damals wie heute das Hauptproblem. Die Belastungen durch Wellenschlag dürften auf den Heckspiegel zwar auch gegeben gewesen seien, waren aufgrund der Konstruktion des Hecks mit der Gillung kein wirkliches ständiges Problem. Wenn so ein größeres Segelschiff von Achtern her so von Wellen überlaufen wurde, daß das Achterdeck von achtern her überflutet wurde dürfte das Schiff schon in einer unmittelbaren existenziellen Gefahrensituation gewesen sein. Zudem dürften die kleinen Glasflächen in ihren doch ganz ordentlich getischlerten Rahmen einiges ausgehalten haben. Die Bruchsicherheitsüberlegungen der heutigen Musikdampfer beziehen sich ja schließlich auf Glasflächen von mehreren Quadratmetern Größe, und u.a. in den Frontflächen der Panoramalounges. Wenn da mal richtig Druck durch einen sicherheitshalber frontal angesteuerten Kaventsmann draufkommt ist Bruch kaum auszuschließen. Aber auch das geschieht recht selten, hinterläßt dann aber schon ordentlichem Schaden, insbesondere wenn wie vor Längerem auf der QM2 das einströmende Wasser das Geschirr einer großen Bar ausräumt.


    Vor etlichen Jahren kamen auch einige der sogenannten Expeditionskreuzfahrer in der Antarktis in Schwierigkeiten als ihnen sehr große Wellen die Fenster des Steuerhauses einschlugen. Da war nicht nur die Steuermannscrew naß, sondern die Maschine ging aus und lies sich nur sehr mühsam wieder starten, was bei den Seeverhältnissen bestimmt keine Freude macht. Beiden Ereignisformen trägt man durch verbesserte Konstruktionen weitestgehend Rechnung. Insbesondere ist die Wiederanlaßfähigkeit der Maschinen verbessert worden. Das hat aber nicht nur mit den Kreuzfahrern zu tun, sondern ist auch ein Problem der Frachtschifffahrt, da diese insbesondere auf Chinafahrt im Südatlanik und der Madagaskarsee häufig mit den Großwellen konfrontiert wird.

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • Scheibe damaliger MAchart waren sicher bummelig dicker als 5mm.
    Wenn man sich alte Butzenscheiben an Land anschaut, denkt man unwillkürlich an Flaschenböden. Insofern werden sie recht stabil gewesen sein.
    Und bei Schwewetter kam sicher die Blende vor, um wie @Angarvater schrieb Gefahren abzuwenden.
    Ich glaube echt wir gehen da zu sehr mit dem heutigen Blick ran.
    War es dem damaligen Menschen einfach egal ob so Scheiben beim Gefecht zu bruch gingen?
    Gibt es irgendwo sowas wie Checklisten was alles passieren musste, wenn man Gefechtsbereit machte?

    • Enternetze riggen
    • Viehzeug schlachten oder in die Brotlast
    • Sand streuen
    • Kartuschen klären
    • Trennwände abschlagen,
    • ....
    • Glasfenster in Sicherheit bringen
    • ....
    • Seifdenstrümpfe anziehen
    • Waffen ausgeben...



    Aga

    Gentlemen, when the enemy is committed to a mistake, we must not interrupt him too soon.

    Adm. Horatio Nelson

  • Wir sollten vielleicht die zivile Denkweise nicht zusehr auf militärische Verhaltensweisen übertragen. Sicherlich wurde und wird alles im Normaldienst nötige getan um Schiff und Material instand, also einsatzbereit zu halten. Im Gefechtsfall gilt es den Feind niederzukämpfen. Und dabei dürfte die Frage ob da ein paar Scheiben mit zu Bruch gehen oder eine Takelage, oder große Teile des Schiffes dabei zerstört werden kaum von Interesse sein, solange man am Ende des Gefechts siegt. Der Zustand der siegreichen Schiffe der nelsonschen Flotte nach Trafalgar z.B. war dementsprechend. Nur hatte die RN gesiegt, und da kam es weder auf Material- noch Menschenverluste während Schlacht an. Ergo wurden die eigenen und die eroberten, allesamt arg gebeutelten Schiffe in die Werften verbracht und wieder aufgebaut.

    To the optimist, the glass is half full.
    To the pessimist the glas is half empty.
    To the engineer, the glass is twice. As big as it needs to be.

  • Ja und nein?!
    @Aga und @Angarvater ich vermute Ihr habt beide recht: auf der einen Seite war es letztlich egal, was kaputtging (solange das Schiff selbst nicht unterging), sofern am Ende ein Sieg zu verbuchen war (Werftbesuch meistens bestimmt erforderlich); andererseits gab es doch bestimmt eine (ungeschriebene) Checkliste, was Master, Leutnants & Co. so zu tun hatten. Tepiiche, Bilder und Möbel des Kommandanten und der Offiziere wurden ja ganz gewiss sicher verstaut.

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    ~*~ "Und nun meine Herren, genug der Bücher und Signale." ~*~ Richard Earl Howe, 1. Juni 1794.